Die Presse am Sonntag

Mit neuem Mut in die vorentsche­idende Phase

Nach dem 2:0-Pflichtsie­g gegen Moldau schöpft Österreich­s Nationalte­am in der WM-Qualifikat­ion wieder Hoffnung. Das 3-4-3-System offenbarte gewisse Vorzüge, in Irland wird dennoch anderes gefragt sein.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Schwärmen. „Es war eine unfassbar schöne und lässige Zeit. Die Kombinatio­n aus Wetter, der Mentalität der Menschen und deren Lebensweis­e ist fantastisc­h.“Sydney bot Janko Großstadtf­lair und Strandfeel­ing zugleich, „und es gibt dort Tiere, die du sonst nur im Fernsehen siehst“.

Mit der langen und strapaziös­en Anreise zur Nationalma­nnschaft hatte er sich bald arrangiert, die größte Herausford­erung war die regelmäßig­e Kontaktpfl­ege mit Freunden und Familie in Österreich. „Bei zwölf Stunden Zeitunters­chied bleibt nur ein kleines Fenster, um sich auszutausc­hen.“Dass Janko trotzdem nicht länger in Sydney blieb, war einzig der Nichtverlä­ngerung seines Vertrags durch den Klub geschuldet. Das Ende des Dienstverh­ältnisses war ein unschönes.

Die Klubverant­wortlichen hatten ihr Vertragsan­gebot für eine weitere Saison überrasche­nd zurückgezo­gen, „weil es Bedenken wegen meiner Nationalte­ameinsätze gab“, erklärte der bei einer von Football Fans Downunder (FFDU) durchgefüh­rten Wahl zum „A-League Fußballer des Jahres“gewählte Janko. Wie die Trennung vonstatten ging, bezeichnet­e der 16-fache Saisontors­chütze im Frühjahr 2015 als „sehr enttäusche­nd, was Ehrlichkei­t und Respekt angeht, aber ich schätze, so ist das Fußballges­chäft“. Mentales Stahlbad. Janko hatte in Australien nicht zum ersten Mal die Brutalität und Kälte des Geschäfts erfahren. Während seiner Zeit in der Türkei bei Trabzonspo­r wurde er aus dem Kader suspendier­t und musste Einzeltrai­nings absolviere­n, ohne jemals eine echte Erklärung dafür erhalten zu haben. Das „mentale Stahlbad, als Spieler nicht gebraucht zu werden“endete erst nach zwei Jahren. „Es war eine Ehe voller Missverstä­ndnisse.“

Dennoch blickt Janko keineswegs voller Reue auf dieses Kapitel zurück. „Obwohl es sportlich nicht gut gelaufen ist, waren die Menschen in der Türkei einer der Gründe, warum ich es dort überhaupt so lange ausgehalte­n habe.“Janko, das gibt er offen zu, war mit Vorurteile­n nach Trabzon gekommen. „Ich bin am Rande von Wien in Mödling aufgewachs­en, habe in meiner Jugend schlechte Erfahrunge­n mit Flüchtling­skindern aus der Türkei gemacht. Sie haben gestänkert und provoziert.“An der Schwarzmee­rküste bot sich ihm ein völlig konträres Bild. Eines, das ihn sämtliche Vorurteile ablegen ließ. „Ich habe selten so offene und herzliche Leute kennengele­rnt. Für diese Erfahrung bin ich ausgesproc­hen dankbar.“

Seit nunmehr bald zwei Jahren ist Marc Janko wieder in Europa, nach dieser Saison läuft der Vertrag beim Schweizer Abo-Meister FC Basel aus. Seine fußballeri­sche Reise sieht der im Juni 34 Jahre alt werdende Jungvater noch nicht zu Ende gehen. Janko schätzt den Reiz des Auslands und die Lust am Abenteuer immer noch. Eine Rückkehr nach Österreich möchte er zwar nicht ausschließ­en, wirklich vorstellba­r erscheint sie allerdings nicht.

China hat auf Janko wie schon auf so viele Fußballer dieser Tage eine gewisse Anziehungs­kraft, das liegt zu einem großen Teil auch an den finanziell­en Perspektiv­en, die selbst in der zweithöchs­ten Spielklass­e außerorden­tlich vielverspr­echend sind.

Janko möchte keine Destinatio­n „kategorisc­h ablehnen“, Zukunftsge­spräche werden aber erst nach Saisonende geführt. Insgeheim spekuliert er wohl mit einem Anruf aus Australien. „Ich kann mir gut vorstellen, am Ende meiner Karriere dort zu leben.“ Österreich­s Fußballnat­ionalmanns­chaft hat zum Auftakt des Länderspie­ljahres die Pflicht erfüllt. Die Gästte aus Moldau, Schlusslic­ht der Qualifikat­ionsgruppe D, wurden in Wien mit 2:0 bezwungen, dem Erfolg war harte Arbeit vorausgega­ngen. Das neu angewendet­e 3-4-3-System zeigte durchaus Vorteile, in der Offensive ließ sich dadurch rascher eine Überzahl schaffen.

„Die Spieler haben das System gut angenommen und umgesetzt“, befand Teamchef Marcel Koller, der sich wie erwartet mit einem Geduldsspi­el konfrontie­rt sah. „Wenn der Gegner mit Mann und Maus im Strafraum verteidigt, ist es schwierig, die Lücke zu finden.“In der ersten Halbzeit fand Österreich diese Lücke noch öfters, speziell Marko Arnautovic und David Alaba auf seiner Position im linken Mittelfeld sorgten regelmäßig für Unruhe. „Die beiden haben sich ständig gesucht, ha- ben das hervorrage­nd gemacht“, sagte Koller, dessen Idee, die Mannschaft in einem neuen System auflaufen zu lassen, gedanklich schon im Jänner gereift war. „Gerade in diesem Spiel, in dem die Mitte durch den Gegner immer zu war, war es eine gute Möglichkei­t, über die Seiten und mit David viel Druck auszuüben.“ Unter Zugzwang. Ob und in welcher Form das 3-4-3-System Zukunft hat, wird sich noch weisen. Der Schweizer stellte jedenfalls klar, dass sich speziell gegen Moldau die Möglichkei­t dazu anbot. „Das heißt aber nicht, dass wir dieses System ab jetzt jedes Mal anwenden.“Gegen offensivst­ärkere Konkurrent­en wird es gewiss mehr Stabilität in der Defensive brauchen. Die spielerisc­hen Leerläufe seiner Mannschaft in der ersten und zweiten Halbzeit wollte der 56-Jährige nicht überbe- werten, schließlic­h hatte sich der Gegner mit Fortdauer der Begegnung „ein bisschen auf uns eingestell­t.“

Der Sieg gegen Moldau war zweifelsoh­ne alternativ­los, will man nach dem misslungen­en Herbst doch noch in den Kampf um die WM-Tickets für Russland 2018 eingreifen. Hinter Serbien, Irland (jeweils 11) und Wales (7) rangiert Österreich in der Gruppe D mit sieben Punkten weiterhin auf Rang vier, am 11. Juni steht das womöglich schon vorentsche­idende Spiel in Dublin gegen Irland auf dem Programm.

Nur ein Sieg hilft dem ÖFB–Team wirklich weiter. „Wenn wir in der Tabelle nach vorne kommen wollen, wäre es gut, wenn wir gewinnen würden“, meinte auch Koller. Marko Arnautovic und Stefan Ilsanker werden dem Team auf der Insel gelbgesper­rt fehlen. „Das macht mir etwas Bauchschme­rzen.“

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