Wiens oberster Bauherr
Es gibt kein großes Bauprojekt, wo der grüne Gemeinderat Christoph Chorherr nicht seine Finger im Spiel hat. Er verlangt den Bauherren viel ab – darunter auch Teile ihres Profits.
Christoph Chorherr bekommt eine Eigentumswohnung, weil er einem Bauherren eine Widmung besorgt hat. Ein Hochhaus wird genehmigt, weil Christoph Chorherr der Berater des Investors war. Oder: Ein Projekt geht nur durch, weil Christoph Chorherr mit seiner Firma einen Auftrag bekommen hat und/oder persönlich mit den Investoren verbandelt ist.
Es gibt in der Stadt Wien wohl keinen anderen Politiker, um den sich so viele derartige Gerüchte ranken wie um den Grünen Planungs- und Wohnbausprecher – pünktlich zum Beginn der Bausaison werden sie wieder laut. Zuletzt wurde ein neues aus seiner eigenen Partei lanciert: Grüne Gegner des Heumarkt-Hochhauses hatten behauptet, dass er das Projekt nur befürworte, weil er mit dem Investor finanziell verbandelt sei. Das stellte sich nach eingehender Recherche ebenso als unwahr heraus, wie das seit Jahren existierende Gerücht rund um das geplante Wohnhochhaus Danube Flats in der Donaustadt. Dort soll Chorherr beratend tätig sein und eine Wohnung bekommen.
Chorherr, der von 1997–2004 auch Klubobmann der Wiener Grünen war, bevor er im Fundi-Realo-Streit von David Ellensohn und dessen Anhängern gestürzt wurde, weiß um seinen Ruf: „Es gibt kein Großprojekt oder Stadtentwicklungsgebiet, wo es diese Gerüchte nicht über mich gibt“, sagt er. Und: „Um es einmal klarzustellen: Ich wohne seit 15 Jahren in einer Mietwohnung im Hochparterre, habe keine Option auf eine Eigentumswohnung und mache keinerlei Projektberatung im Planungs- und Baubereich mehr, seitdem die Grünen in der Regierung sind. Meine Firma gibt es schon ewig nicht mehr.“Laut Firmenbuch war er bis 1998 Geschäftsführer der „Chorherr & Reiter ökologische Bauprojekte GmbH“. Chorherr erklärt sich den hartnäckigen Tratsch mit Politikverdrossenheit: „Offensichtlich ist es für viele gar nicht mehr vorstellbar, dass ein Politiker einfach etwas aus Idealismus tut – und nicht, weil er sich bereichern will.“
Chorherr, dem man parteiintern gern Bürgerlichkeit vorwirft, ist mehr als ein Idealist. Er ist einer der letzten, konsequenten linken Grünen, der auch politisch radikale Mittel nicht scheut. „Die radikalste Kritik ist die konkrete erlebbare Alternative“– beschreibt er sein Lebensmotto in seinem 2011 erschienen Buch „Verändert“. Darum kann er sich etwa auch Enteignungen als letztes Mittel gegen die Wohnungsnot vorstellen. Eine gesetzliche Grundlage dafür gibt es seiner Meinung nach sogar schon. Bevor das passiert, will er aber mittelfristig ein gesetzlich verankertes Vorkaufsrecht von Grundstücken für die öffentliche Hand haben. In fast jeder Jury. Soweit ist es aber noch nicht. Sein Ziel, Wien zu einer „sozial-gerechten ökologischen Stadt“zu machen forciert er aber mit Nachdruck. Es gibt eigentlich kein größeres Bauprojekt, in dem er nicht höchstpersönlich seine Finger hat. Einerseits hat er durch das grün-geführte Stadtplanungsressort große Macht, weil dort umgewidmet wird. Andererseits, weil Chorherr in fast jeder relevanten Jury sitzt – wer in dieser Stadt etwas bauen will, muss also an ihm vorbei.
Seit Rot-Grün ist das Leben für die Baubranche ein härteres geworden, weil Chorherr im Sinne einer linken Umverteilungspolitik viel verlangt: Das geht von verpflichtenden Bürgerbeteiligungsverfahren über Architekturwettbewerbe bis hin dazu, dass Bauherren Teile ihres Gewinns abtreten müssen.
Auf seine Initiative wurden in der ersten rot-grünen Legislaturperiode die sogenannten Städtebaulichen Verträge eingeführt: Wer in Wien eine Umwidmung für ein größeres Bauvorhaben will, muss Kalkulationen vorle-
Christoph Chorherr
wurde 1960 geboren. Der studierte Volkswirt ist seit 1991 Gemeinderat, 1997 war er Klubobmann der Wiener Grünen. Er gilt als Mitarchitekt der ersten rot-grünen Koalitionsregierung in Wien.
Arbeitsschwerpunkte:
Energiepolitik, Verkehrspolitik, Stadtplanung. Der Sohn des früheren „Presse“-Chefredakteurs Thomas Chorherr ist Mitbegründer von Schulen in Wien und Südafrika und hat Lehraufträge an diversen Universitäten. gen und einen Teil des Profits in die Allgemeinheit investieren, Sozialwohnungen zur Verfügung stellen oder etwa eine Schule bauen. Auch Heumarkt-Investor Michael Tojner wurde dazu verpflichtet, 40 Millionen Euro in Sanierungen für die Öffentlichkeit zu investieren.
Das Stadtplanungsressort wurde durch diese Verträge zur Gelddruckmaschine: Millionen-Investitionen, die aufgrund leerer Stadtkassen nicht mehr möglich wären, werden nun von Privaten übernommen. „Ich sehe diese Investoren aber eben auch nicht als Gegner der Stadt, sondern als Partner – wir versuchen, gemeinsam Qualitäten zu realisieren.“
Chorherr geht gern ungewöhnliche Wege, um Unkonventionelles zu ermöglichen. So versucht er, Baugruppen zu fördern, indem er Grundstücke für sie reserviert – zum Missfallen manch anderer Bauträger. Er war es, der die autofreie Siedlung in Floridsdorf ebenso durchgesetzt hat wie die Bike-City in der Leopoldstadt. Beide Projekte stie-
Chorherr erklärt sich den Tratsch über ihn vor allem mit Politikverdrossenheit. Das Wichtigste sei es, Nein sagen zu können. Und das will er auch noch oft tun.
ßen auf der einen Seite auf große Zustimmung, auf der anderen auf völliges Unverständnis, gepaart mit Angst, dass die Grünen nun sukzessive die Autos überhaupt verschwinden lassen wollen. Ein Gedanke, den Chorherr wohl tatsächlich nicht abwegig findet.
„Ich bin jemand, der die Welt verändern will. Ich wundere mich immer, wenn sich andere wundern, wenn ein Politiker versucht, seine Ziele durchzusetzen“, sagt Chorherr. Dass er immer wieder auf Widerstände stößt, störe ihn insofern nicht, weil auch er massiv Widerstand leistet, um dorthin zu kommen, wo er hinwill: „Das Wichtigste, das ich während meiner 26 Jahre währenden politischen Arbeit gelernt habe, ist das Wort Nein“, sagt er. „Und ich habe vor, es noch oft zu benutzen.“