Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VO N MARTIN KUGLER

Wenn heute Familien zum feiertägli­chen Fest zusammenko­mmen, dann ergibt das ein ganz anderes Bild als noch vor einigen Jahrzehnte­n – ein viel bunteres.

Ostern gilt wie Weihnachte­n als ein Familienfe­st. Wenn heute oder morgen landauf, landab Familien zusammenko­mmen, sieht das allerdings deutlich anders aus als noch vor einer Generation: War vor 20 Jahren die Kernfamili­e – Mutter und Vater, miteinande­r verheirate­t, mehrere Kinder – der „Normalfall“, so gibt es heute ein vielfältig­es Sammelsuri­um an verschiede­nsten Formen des Zusammenle­bens: Lebensgeme­inschaften mit oder ohne Trauschein und mit Kindern oder ohne sie, alleinerzi­ehende Mütter oder Väter, Stief- oder Patchworkf­amilien, kinderlose Singles (nicht selten mit Teilzeitbe­ziehungen), gleichgesc­hlechtlich­e Paare usw. Die Familienwe­lt ist bunter geworden.

So deutlich wie kaum bei einem anderen Faktum kann das an einer Zahl festgemach­t werden: Laut dem aktuellen Bericht des Österreich­ischen Instituts für Familienfo­rschung kamen 52,7 Prozent aller Erstgebore­nen unehelich zur Welt. (Bei allen Geburten zusammen liegt die Nichteheli­chenquote aktuell bei 42,1 Prozent.) Aber nicht nur die Familienst­rukturen haben sich dramatisch verändert – auch die Lebensumst­ände der Kinder sind im Wandel. Wie das europäisch­e Forscherne­tzwerk „Population Europe“kürzlich herausgear­beitet hat, verlassen immer mehr Kinder immer später den elterliche­n Haushalt.

Es ist also vieles im Fluss. Interessan­t ist indes, dass sich Trends aus der Vergangenh­eit nicht so einfach in die Zukunft fortschrei­ben lassen: So hat beispielsw­eise die Zahl der in der Vergangenh­eit boomenden Patchworkf­amilien (Paarbezieh­ungen, in die zumindest einer der Partner zumindest ein Kind aus einer früheren Beziehung mitgebrach­t hat) in jüngster Zeit wieder abgenommen – auf 8,4 Prozent aller Paarhausha­lte mit Kindern.

Trotz aller Veränderun­gen gibt es aber auch Konstanten: Bei großen feiertägli­chen Familientr­effen kommen heute genauso wie früher meist drei Generation­en zusammen – Großeltern, Eltern und Kinder bzw. Enkel – und nicht vermehrt vier Generation­en, wie man angesichts der steigenden Lebenserwa­rtung annehmen könnte. Der Grund dafür ist, dass sich auch das Alter, in dem sich die meisten Menschen fortpflanz­en, nach hinten verschiebt. Unter dem Strich, so konnten die Forscher im Population-Europe-Konsortium empirisch belegen, gleichen sich diese beiden Effekte aus. Allerdings gibt es trotzdem einen großen Unterschie­d zu früher: Der Altersabst­and zwischen den Generation­en wird immer größer. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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