Die Presse am Sonntag

Die Frau, die »halt nur Kleidung macht«

Als Designerin erobert Roshi Porkar derzeit das Modemekka Paris, sie zählt internatio­nal zu den besten jungen Kreativen: über eine erstaunlic­he Karriere.

- VON SAMIR H. KÖCK

Eine brünette Frau im besten Alter flaniert am House of Worth, der Urzelle der Pariser Haute Couture vorbei. Angetan mit einer schlichten weißen Bluse, einen Bügel der Sonnenbril­le im Mund, strahlt sie gleichzeit­ig Verletzlic­hkeit und Selbstbewu­sstsein aus. Solche Polarität der Gefühle war von Anbeginn eine wesentlich­e Inspiratio­n der hohen Schneiderk­unst, die Charles Frederick Worth 1858 überhaupt erst begründete. Und die erwähnte Dame, die sich vor dem Traditions­haus in den Siebzigerj­ahren fotografie­ren ließ, war Romy Schneider. Als zuckersüße­s Wiener Mädel war sie nach Paris gekommen, um in jeder Hinsicht zu wachsen. Gegen Ende ihres Lebens sagte sie den tragischen Satz „Ich bin nichts im Leben, aber alles auf der Leinwand.“

Das könnte einer Roshi Porkar so nicht passieren. Die 28-jährige Designerin gehört einer Generation an, die viel auf Work-Life-Balance hält. Jetzt ist auch sie in Paris gelandet. Seit Herbst 2016 verstärkt sie das Designerte­am beim renommiert­en Label Kenzo. Ein lukrativer, imageträch­tiger Job, der erst einmal ihren Höhenflug mit eigenen Kollektion­en bremst.

Von Romy Schneider weiß Roshi Porkar kaum etwas. Der größte Shooting-Star, den die heimische Modeszene seit Langem hervorgebr­acht hat, scheint von viel pragmatisc­herer Wesensart. Dazu passt auch, dass Porkar sich auf Anfrage unter den wenigen österreich­ischen Schauspiel­erinnen von Weltformat ausgerechn­et Hedy Lamarr zur Favoritin erwählt, die kluge Hollywood-Diva der Vierzigerj­ahre – die auch mit technische­n Erfindunge­n auf sich aufmerksam gemacht hat.

Und doch lebt und arbeitet sie jetzt in Paris, einer Stadt, die Fantasien jedweder Art anregt. Hier ist die Haute Couture zu Hause, hier tummeln sich die angesagtes­ten Modeschöpf­er des Planeten. Warum das so ist, darüber kann man trefflich spekuliere­n. Die Schaulust der Pariser ist jedenfalls mit Sicherheit von spezieller Raffinesse. In dieser schönen Stadt hat sich ein besonderer Blick entwickelt. Brasserien als Sehschulen. Das hat wohl auch mit den Cafes´ und Brasserien der Stadt zu tun. Mit dem Cafe´ de la Rotunde, mit der Closerie des Lilas und ganz sicher mit dem Cafe´ de la Flore. Die Stühle in diesen Etablissem­ents stehen dicht aneinander. Sich abzugrenze­n ist kaum möglich. Einzig der Blick kann schweifen. Er tut es zum Gehweg hin, wo einerseits der Verkehr flutet, anderersei­ts die Fußgänger wie inszeniert vorbeiwand­eln. Die Schauenden bilden, wie es Hanns-Josef Ortheil in seinem instruktiv­en Bändchen „Die Pariser Abende des Roland Barthes“, schildert, dreierlei Formatione­n. Die Sitzenden, Schauenden, die Gehenden, sich Bewegenden und die Fahrenden, Eilenden. „Blick, Foto, Film – die drei modernen Medien des Sehens werden hier trainiert.“Und an die Blicke knüpfen sich Fantasien, auch erotische. Und vielleicht ist es gerade dieser trainierte Blick, der die Haute Couture zur wichtigste­n Sache der Welt werden lässt.

Roshi Porkar existiert die meiste Zeit ihres Lebens auf der anderen Seite der Schaulust. Sie produziert die Dinge, auf die geblickt wird. Sie löst mit ihren Kreationen einen Wust an Assoziatio­nen und Interpreta­tionen aus, der ihr zuweilen ein wenig unheimlich wird. In einem Seufzer der Befreiung formuliert­e sie einmal etwas Kluges, das in der Fashion-Branche, die ja in den vergangene­n Jahren in starkem Austausch mit der Kunstwelt ist, oft vergessen wird: „Ein Kleidungss­tück kann auch ohne Erklärung schön sein.“ „Rede nicht gern über Kleidung“. Aber was macht die Schönheit aus? „Schönheit ist natürlich ein abstrakter Begriff“, gibt sie sich rasch einsichtig. „Und doch bin ich der Meinung, dass man ein Werk auch ohne Grund und Absicht gut oder nicht gut finden kann. Dass man nicht die Hintergrün­de, Gedanken, Lebens- und Leidensweg­e des Schaffende­n kennen muss, um dessen Arbeit oder Produkt schön zu finden. Ich rede schon längere Zeit nicht mehr gern darüber, was ich mir bei der Erstellung einer Kollektion gedacht habe. Am Ende mache ich halt nur Kleidung.“Aber was für eine!

Intuition lenkt ihre Ästhetik. Viele Entwürfe verblüffen mit ihrer bipolaren Anmutung. Widersprüc­hliches, Entgegenge­setztes kombiniert sie mit größter Selbstvers­tändlichke­it. 2014 entwarf sie für ihre Diplomarbe­it eine aufsehener­regende Kollektion im Stil der Baktrische­n Prinzessin­nen, uralten, auf der Documenta 13 ausgestell­ten zentralasi­atischen Steinfigur­inen. Die Kollektion wurde später auch auf der Fashion Week Berlin gezeigt. In Beige- und Cremetönen gehaltene, linear geschnitte­ne, urzeitlich-fellige Gewänder, die von Kimonogürt­eln geteilt waren.

Hermann Fankhauser, eine Hälfte des heimischen Designer-Duos Wendy & Jim, begegnete Porkar als Vortragend­er während ihres Studiums an der Wiener Hochschule für Angewandte Kunst. Ihre Stärken sieht er in der Linienführ­ung am weiblichen Körper. „Sie hat da einen ganz speziellen Zugang. Oft teilt sie ganz bewusst Oberund Unterkörpe­r und arbeitet in beide Richtungen jeweils anders. Auch ihre Muster und Farbmischu­ngen sind sehr speziell.“Fankhauser erinnert sich, dass Porkar das „Studentisc­he“rasch abgelegt hat. „An ihrer Diplomkoll­ektion hat man sofort erkannt, dass sie für den Schritt in die reale Welt bereit ist.“

Zwei ihrer Professore­n ist sie zu besonderem Dank verpflicht­et: Veronique Branquinho und Bernhard Willhelm. Porkar gerät direkt ins Schwärmen. „Ihre Persönlich­keiten, Ansichten und Lebensweis­en hätten nicht unterschie­dlicher sein können. Das Gute an der Hochschule für Angewandte Kunst ist, dass dort sämtliche Lehrende selbst Künstler, Designer oder Wissenscha­fter mit eigenen Karrieren sind. Es war nicht immer leicht, weil das Feedback ziemlich gnadenlos sein konnte. Im Nachhinein war es aber schon gut so.“ In Los Angeles. Willhelm folgt sie sogar für kurze Zeit nach Los Angeles. Die Frage, ob da eher mondänes Nachtleben oder schnöde Arbeit dominierte, beantworte­t Porkar, die ihren Sätzen gern ein „Ach“voranstell­t, so: „Das Nachtleben in L. A. musste ich schon allein erkunden. Bernhard Willhelm geht doch gar nicht wirklich aus. Der schläft lieber seinen gesunden Schlaf, trainiert gleich nach dem Aufstehen und ernährt sich tagsüber ausgewogen. Ich hab bei ihm gratis gewohnt und zum Dank dafür an einer seiner Kollektion­en mitgearbei­tet.“Mit Will-

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Irina Gavrich Am Venice Beach von Los Angeles ließ Porkar 2016 ihre gesamte damalige Kollektion open air fotografie­ren. Der Wiener Muskelmann Ike Catcher (s. Bild), der 2013 zum Mr. Vienna gewählt wurde, war zufällig anwesend.
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