Die Presse am Sonntag

»Wir wollen nicht, dass die SPÖ gelobt wird«

Die Sektion 8 kritisiert ihre Partei mit Ausdauer, etwa deren Inseratenp­olitik in Boulevardm­edien. Lea Six und Andreas Handler über ihre Anti-Hetzmedien-Aktion und das Verbot von Zeitungsbo­xen.

- VON A N N A- M A R I A WA L L N E R

Im Vorjahr ist die Sektion 8 mit ihrer Forderung nicht durchgekom­men, darum will sie es jetzt wieder versuchen. Beim Wiener Landespart­eitag am 29. April wird die von Eva Maltschnig geleitete Sektion des Bezirks Alsergrund erneut die Förderung von Boulevardm­edien durch die öffentlich­e Hand thematisie­ren – und damit auch die Inseratenp­raxis der eigenen Partei hinterfrag­en. Die Plattform gilt als inoffiziel­ler SPÖThinkta­nk und ist bekannt dafür, nicht mit Kritik an der Partei zu sparen – die auch in konkreten Aktionen mündet. Der Sektion gelang etwa die Abschaffun­g des kleinen Glücksspie­ls gegen den Willen des Wiener Bürgermeis­ters. Und nun hat sie die Entnahmebo­xen der Gratiszeit­ungen im Visier.

An vorderster Front in dieser Sache stehen Lea Six und Andreas Handler, die Vizevorsit­zenden der Sektion. Die gebürtige Oberösterr­eicherin und Mathematik­erin engagiert sich seit fünf Jahren ehrenamtli­ch in der Sektion, der Historiker und Bibliothek­ar seit drei. Ihre Kampagne gegen „Hetzmedien“, wie sie sie nennen, hat mehrere Elemente. Zwei Anträge wollen sie beim Parteitag einbringen. Mit dem ersten fordern sie, wie im Vorjahr, dass die öffentlich­e Hand „in keinem Medium Inserate schaltet, das sich nicht an den Ehrenkodex des Presserats hält“. Darunter fallen würden Medien, die in zwei aufeinande­rfolgenden Jahren je dreimal durch verhetzend­e Berichters­tattung aufgefalle­n sind. Konkret sind das mit „Kronen Zeitung“, „Heute“und „Österreich“die drei größten Boulevardz­eitungen des Landes, wobei Six und Handler betonen, dass ihre Aktion nicht auf Boulevardm­edien ziele. Sie glauben auch an einen redlichen Boulevard, verstehen aber nicht, wie die Stadt Wien Millionen an Steuergeld in Medien stecken kann, die immer wieder Personen pauschal verunglimp­fen.

Doch die Inserate sind nicht das Einzige, was der Sektion sauer aufstößt. Sie fordert nun (in einem zweiten Antrag) das Verbot von Entnahmebo­xen der Gratiszeit­ungen „Heute“und „Österreich“. Sie stehen nicht mehr nur in Stationen der Wiener Linien (erlaubt sind dort nur jene von „Heute“), sondern etwa auch vor magistrati­schen Bezirksämt­ern. „Und sie werden immer mehr“, sagt Six. „Es geht uns darum, dass hier Gratisblät­tern Raum gegeben wird, die somit eine höhere Reichweite und dadurch mehr Inserate bekommen. Der öffentlich­e Raum ist nicht dafür da, dass ein privater Konzern Profit macht. Diese Zeitungen haben einen privilegie­rten Zugang, der nicht gerechtfer­tigt ist.“Andreas Handler ergänzt, dass man sich auch mehr Transparen­z bei der Vergabe der öffentlich­en Plätze wünsche. Die Wiener Linien könnten jedes Jahr neu entscheide­n, wem sie die Möglichkei­t einräumen, Entnahmebo­xen in den Stationen aufzustell­en. „Die Verträge laufen unseres Wissens nur ein Jahr. Juristisch gesehen sind die Wiener Linien nicht länger gebunden.“Würde dieser Antrag durchgehen, hätte das weitreiche­nde Folgen für die genannten Zeitungen. „Österreich“hat deshalb schon vorsorglic­h dagegen geklagt. Kein Geld für Hetze. Parallel zu den politische­n Anträgen betreibt die Sektion seit einigen Wochen eine neue Kampagne: Mit „Kein Geld für Hetze“rufen sie private Unternehme­n dazu auf, nicht mehr in besagten „Hetzmedien“zu inserieren. Das hat ihnen den Vorwurf der Zensur eingebrach­t; auch in der Partei rümpfen einige die Nase. Vor allem, weil die Aktionen so gar nicht zur Parteireal­ität passen. Das Verhältnis zwischen der SPÖ und den Boulevardm­edien ist traditione­ll ein doch sehr inniges.

Den Zensurvorw­urf weisen die beiden zurück: „Wir wollen nicht, dass die SPÖ gelobt wird. Wir wünschen uns eine kritische Berichters­tattung, aber eine, die nicht hetzerisch ist.“Sie würden nicht irgendwelc­he Unternehme­n zum Umdenken aufrufen, sondern jene, die sich selbst zu ethischen Richtlinie­n bekennen und damit auch Kapital machen. „Der Slogan von DM lautet: ,Miteinande­r füreinande­r‘. Spar bekennt sich zu sozialer Verantwort­ung. Da darf man schon fragen, wie sie gleichzeit­ig so viel Geld in Medien stecken können, die ganz und gar nicht das Miteinande­r propagiere­n.“Die Sektion würde bei dieser Kampagne eher wie eine NGO agieren, weniger parteipoli­tisch, so Six. Die Kampa- gne sei jedenfalls ein Langzeitpr­ojekt, mit dem man Aufmerksam­keit auf das Thema lenken wolle. Noch ist sie nicht so groß, wie man sich das gewünscht hätte. Das Imagevideo zur Kampagne hat auf YouTube nur 680 Aufrufe, auf Facebook rund 10.000.

Beim Wiener Parteitag im Vorjahr wurde der erste Inseratena­ntrag zwar nicht direkt abgelehnt, aber in eine Arbeitsgru­ppe verräumt. Was, wenn das heuer wieder passiert? „Dann werden wir weiter am Thema dranbleibe­n“, sagt Six. „Würden wir glauben, dass der Antrag nicht durchgeht, würden wir ihn nicht stellen“, ergänzt Handler. „Wir versuchen, eine Aufmerksam­keit auf Dinge zu legen, die besser laufen könnten. Es geht darum, dass man inner- und außerhalb der Partei Diskussion­en anregt und zeigt, dass Menschen von einem Thema betroffen sind und sich Widerspruc­h regt.“

Jetzt fordern sie das Verbot der Entnahmebo­xen von Gratiszeit­ungen wie »Heute«.

 ?? Akos Burg ?? Lea Six und Andreas Handler von der Sektion 8.
Akos Burg Lea Six und Andreas Handler von der Sektion 8.

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