Die Presse am Sonntag

»Die Welt ist so absurd«

Schauspiel­erin Shirley MacLaine, die in ihrem neuen Film »zu guter Letzt« eine Frau am Ende ihres Lebens spielt, ist mit sich selbst im Reinen, macht sich keinen Stress mehr. Und das, obwohl es doch einige Dinge gibt, die sie aufregen – Paparazzi, E-Mails

- VON RÜDIGER STURM

Shirley MacLaine mag eine Legende sein, aber im Gespräch lässt sich die 82-Jährige nichts davon anmerken, ist quickleben­dig und hält sich mit guten Sprüchen nicht zurück. Ans Abtreten denkt sie nur in ihrem neuen Film „Zu guter Letzt” (ab 14. April im Kino), in der Realität ist nichts davon zu spüren. Allerdings gibt es eine Person, die ihr das Leben etwas vergällt: Donald Trump. Aber selbst dieses Phänomen versucht sie mit Gelassenhe­it zu tragen. In „Zu guter Letzt“spielen Sie eine Frau, die am Ende ihres Lebens kontrollie­ren möchte, was in ihrem Nachruf steht. Was soll denn in Ihrem stehen? Shirley MacLaine: Ich fand es zwar spannend, so jemanden zu spielen, aber was mich angeht, ist meine Devise: Ich kontrollie­re in meinem Leben gar nichts. Wenn etwas in meinem Nachruf stehen sollte, dann so etwas wie ,Ihr glaubt, dass ich tot bin, aber ich bin’s nicht.’ Das heißt, Sie glauben an ein ewiges Leben? Ich würde sagen, ich glaube an eine Gegenwart, die sehr ausgedehnt ist. Die Physik hat uns beigebrach­t, dass Zeit relativ ist und sich alles gleichzeit­ig abspielt. Deshalb reise ich auch im Geiste ständig zwischen den einzelnen Zeiten hin und her. Sie glauben ja an Reinkarnat­ion. Hätten Sie gerne eine Zeitmaschi­ne, um sich eines Ihrer früheren Leben anzuschaue­n? Nein, aber Sie verstehen das zu wörtlich. Sie müssen schon etwas tiefgründi­gere Fragen stellen. Dann sprechen wir lieber von der Zukunft. Sie feiern bald Ihren 83. Geburtstag. Würden Sie denn gerne noch 20, 30 Jahre in diesem Leben verbringen? Das hängt ein bisschen davon ab, wie sich die Welt weiterentw­ickelt. Momentan finde ich die Vorstellun­g, ein langes Leben zu haben, nicht sonderlich inspiriere­nd. Schließlic­h haben wir jetzt Donald Trump als Präsidente­n. Wenn ich lange leben soll, dann schon sehr, sehr lange, bis dass solche Zeiten wieder überstande­n sind. Aber wie man sieht, ist Demokratie eine schwierige Angelegenh­eit. Ich weiß nicht, ob die Menschen schon dafür reif sind. Sie wirken aber relativ gelassen, wenn Sie so etwas sagen. Weil ich mich gut wie selten fühle. Es gibt in meinem Leben keinen Stress mehr. Ich überlasse mich dem Willen des Universums. Abgesehen davon habe ich ein großartige­s Leben. Ich wohne seit 25, 30 Jahren auf meiner Ranch in Santa Fe, kümmere mich um meine Tiere und schreibe. Die Landschaft ist atemberaub­end, und ich spüre die spirituell­e Tradition, die dieser Ort hat. Ich mag die Zukunft der Menschheit zynisch sehen, aber mein Leben genieße ich. Besser – ich entwickle immer mehr Verständni­s für das Leben. Wie kann man sich den Alltag eines Menschen vorstellen, der sich dem Willen des Universums überlässt? Da gibt es nichts Geplantes. Wenn ich in der Früh aufstehe, weiß ich nicht, was ich machen werde, es sei denn, ich habe Termine. Ich habe keine festen Gewohnheit­en. Spontan zu sein, ist natürlich eine Herausford­erung, aber genau darin liegt der Spaß. Früher habe ich mich reingehäng­t, war eine richtige Streberin, die Zeiten sind jetzt vorbei. Sie haben sich in Ihren Büchern auf esoterisch­e Weise mit dem Universum beschäftig­t. Hatten Sie nie Angst, dass man Sie nicht ernst nimmt? Nein. Mir ist natürlich bewusst, dass mich manche Leute für durchgekna­llt

Shirley MacLaine

(geb. 1934) wurde mit Filmen wie „Der Agentensch­reck“, „Verdammt sind sie alle“, „Das Appartemen­t“, „Das Mädchen Irma la Douce“oder „Infam“in den 50er und 60er Jahren berühmt. Sechs Mal war sie für einen Oscar nominiert, 1984 gewann sie ihn als beste Hauptdarst­ellerin in „Zeit der Zärtlichke­it“. Neben ihrer Arbeit als Schauspiel­erin, Tänzerin und Schriftste­llerin engagierte sie sich unter anderem gegen den Vietnamkri­eg und unterstütz­te Politiker der Demokraten im Wahlkampf. halten. Aber ich bin ein Mensch, der auf dem Boden der Tatsachen steht, immer offen und ehrlich ist. Ich glaube, dass diese Leute Angst haben – weil sie sich vor spirituell­en Dingen scheuen. Vor allem, wenn sie einer Religion angehören, die es ihnen verbietet, außerhalb ihrer Schablonen zu denken. Ich hatte nie solche Scheuklapp­en. Aber – abgesehen von der Politik – gibt es Dinge, die Ihre harmonisch­e Stimmung beeinträch­tigen? Ich vermisse die Filme von früher, die viel besser waren. Das ist sehr traurig. Nichts gegen meine Kolleginne­n von heute. Da sind viele wunderbare Schauspiel­erinnen darunter, Julia Roberts oder Nicole Kidman, zum Beispiel. Aber heutzutage werden auch viele Leute besetzt, wo sich das Publikum fragt: Was hat der oder die in diesem Film verloren? Das ist eine reine Frage des Marketings, hat nichts mit Talent zu tun. Was übrigens auch für die Politik gilt – womit wir schon wieder beim Thema wären. Setzt sich denn wahre Qualität nicht letztlich durch? Doch, doch. Wenn du spielen kannst, wirst du immer Rollen bekommen. Und die Zuschauer atmen auf: Endlich jemand, der weiß, was er tut. Aber Marketing ist eine gefährlich­e Sache. Das gilt auch für die gesamte Gesellscha­ft. Irgendwie spürt jeder, dass er angelogen wird. Aber durch diese Manipulati­on wissen die Leute schon nicht mehr, was Fakten und was Gerüchte sind. Eigentlich ist es unsere Aufgabe als Künstler, die Wahrnehmun­g der Menschen zu schärfen. Aber das erfordert, dass die richtigen Filme gemacht werden. Ich selbst bin darauf angewiesen, was mir angeboten wird. Zum Glück können wir uns noch die alten Filme auf DVD anschauen. Wie entkommen Sie dieser Manipulati­on? Ich weiß genau, wer ich bin. Das ist ja auch der Nutzen und Sinn meiner ganzen Suche. Ich habe meine Prinzipien, ich habe Menschen, die ich liebe und für die ich einstehe. Und mein Umfeld ist eben auch ideal. Hier in New Mexico lebe ich im Einklang mit der natürliche­n Ordnung der Welt. Wenn Sie jetzt wieder jung wären und wieder in Hollywood anfangen würden, würde Ihnen das auch Spaß machen? Oh, jeder in Hollywood schafft sich seine eigene Realität, und in so einer Welt fühle ich mich wohl, selbst wenn ich nicht dort lebe. Aber was ich schlimm finde, sind Paparazzi und die Klatschpre­sse. Was Schauspiel­er von heute durchmache­n müssen, ist grauenhaft. Zu meiner Zeit gab es diese Magazine noch nicht. Wenn zwei eine Affäre hatten, konnten sie steuern, ob man darüber berichtete. Dann setzten sie sich einfach an einen Tisch in einem bestimmten Restaurant, unter dem ein Mikrofon befestigt war. Heute läuft das anders. Da kriegen die Mitarbeite­r in einem Restaurant ein paar hundert Dollar, dass sie die Fotografen rufen, wenn bestimmte Stars auftauchen. Lächerlich. Ich finde das so aufregend, wie wenn mein Hund scheißt. Sie nehmen kein Blatt vor den Mund . . . Mir ist das alles schnurzega­l. Ich bin frei, die Meinung anderer interessie­rt mich nicht. Ich bin, die ich bin, und meine Haltung ist die: Die Welt ist so absurd, da kann ich einfach bloß drüber lachen. Sagen Sie das auch Ihren Enkelkinde­rn? Ich habe ihnen gesagt, dass sie in sich hineinscha­uen und ihr eigenes Universum entdecken sollen. Ganz gleich, was der Rest der Welt dazu meint. Gibt es etwas, was Sie an der heutigen Generation nicht mögen? Dass sie sehr selbstbezo­gen ist. So wichtig es ist, sein Selbst zu erforschen, das soll nicht in Nabelschau ausarten. Abgesehen davon finde ich es falsch, wie die moderne Generation miteinande­r kommunizie­rt – diese E-Mails und Textnachri­chten. Ich will eine Stimme hören, will Untertöne verstehen. Die Leute schaffen es nicht mal mehr, Sätze mit einem Punkt zu beenden oder normale Verben zu schreiben. Furchtbar. Sie kehren aber deshalb der modernen Welt nicht den Rücken? Oh nein, ich wage mich schon noch in die Welt, bin immer noch neugierig. Ich habe ja auch einen Computer zum Nachrichte­nlesen. Und ich mag es, ein, zwei Filme im Jahr zu drehen. Ich denke nicht an die Rente. Vielleicht werde ich in den Ruhestand geschickt, weil ich keine Angebote mehr bekomme, aber das wäre dann nicht freiwillig.

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Com Armando Gallo/picturedes­k. genießt Shirley doch ihr eigenes Leben der Menschheit zynisch, Sie sieht die Zukunft mehr. macht sich keinen Stress MacLaine – die 82-Jährige

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