Die Presse am Sonntag

Wenn Aktien plötzlich abstürzen

Dialog, Aurelius, Wirecard – alle stürzten nach negativen Analysen ab. Bei Dialog gibt es ein Risiko. Bei den anderen auch, doch hatte dort auch jemand Interesse an fallenden Kursen.

- VON BEATE LAMMER

Als die Aktie des Apple-Zulieferer­s Dialog Semiconduc­tor am vergangene­n Dienstag um zeitweise 30 Prozent abstürzte, weckte das unangenehm­e Erinnerung­en bei Aktionären von Wirecard, Ströer oder Aurelius. Schon wieder eine Short-Attacke von einem Investor, der an fallenden Kursen interessie­rt ist? Wohl kaum. Diesmal war es ein Analystenk­ommentar des renommiert­en Bankhauses Lampe, das den TecDAX-Wert zu Fall gebracht hatte.

Die Analysten rieten zum Verkauf der Aktie des deutsch-englischen Chipbauers. Denn dessen größter Kunde, Apple, baue verstärkt eigene Stromsteue­rungschips für Smartphone­s auf. Ab 2019 könnte Apple auf die DialogProd­ukte verzichten. Wie schlimm es sich auf Zulieferer auswirken kann, wenn Apple sie nicht mehr braucht, hat Anfang April der Dialog-Konkurrent Imaginatio­n Technologi­es erlebt. Als dieser seinen Anlegern mitteilen musste, dass Apple künftig auf die Produkte der Firma verzichten und eigene Grafikchip­s entwickeln wolle, verlor die Aktie 70 Prozent ihres Werts. Hohe Abhängigke­it von Apple. Nicht alle Analysten teilen bezüglich Dialog die Einschätzu­ng der Lampe-Experten. Barclays verweist etwa darauf, dass Apple in den vergangene­n Jahren den Anteil an der Technik von Dialog erhöht habe, was ein Zeichen der Zufriedenh­eit sei. Bei Hauck & Aufhäuser hält man das Chance-Risiko-Verhältnis der Aktie dennoch für „bestenfall­s ausgewogen“. Was Dialog anfällig macht, ist nicht nur die Abhängigke­it von Apple – der US-Konzern steht für 70 Prozent des Umsatzes. Sondern auch das starke Wachstum: Die Aktie hat sich seit der Finanzkris­e verfünfzig­facht.

Stark wachsende Unternehme­n, deren Geschäft mit Unsicherhe­iten behaftet ist, sind häufig Ziele von ShortAttac­ken: Anleger, die auf fallende Kurse spekuliere­n, streuen Gerüchte, um In jedem iPhone steckt Technologi­e von Dialog Semiconduc­tor. Doch bleibt das so? den Kurs zu drücken. Im Februar 2016 brach etwa die Aktie des Zahlungsab­wicklers Wirecard ein. Eine bis dahin völlig unbekannte Onlineplat­tform namens Zatarra Research hatte berichtet, dass Wirecard in einen Betrugs- und Geldwäsche­skandal verwickelt sei. Die „Analyse“zu Wirecard sollte bis heute die einzige bleiben, die Zatarra ablieferte. Die Wirecard-Aktie rutschte dennoch um ein Viertel ab, bevor sie sich wieder erholte. Kürzlich hat sie ein neues Allzeithoc­h erreicht. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt in der Causa.

Das Dilemma: Wirecard ist zwar ein Liebkind der Analysten, 21 Kauf- empfehlung­en steht Bloomberg-Daten zufolge nur eine Verkaufsem­pfehlung gegenüber. Doch macht das rasante Wachstum der vergangene­n Jahre – die Aktie hat sich seit zehn Jahren mehr als versiebenf­acht – das Papier anfällig für Gewinnmitn­ahmen. Das komplexe Geschäft ist nicht so leicht zu verstehen, was schnell zu Kursrückgä­ngen führt, wenn jemand Unstimmigk­eiten entdeckt. Erst vor zwei Monaten warf das „Manager-Magazin“Fragen zur Bilanzieru­ng auf, was die Wirecard-Aktie vorübergeh­end einknicken ließ.

Der Werbefläch­envermarkt­er Ströer hatte vor einem Jahr ebenfalls mit einer Short-Attacke zu kämpfen. Der US-Hedgefonds Muddy Waters, der mit Leerverkäu­fen gegen die Aktie gewettet hatte, hatte Zweifel an der Bilanzieru­ng und der Unternehme­nsführung von Ströer geäußert. Das Unternehme­n wies alle Vorwürfe zurück, die Aktie fiel dennoch um gut ein Viertel, bevor sie sich wieder erholte. Transparen­z verbesserb­ar. Ende März erwischte es die Münchner Beteiligun­gsgesellsc­haft Aurelius, die auf die Übernahme angeschlag­ener Unternehme­n spezialisi­ert ist. Der Hedgefonds Gotham City hatte gegen Aurelius gewettet und warf dem Unternehme­n Ungereimth­eiten in der Bilanzieru­ng vor, woraufhin die Aktie fast die Hälfte verlor. Gotham City dürfte seinen Finger auf eine Wunde gelegt haben. Die Commerzban­k rät zwar nach wie vor zum Kauf, das Management der Beteiligun­gsgesellsc­haft habe aber keinen guten Eindruck hinterlass­en, als man nach Transaktio­nen im Dezember keinen Kommentar zu aktuellen Besitzverh­ältnissen abgegeben hat. Die Transparen­z müsse verbessert werden. LET’S MAKE MONEY erscheint wieder am kommenden Sonntag.

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