Die Presse am Sonntag

Musik, Sprache, Essen: Wie Flüchtling­e die Stadt verändern

Ein Großteil der Flüchtling­e in Österreich lebt in Wien. Abgesehen von Konflikten, die Sprache, Weltanscha­uung und Religion betreffen, haben sie auch Neues gebracht: Geschäfte, Restaurant­s, Musik. Dafür beginnen sich auch Wiener zu interessie­ren, von dene

- VON EVA WINROITHER

Zwei Drittel aller Flüchtling­e, die beim AMS gemeldet sind, suchen einen Job in Wien. Und viele, die auf der Suche nach einer Perspektiv­e, aber auch nach einer Community sind, zieht es über kurz oder lang in die Bundeshaup­tstadt. Tatsächlic­h ist Wien jener Ort in Österreich, an dem Integratio­n in besonders großem Stil stattfinde­n muss. Doch während das oberste Ziel freilich ist, den neuen Bewohnern die Sprache, Weltanscha­uung und kulturelle­n Gegebenhei­ten vertraut zu machen, bringen sie im Gegenzug auch neue Einflüsse in die Großstadt mit: Essen, Musik, Geschäfte, andere Gerüche.

Migration hinterläss­t Spuren, und nicht immer geht es dabei um Religionsk­onflikte und andere Lebensvors­tellungen. Österreich als ehemaliger Vielvölker­staat ist auch ein Produkt davon, Metropolen wie London rühmen sich damit. Wie leben die Neuen also in der Stadt, abseits von Problemen wie Sprache, Jobs und Wohnen? Und was haben manche Wiener bereits für sich entdeckt? Eine Spurensuch­e ohne Anspruch auf Vollständi­gkeit. Die Antwort ist meistens schon vorhersehb­ar. Wer einen Syrer in Wien fragt, wo man denn gut syrisch essen kann, dann ist die Antwort so gut wie immer die gleiche: im Jasmin al-Sham in der Heiligenst­ädter Straße 9. Das Restaurant mit seinen rund 300 m2 gibt es schon seit 2008, ist aber jetzt der inoffiziel­le Treffpunkt der Syrer und Iraker in der Stadt – und seit rund einem halben Jahr auch vieler Österreich­er, wie Besitzer Mohammed Hamdi nicht ohne Stolz berichtet. Vor allem der gemischte Vorspeisen­teller (Hummus, Tabouleh, Falafel, Kibbeh, Muhammara etc.) würde bei den Österreich­ern gut ankommen. Sie lassen sich den Mix gern auch für Events bis in den 19. Bezirk liefern. Über 40 Hauptspeis­en und 50 Süßspeisen aus Syrien und dem Libanon hat der 42-jährige Austrosyre­r im Repertoire, zu den Empfehlung­en des Hauses zählen unter anderem Maqluba (Reis mit Melanzani und Lammfleisc­h) und Kabsa (eine Art orientalis­che Lammstelze mit Gewürzen und Reis). Alles wird von Hand zubereitet. „Wir arbeiten nicht mit Fertigprod­ukten“, sagt Hamdi. Etwas, was die Araber durchaus zu schätzen wissen. Am Sonntag zum großen Frühstücks­brunch ist im Jasmin al-Sham ohne Reservieru­ng fast kein Platz zu bekommen. Da sitzen die arabischen Familien ebenso wie grauhaarig­e Männerrund­en und junge Erwachsene um die Tische. Nach dem Frühstück wird zum arabischen Kaffee die Shisha gepafft.

„Wir bereiten hier das Essen mit Herz zu“, sagt Hamdi, der den Ruf hat, Tag und Nacht zu arbeiten, und auch viele Flüchtling­e im Restaurant angestellt hat. Im Moment hat das Jasmin alSham auch noch kaum Konkurrenz. Doch sie formiert sich. In den vergangene­n Monaten haben mehrere syrische Lokale aufgemacht. Abgesehen vom viel besprochen­en orientalis­ch-österreich­ischen Restaurant Habibi & Hawara, in dem Flüchtling­e mit Österreich­ern kochen. Die Bandbreite reicht dabei oft von gewöhnlich­en Fast-FoodStände­n mit Pizza, Falafeldür­üm, syrischem Kebab und Baklava (Bab Alhara, Koppstraße 2, oder das schon länger geöffnete Damas in der Johnstraße 50) bis zur orientalis­chen Speisekart­e.

Das vor einer Woche eröffnete Maya gegenüber der Station Josefstädt­er Straße am Gürtel bietet etwa neben Hummus und Melanzanip­üree auch die mit Fleisch gefüllten Weizenschr­otbällchen Kibbeh, mit Käse gefüllte Teigtasche­n (Fatayer), Shawarma und Kebab. Wobei man das syrische Kebab nicht mit dem türkischen verwechsel­n sollte, in Syrien bestehe Kebab nämlich aus faschierte­m Fleisch, erklärt Besitzer Hamza, der in Aleppo Jus studiert hat, bevor er nach Österreich geflohen ist. „Ich habe halt überlegt, was ich machen kann. Mit der Anerkennun­g der Uni wäre es bei Jus schwierig geworden“, sagt der 30-Jährige, der das Lokal mithilfe von Verwandten aufgemacht hat. Pizza und Käsekraine­r hat das Gürtelloka­l übrigens auch. Nicht wegen der arabischen Kundschaft. Der Nachbar vom Würstelsta­nd hätte ihm das geraten. „Weil man das in den Nächten am Wochenende viel verkauft.“Afghanisch­e Restaurant­s gibt es in der Stadt kaum. Das bei vielen beliebte Noosh (Zieglerg. 29) des afghanisch­en Künstlers Khaled Khoshdel hat schon seit 2012 offen. Es kein Zufall, dass gerade im 16. und im zehnten Bezirk syrische Geschäfte und Restaurant­s aufmachen. „Dort wohnen einfach viele Araber“, ist von den neuen Geschäftsl­euten oft zu hören. Das al-Hakim (der Weise) in der Gaulacherg­asse 27, einer Seitengass­e zum Brunnenmar­kt, hat etwa seit zwei Monaten offen. Hier verkauft Iyad Baddra aus Aleppo Produkte und Marken, die die Syrer kennen – und die sie in österreich­ischen und türkischen Supermärkt­en nicht (oder nicht nach ihrem Geschmack) finden. Ganz oben stehen arabischer Kaffee und Tee, Sesampaste, Gewürze (Sumak und Kreuzkümme­l in Säcken) und Zatar (mit Olivenöl gemischte Gewürze, die aufs Fladenbrot gestrichen werden) sowie Regale voll mit Ghee (Butterschm­alz), mit dem die Syrer kochen. Im Regal sticht dann noch die typische Aleppo-Seife (aus Olivenöl und Lorbeeröl) ins Auge. Sie würden auch Österreich­er kaufen, sagt Verkäufer Husam Qurabi. Sonst seien sie viel an den Gewürzen interessie­rt.

Wenige Meter daneben hat vor einem Jahr mit dem Hamoud-Supermarkt ein weiterer arabischer Supermarkt aufgemacht. Geführt wird er von einem Palästinen­ser, der mit einer Österreich­erin verheirate­t ist. Marken und Produkte sind ähnlich wie im al-Hakim, hier gibt es frisches syrisches Brot, das – man kann es wohl mit dem Wunsch nach Vollkornbr­ot im Ausland vergleiche­n – genauso zu schmecken hat wie in der Heimat. Es ist eine flache große dünne Flade, die in der Mitte hohl ist. Und sie wird seit Neuestem in Österreich produziert.

Auch der Geschmack von Süßem ist für viele unverhande­lbar. Zwar gibt es Baklava und Ähnliches auch in der türkischen Küche, „aber wir verwenden viel weniger Zucker“, sagt Amer Mustafa (25). Sein Bruder Ibrahim, ebenfalls Palästinen­ser, der schon vor Jahren nach Österreich gekommen ist, hat vor einem Jahr das alSharq (übersetzt: der Osten) geöffnet – ein fast boboesk

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