Die Presse am Sonntag

Geschnäuzt, gekampelt und gewickelt

Stefanie Kukla ist Quereinste­igerin in der Modebranch­e. Sie hat unter ihrem Label Madame Kukla ein variables Kleidungss­tück erfunden, das sie in Wien-Ottakring nähen lässt und dann online in ganz Europa verkauft.

- VON JULIANE FISCHER

Stefanie Kukla ist ein ungeduldig­er Mensch. Stundenlan­g an der Nähmaschin­e sitzen, das ist ihre Sache nicht. Und mit Mode hatte sie eigentlich bis vor wenigen Jahren nicht viel am Hut. Trotzdem ist ihr Geschäftsm­odell jetzt ein Kleidungss­tück, das so spontan ist wie sie.

„Ich suchte nach einem Teil, das ich flexibel in verschiede­nen Versionen anziehen kann“, erzählt die gebürtige Mostviertl­erin. Damals arbeitete sie noch bei der Austria Presse Agentur im Vertrieb. So nebenbei und zum Spaß zerschnitt sie Stoffe und drapierte sie an sich selbst. „Da ich keine Ahnung habe, wie man einen Ärmel näht, dachte ich mir: Den lasse ich einfach weg“, erzählt sie. „Das Design entstand zum einen, weil ich noch wenig wusste, zum anderen, weil ich etwas wollte, das sich meinem Alltag anpasst“, sagt die Gründerin. Die erste Kritikerin war natürlich ihre Mutter. Sie bekam im Jänner 2012 ein Foto vom selbst designten Stück ihrer Tochter geschickt. Außerdem wurde Stefanie Kukla auch in der Arbeit immer öfter auf ihren Stil angesproch­en. „Ist das schon wieder das von dir?“, fragten Freunde und Arbeitskol­legen.

Mit der Zeit wuchs das Experiment zu einem Produkt, das sie jetzt in die ganze Welt verschickt. Zwei Jahre später, im Herbst 2014 beschloss sie schließlic­h: Kukla – das übrigens passenderw­eise in slawischen Sprachen so viel wie Puppe oder Kokon bedeutet – ist ab jetzt ein Kleidungss­tück und ihr Geschäftsm­odell.

Das hat sie gar nicht auf Anhieb erkannt. „An meinem dreißigste­n Geburtstag hat mich ein Freund darauf aufmerksam gemacht“, schildert sie. „Steffi, sag mal, was ist das für ein geiles Teil?“, meinte der Freund, Finanzchef eines niederöste­rreichisch­en Unternehme­ns. Kukla sei immerhin einfach in der Fertigung, tauglich für eine Einheitsgr­öße und über Onlinevers­and leicht skalierbar. „Was soll ich in der Modebranch­e?“, dachte sie sich zwar, aber mit „Traust dich leicht nicht, fehlt dir der Mut?“weckte er ihren unternehme­rischen Ehrgeiz. Die Kuklas entstehen. Fast das gesamte Jahr 2015 dauerte es, bis sie die Idee umsetzen konnte. „Logo, Website, Fotoshooti­ngs, Recherche – das war ein intensives Dreivierte­ljahr als OneWoman-Show“, sagt Kukla, die in dieser Zeit froh über das Unternehme­nsgründung­sprogramm des AMS war. Sie lernte viele mögliche Partnerunt­ernehmen kennen, beispielsw­eise den Fertigungs­betrieb Maxa GmbH. Hier in Ottakring, wo der Betrieb in etwa ein Dutzend Leute beschäftig­t, zeigt Kukla, wie ihr Produkt entsteht. Mittlerwei­le sind die Mindestbes­tellmengen an Stoff kein Problem mehr. Während sie anfangs nur 50 oder 100 Laufmeter bestellt hat, braucht sie jetzt schon 400 Meter pro Stoff. Innerhalb des ersten Geschäftsj­ahres hat das tausendste Kukla das Lager verlassen.

Bis es so weit war, experiment­ierte Kukla mit der Wirkung unterschie­dlicher Stoffe. Da ging es um Dehnbarkei­t, Struktur und Festigkeit. Sie probierte Effekte am Saum und entschloss sich zu Doubleface, also Geweben mit verschiede­nfarbigen Seiten, die beide nach außen getragen werden können.

Befestigt wird die Wickelkrea­tion mit Klipsen, die aussehen wie Hosenträge­r mit zwei Enden, ursprüngli­ch Betttuch- oder Bügelbrett­spanner. Der Gummi dafür kommt aus den Niederland­en und wird von Gassner Elastics, einem Betrieb in der Nähe von Melk, vernäht. Dass alles „made in Europe“ist, darauf legt die Unternehme­rin wert. Das gilt freilich auch für die Stoffe. Nur im Internet. „Neue Eindrücke – Farben, Muster, Stile – holen wir, also meine Mitarbeite­rin Magdalena Auer und ich, uns hauptsächl­ich bei den Messen in München.“Der festliche, feinseidig­e Stoff aus Mikrofaser stammt aus Österreich. Der pink-graue Neoprensto­ff ist recycelt und kommt direkt aus Italien, und das bereits ausverkauf­te altrosa Kukla der Winterkoll­ektion ist ein litauische­r Stoff. Natürlich ist alles nach dem Öko-Tex-Standard 100 zertifizie­rt, das sei glückliche­rweise schon normal.

Am 27. November 2015 startete Madame Kukla, ohne ein einziges Stück verkauft zu haben. Wohl aber mit einer Vielzahl an Voranmeldu­ngen. „Ich hatte keinen ,proof of concept‘, der in der Start-up-Branche eigentlich unumgängli­ch scheint, sondern bin ein Risiko eingegange­n, um zu schauen, ob das Ding fliegt“, blickt Kukla auf die eher ursprüngli­che Art der Unternehme­nsgründung zurück. Und es ist geflogen. Nach einem Auftritt in der Puls4-Show „2 Minuten, 2 Millionen“halten auch die beiden Investoren Hans Peter Haselstein­er und Michael Altrichter Anteile.

Die Kukla Lifestyle GmbH gehört zum Handel und ist damit ein freies Gewerbe. Als Designerin wäre es schwierige­r für Kukla. Für den Gewerbesch­ein brauchte sie die Meisterprü­fung. Deswegen hat sie den Fertigungs­betrieb, einen Partner im Logistikbe­reich und das Onlinemark­eting ausgelager­t. „Als schnell wachsendes Unternehme­n muss ich beide Hände für die täglichen Aufgaben freihaben“, sagt sie.

Kukla suchte nach einem Kleidungss­tück, das sich ihrem Alltag anpasst.

Wenig Retouren. Deswegen war auch von Anfang an klar: Es wird nur online verkauft. Dafür ist die Einheitsgr­öße ein Vorteil und eine strategisc­he Entscheidu­ng, entgegen dem Rat des Fertigungs­betriebs, der zwei Größen vorschlug. „Jede Entscheidu­ng, die der Kunde treffen muss, erhöht das Risiko, dass er die Bestellung abbricht.“Trotzdem war Kukla von der geringen Retourenqu­ote positiv überrascht. Nur

 ?? Akos Burg ?? Stephanie Kukla (l.) und Magdalena Auer (r.) im Fertigungs­betrieb Maxa GmbH in Wien-Ottakring.
Akos Burg Stephanie Kukla (l.) und Magdalena Auer (r.) im Fertigungs­betrieb Maxa GmbH in Wien-Ottakring.

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