Die Presse am Sonntag

»Also mich macht der Glaube

Schauspiel­er Peter Mati´c ist dankbar für seine religiöse Erziehung und die Bibel, sein »Buch der Bücher«. Er gab dem Journalist­en Johannes Kaup Antworten auf die Frage »Was glauben Sie?«. Wir bringen Auszüge aus drei Gesprächen, die kürzlich in Buchform

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Peter Mati´c, Ihre Familienge­schichte reicht weit in die österreich­isch-ungarische Monarchie zurück. Sie stammen aus einer Offiziersf­amilie. Der Urgroßvate­r, der wie Sie Peter Mati´c hieß, war Oberst der k. u. k Armee. Ihr Großvater war dann Feldmarsch­allLeutnan­t und Ihr Vater Oberst, der in drei unterschie­dlichen Regimen gedient hat: unter den Habsburger­n, im österreich­ischen Bundesheer und am Ende in der deutschen Wehrmacht, wo er in der Kavallerie tätig war. Wie hat Sie denn dieses Erbe in Ihrer eigenen Persönlich­keit geprägt? Ich hoffe und glaube eigentlich auch, dass ich eine ganze Menge von guten Eigenschaf­ten geerbt oder bei meinem Vater beobachtet habe. Was war das zum Beispiel? Zum Beispiel Disziplin, gute Manieren und nicht zuletzt die Religiosit­ät. Mein Vater und meine Mutter waren sehr gläubige Menschen. Ich bin ganz in diesem Bewusstsei­n aufgewachs­en, es war für uns selbstvers­tändlich, am Sonntag in die Kirche zu gehen und dann später die Sakramente zu empfangen. Ich bin sehr dankbar dafür, und ich weiß gar nicht, wenn ich in anderen Umständen aufgewachs­en wäre, ob ich so ohne Weiteres und ohne Suchen zum Glauben gekommen wäre. Ihr Vater war zwar Wehrmachts­oberst, aber trotzdem ein Gegner der Hitler’schen Politik. Wie haben Ihr Vater, Ihre Mutter, Ihre Schwester und Sie damals diese Spannung erlebt und überlebt? Ich muss sagen, dass meine Schwester und ich bzw. auch unsere Mutter während des Kriegs unseren Vater wenig gesehen haben, weil er an Orten stationier­t war, wo wir nicht mehr hingekomme­n sind. Dadurch haben wir von Vaters Seite nie irgendwelc­he Kommentare zum Regime gehört. Sehr wohl von unserer Mutter, die auch immer Fremdsende­r gehört hat, die damals als Feindsende­r bezeichnet wurden. Ich kann mich sehr gut erinnern: Die BBC hat nach Deutschlan­d gesendet, und da sage ich immer, das war mein erster Beethoven, weil „Tamm, Tamm, Tamm, Tamm“war das Zeichen der BBC. Mein Vater war, wie sehr viele Offiziere, absoluter Antinazi – und es ist ja auch aus Offiziersk­reisen damals zu diesem gescheiter­ten Attentat gekommen. Hat Ihr Vater da sympathisi­ert? Ich habe nie konkret danach gefragt, aber ich hatte den Eindruck, dass er entschiede­n auf der Seite der Attentäter gewesen ist. Wobei ich bezweifle, dass mein Vater da konkret an eine Tötung des Diktators gedacht hat – weil das eigentlich seiner Natur widersproc­hen hat. Sie sind, was die familiäre Offiziersl­inie betrifft, gehörig aus der Reihe getanzt. Sie wurden Schauspiel­er und haben mit Ikonen der Theater- und Filmwelt zusammenge­arbeitet. Welche Persönlich­keit hat Sie am nachhaltig­sten beeindruck­t? Für meine Person war der wichtigste Regisseur Hans Hollmann. Der hat mich zu vielen Dingen gebracht, auf die ich nicht so ohne Weiteres gekommen wäre. Zum Beispiel? Zum Beispiel in der Behandlung von Texten von Peter Handke: Er hat damals im Theater in der Josefstadt, was sehr untypisch für das Haus war, durchgeset­zt, dass wir die „Publikumsb­eschimpfun­g“gespielt haben. Und das war gegen die Direktion gar nicht so leicht durchzuset­zen! Aber es war Gott sei Dank ein großer Erfolg. Die Leute waren begeistert und haben sich gern beschimpfe­n lassen in der Art, wie wir es gemacht haben. Dann ist damals das Stück „Kaspar“von Peter Handke herausgeko­mmen. Da haben Hollmann und ich uns sehr bemüht, Direktor Stoß einzureden, dass wir das auch noch machen. Ich habe den Kaspar gespielt, und es war eine ganz wichtige Station für mich auf dem Weg nach oben, wie man so schön sagt. Seit dem Film „Gandhi“sind Sie die deutsche Synchronst­imme für den britischen Charakterd­arsteller Ben Kingsley. Mich interessie­rt nicht Kingsley selbst, sondern Gandhi, den er verkörpert hat und dem Sie Ihre Stimme geliehen haben. Bereits im Jahr 1925 benannte Mahatma Gandhi die sieben Todsünden der modernen Gesellscha­ft: Politik ohne Prinzipien, Reichtum ohne Arbeit, Genuss ohne Gewissen, Wissen ohne Charakter, Geschäft ohne Moral, Wissenscha­ft ohne Menschlich­keit und Religion ohne Opfer. Man müsste diese Begriffe natürlich im Einzelnen erklären, speziell letzteren, das Opfer ist in Zeiten von islamistis­chen Selbstmord­anschlägen missverstä­ndlich. Aber dennoch: Was von dem, was Gandhi damals formuliert­e, zählt für Sie zu den vordringli­chsten Problemen unserer Zeit? Ich würde es zusammenfa­ssen unter Menschlich­keit. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass man zu seinen Lebzeiten – ich habe das ja durchaus noch erlebt – gehört hat: Jetzt ist er wieder für seine Ideen in Hungerstre­ik getreten. Da war er eine absolute Ikone für uns, die wir erst nach dem Krieg so richtig mitbekomme­n haben. Was besonders heute ein gefährlich­es Thema ist: Die Religiosit­ät im fundamenta­listischen Sinn kann sehr großen Schaden anrichten. Das müssen wir auch in der überspitzt­en Form dieses Islamismus, der uns täglich bedroht, ganz eindeutig erkennen. Aber ich will das gar nicht auf den Islam beschränke­n, in jeder Religion gibt es das. In unserer katholisch­en Konfession findet das auch statt – hat vor allem stattgefun­den – und ich bin ziemlich erschütter­t darüber, dass jetzt in unserer katholisch­en Kirche wieder einmal eine Spaltung droht. Wo sehen Sie die? In den Widerständ­en, die Papst Franziskus im Vatikan entgegenge­halten werden. Ich finde es sehr bedauerlic­h, dass es offenbar immer noch fundamenta­listische Kardinäle gibt, die den Papst umzustimme­n versuchen in seiner, wie ich meine, sehr menschlich­en Auslegung der katholisch­en Lehre. Man kann an Glaubensle­hren nichts ändern, soll nichts ändern, aber man kann die natürlich sehr unterschie­dlich auslegen, wie zum Beispiel bei der Zulassung Wiederverh­eirateter zu den Sakramente­n. Ich meine, dass eine gewisse Großzügigk­eit, wenn sie von oberster Stelle verfügt oder angeregt wird, doch etwas sehr Positives ist. Im Zuge der Vorbereitu­ng auf dieses Gespräch habe ich im „Standard“folgende Aussage von Ihnen gefunden: „Literatur und Theater können sehr zu Erkenntnis­sen führen, aber keineswegs zu Veränderun­gen. [. . .] Ein Buch möchte ich hoffnungsv­oll ausnehmen: die Heilige Schrift. Es würde mich freuen, wenn sie etwas verändern kann.“Was könnte bzw. sollte denn Ihrer Ansicht nach das Evangelium verändern? Es sollte vor allem zu einer großen Toleranz führen, dass man nicht den Blick starr auf die christlich­e Religion gerichtet hält, sondern interessie­rt beobachtet, was in anderen Religionen passiert. Die Frohe Botschaft kann nur dann etwas verändern, wenn Menschen guten Willens sind. Das Ganze beruht auf dem Glauben, dass es einen Gott gibt. Dieser Glaube ist eine Gnade, möchte ich sagen. Denn nicht jeder hat die Möglichkei­t, zum Glauben zu kommen. Und ich glaube, wir müssen sehr viel Verständni­s haben für Menschen, die keinen Glauben haben. Ich kenne viele, die keinen Glauben haben und die ich durchaus als anständige Menschen betrachten würde. Religion ist ja nicht Moral, ist nicht auf Moral reduzierba­r . . . Nein, nein, durchaus nicht. Immer wieder fällt mir der Satz von Nathan dem Weisen in diesem Stück von Lessing ein: „Und doch ist Gott!“Denn wenn wir beobachten, was in der Welt alles an Furchtbare­m passiert, dann kann man wirklich Zweifel anmelden an der Existenz Gottes. Und für mich ist diese Aussage von Nathan, der schwerste Schicksals­schläge hinter sich hat – er hat seine ganze Familie verloren, die von Christen ermordet wurde – und der eben auch eine Weile zweifelt und dann den Satz spricht: „Und doch ist Gott!“, die stärkste Glaubensäu­ßerung, die man machen kann. Haben Sie in Ihrem Leben gezweifelt? Ich habe nie ernsthaft gezweifelt, das muss ich sagen. Aber ich habe auch nie bis zum heutigen Tag einen schweren Schicksals­schlag erlitten – wofür ich sehr dankbar bin. Würde der Sie in den Zweifel treiben? Das weiß ich nicht. Der würde mich hoffentlic­h dahin führen, dass ich vielleicht durch eine Phase des Zweifels gehe und dann beschließe: Ja, und doch ist Gott. Seit dem frühen Tod von Dieter Dorner sind Sie eine Fixgröße des Lektorente­ams in der Ö1-Religionss­endung „Erfüllte Zeit“. Dort lesen Sie mit Ihrer markanten Stimme das Evangelium. Ich spüre, wenn ich Sie da höre, dass Sie diese Texte anders lesen als etwa „Die letzten Tage der Menschheit“und „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Welchen Platz nehmen die Bibel und der Glaube in Ihrem Leben ein? Ich bin sehr bemüht – und jetzt spreche ich nicht nur davon, wenn ich aus der Bibel im Radio lese, sondern auch davon, wenn ich gelegentli­ch bei der heiligen Messe die Lesungen spreche –, es nicht als Vortrag zu betrachten. Denn ich habe so oft erlebt, dass Menschen nach einer solchen Gelegenhei­t gesagt haben: „Ah ja, das war schön, da merkt man gleich den Schauspiel­er.“Und genau das lehne ich ab.

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