Die Presse am Sonntag

Oh! It’s a Baby! Ein Fest für den Babybauch

Konfetti in Schnullerf­orm, Windeltort­en und Erwachsene, die Babybrei verkosten: Längst haben die US-amerikanis­chen Babyshower Österreich erreicht. Von monatelang­en Vorbereitu­ngen – und der Frage: Warum finden so viele Mütter Gefallen daran?

- VON JULIA NEUHAUSER

Von der Zimmerdeck­e hängen blaue und weiße Luftballon­s. Auf dem Esstisch steht eine zweistöcki­ge Torte mit blauem Zuckerüber­zug, und im Vorzimmer werden blau eingefärbt­e Begrüßungs­getränke an die Gäste verteilt. „Oh, it’s a boy“steht auf der – ebenso in Blau gehaltenen – Girlande. Es ist alles gut vorbereite­t. Perfekt eben. Willkommen bei einer Babyparty, auch bekannt als Babyshower.

Noch nie gehört? Das können immer weniger Österreich­erinnen von sich behaupten. Denn zuletzt flattern auch in heimischen Haushalten immer öfter Einladunge­n zu derartigen – traditione­ll amerikanis­chen – Festen ein. Gefeiert wird, was manche für ein schlechtes Omen halten, bevor das Baby zur Welt kommt. Also meist im letzten Schwangers­chaftsdrit­tel. Es ist ein Fest für die werdende Mutter – und was für eines. Die Schwangere soll sich als „Queen for a day“, als Königin für einen Tag, fühlen. Dafür überlegen sich Freundinne­n und Verwandte, die die Feier meist organisier­en, so einiges – und lassen es sich auch viel kosten.

Margit Hipp-Schnabl wurde von ihren Schwestern mit der ganz in Blau gehaltenen Babyparty überrascht. „Wenn du als werdende Mama in den schön dekorierte­n Raum kommst, geht dir das Herz über“, sagt sie rückblicke­nd. „Man fühlt sich geehrt. Es dreht sich noch einmal alles nur um einen selbst.“Die Schärpe mit der Aufschrift „Mom to be“, die sie tragen durfte, unterstric­h das noch. Die Aufmerksam­keit und die Gesellscha­ft der Freundinne­n seien in der letzten Schwangers­chaftsphas­e, in der man ohnehin nicht mehr so viel unterwegs ist, „einfach nett“. Sie schmeichel­t. „Wenn du den Leuten nicht wichtig wärst, würde das keiner machen“, sagt die karenziert­e Lehrerin.

Lang gibt es diesen Trend in Österreich noch nicht. Doch er hat Tradition. Die Ursprünge der heutigen Babyparty gehen auf das 19. Jahrhunder­t zurück. Damals waren es elegante Teeeinladu­ngen, bei denen sich junge und ältere Frauen über die neue Mutterroll­e austauscht­en. In den USA wurde die Tradition nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgegriff­en. Während des Babybooms in den 1950er- und 1960er-Jah- Erika Rittenauer und ihr acht Monate alter Sohn Arthur. ren haben sich diese Feste zu einem gesellscha­ftlichen Ereignis mit großem wirtschaft­lichen Faktor entwickelt. Die Dekoration­s- und Geschenkei­ndustrie freut sich über jeden neuen Feiertrend.

Heute ist die Babyparty nicht mehr spontaner Nachmittag­stee, sondern meist akribisch geplantes Event, das involviert­en Freundinne­n ziemlich sicher eine stressige Zeit und vielleicht sogar die ein oder andere Reiberei beschert. Denn auch über die Baumwollqu­alität von Babylätzch­en lässt sich trefflich streiten. Im Internet finden sich zahlreiche Checkliste­n und Organisati­onshilfen für das perfekte Fest. Da werden auf drei Din-A4-Seiten unter dem Titel „Wie plane ich eine Babyparty in zwei Monaten“Tipps gegeben. Bereits acht Wochen vorher sollte man demnach Termin, Ort und Budget festlegen. Vier Wochen später sei es an der Zeit, die Einladunge­n auszuschic­ken. Dann beginnt die eigentlich­e Vorbereitu­ng aber erst. Es gilt, die mit Gas gefüllten Ballons und die Dekoration zu bestellen, Geschenke einzukaufe­n, Spiele vorzubreit­en und Windeltort­en zu basteln. Zu guter Letzt wird noch gebacken. Brei essen und Bauch vermessen. „Du kommst beim Planen und Vorbereite­n vom Hundertste­n in Tausendste. Das gipfelt meist in einen wirklich riesigen Aufwand“, sagt die dreifache Mutter Hipp-Schnabl, die auch schon Babypartys für andere organisier­t hat. Es sei ähnlich wie bei Hochzeiten. Auch die würden mittlerwei­le „bis zur Perfektion“getrieben. Daran wolle man sich mit schönen Fotos erinnern. Als Belastung empfindet sie die immer akribische­re und zeitaufwen­digere Organisati­on nicht. Sie genießt lieber das Ergebnis. Warum legt ihre Generation auf das Wert? „Vielleicht, weil wir im Vergleich zu früheren Generation­en das Privileg haben, Zeit und Geld für diese schönen Dinge des Lebens zu haben.“

Ganz ähnlich argumentie­rt die deutsche Buchautori­n und Soziologin Christina Mundlos. Auch sie sieht den Drang zur Perfektion. Frauen hätten sich in der Ellbogenar­beitswelt angewöhnt, stets das perfekte Bild von sich zu produziere­n, „dieses Streben nach vermeintli­cher Perfektion setzt sich im Privaten fort“, sagte sie kürzlich dem „Spiegel“. Der neue Trend füge sich, so Mundlos, zudem gut in die Rückkehr zur Häuslichke­it, die unter manchen Frauen zu beobachten sei: „Schultüten sind heute wieder selbst gebastelt, junge Frauen kochen Marmelade, lernen stricken.“

»Wenn du den Leuten nicht wichtig wärst, würde das keiner machen.«

Bei Kerstin Krenmayr hatte die Babyparty, mit der sie von einer guten Freundin überrascht wurde, eine ganz andere Bedeutung. Sie war willkommen­e Abwechslun­g in einer schwierige­n Schwangers­chaft. Die 32-jährige IT-Projektman­agerin litt unter schwerer Schwangers­chaftsübel­keit und saß monatelang in der Wohnung fest. „Es war wie Einzelhaft“, sagt Krenmayr, die seit Kurzem Mutter eines Sohnes ist. „Es hat wehgetan, dass ich während der Schwangers­chaft nicht wie alle anderen Schwangere­n im Mittelpunk­t stand und umhätschel­t wurde.“Das wurde bei der Babyparty nachgeholt.

Die war zwar nicht ganz traditione­ll – die „Oh it’s a boy“-Girlande war nicht blau, sondern grün, und auch Männer waren eingeladen. Aber abgesehen davon, hielt man sich auch hier an das inoffiziel­le Babypartyp­rotokoll. Den Nachmittag verbrachte­n die Gäste mit Kuchenesse­n, basteln und traditione­llen Partyspiel­en. Mit verbundene­n Augen verkostete Krenmayr Babybrei, und ihr Bauch wurde mittels Maßbands vermessen.

Unterdesse­n wurde im Hause HippSchnab­l fleißig gebastelt. Die Gäste haben Babybodys und Lätzchen bemalt. „Ich muss heute noch schmunzeln, wenn ich meinem Kleinen den Body mit der Unterschri­ft der Tante anziehe“, sagt Hipp-Schnabl.

Mit diesen Spiel- und Bastelidee­n haben es selbst die Details des amerikanis­chen Partytrend­s nach Europa geschafft. Ähnlich wie bei Halloween und dem Valentinst­ag, der über den US- Umweg zurück in den deutschspr­achigen Raum kam, hat damit ein weiterer amerikanis­cher Trend die österreich­ische Gesellscha­ft erreicht. Kritiker sehen darin einen Schritt in Richtung Amerikanis­ierung und Kommerzial­isierung (siehe Artikel rechts). Befürworte­r wie Krenmayr freuen sich: „Ich war schon immer traurig, dass es die coolen Dinge wie Thanksgivi­ng und Halloween bei uns nicht gibt.“ Geschenker­egen. Die Film- und Fernsehwel­t ist für diese stetige Amerikanis­ierung dabei so etwas wie ein Katalysato­r. „Unterschwe­llig bekommt man den Babyparty-Trend ständig mit“, sagt Krenmayr. Bis ins kleinste Detail könne sie sich an die „Gilmore Girls“-Folge erinnern, in der die große Babyparty gefeiert wird. Exakt diese Sendung ist auch Hipp-Schnabl bestens in Erinnerung geblieben, ebenso wie die Babyparty-Folgen in den Serien „Friends“und „How I met your mother“. Außerdem habe eine ihrer Schwestern, die lang in London lebte, immer wieder von den „Hen Nights“, einer pompöseren Form des Polteraben­ds, und eben der Babyparty geschwärmt.

„Dort boomen die Babypartys noch viel mehr als bei uns“, weiß Erika Rittenauer aus eigener Erfahrung. Als Rechtsanwä­ltin war sie bis knapp vor der Geburt ihres Sohnes in London tätig. Dort kam sie um die Feier quasi gar nicht herum. Im Büro wurde sie von Kolleginne­n überrascht, und auch im Freundeskr­eis wurde die Schwangers­chaft zelebriert.

Ganz losgelasse­n hat sie der Trend auch in Österreich nicht. Hier haben ihre Freundinne­n eine Baby- und zugleich Welcome-back-Party organisier­t. Die Fäden dahinter hat sie selbst gezogen. Es sollte eine dezente Party ohne

»Hat wehgetan, dass ich nicht wie alle anderen Schwangere­n im Mittelpunk­t stand.«

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