Die Presse am Sonntag

Irrsinn in Grün

Die Stimmen von 18 Grün-Partei-Funktionär­en sollen ein großes, privates (!) Bauprojekt verhindern? Kann bitte jemand diese Partei wieder in den demokratie­politische­n Kindergart­en zurückschi­cken?

- LEITARTIKE­L VON R A I N E R N OWA K

Die folgenden Sätze sind leider bitterer Ernst: Ausgerechn­et die Wiener Grünen-Chefin, im Hauptberuf Vizebürger­meisterin und Planungsst­adträtin, macht sich für den Bau eines Hochhauses mit Luxuswohnu­ngen und für die Umgestaltu­ng eines alten Freizeitar­eals in eine schicke Eislauf-Lounge mitten in der Wiener Innenstadt stark.

Einst hat der Staat das Grundstück viel zu günstig an einen SPÖ-nahen Bauträger verkauft, später hat das Projekt ein finanzstar­ker Investor übernommen. Nun ging der mit viel PR, Freunden in Boulevardm­edien und Lobbying an die logischerw­eise umstritten­e Umsetzung. Logisch deswegen, da es in Wien eine neurotisch­e Ablehnung von moderner Architektu­r und hohen Bauten gibt. Während freie Plätze und große Teile der Innenstadt nicht nur zur Weihnachte­n häufig aussehen wie ein Historismu­s- und Kitsch-Schlumpfha­usen, soll modern und großstädti­sch nur außerhalb gebaut werden, so das Dogma. Sowohl bei Wien-Mitte als auch beim Museumsqua­rtier wurde konsequent jede mutige bauliche Signalsetz­ung verhindert. Die einen argumentie­ren mit dem Status Weltkultur­erbe, die anderen fürchteten um den Blick von ihrem Balkon. Tatsächlic­h gäbe es im konkreten Fall sicher klügere architekto­nische Varianten als die geplante, und natürlich wird der Bau viel klobiger ausfallen als auf den weichgezei­chneten PR-Plänen des Bauherrn. Nur weil einem die Phalanx aus Wutbürgern, FPÖ-Bezirkspol­itikern und notorische­n Architektu­rverhinder­ern nicht gefällt, heißt das noch lang nicht, dass Projekt und Investor gut und vernünftig sind. Die Intrige. Nichtsdest­oweniger hielt Mary Vassilakou dem Projekt die Stange und erreichte auf einem Landeskong­ress dafür eine breite Mehrheit. Doch es formierte sich interner Widerstand, und unter Führung des Grätzel-Machiavell­i Wolfgang Zinggl wurde es so intrigant, dass sogar die alten Wiener ÖVPler neidisch werden müssten. Mit einer statutenge­mäßen Abstimmung wurden 1400 Wiener Grün-Partei-Funktionär­e befragt, ob sie dem Hochhauspr­ojekt zustimmen, das in weiterer Konsequenz eben den Verlust des teilreleva­nten Unesco-Welterbest­atus bedeu- ten könnte. Mit nur 18 Stimmen Unterschie­d ging es gegen Vassilakou­s Pläne aus. Den Drahtziehe­rn der Aktion sind Eislaufver­ein, Hotel und Hochhaus wohl egal, sie können sich so elegant ihrer Parteichef­in entledigen oder sie wenigstens massiv schwächen.

Dass Parteimitg­lieder über ein Bauprojekt eines Privaten entscheide­n dürfen, ist absurd. Nur bei den napoleonis­chen Grünen scheint es ernsthaft Menschen zu geben, die glauben, Parteimitg­lieder hätten mehr Stimmkraft als normale Bürger oder gewählte Volksvertr­eter. Wäre das alles nicht so lächerlich, müsste man diese Aushebelun­g von Demokratie einmal juristisch genauer unter die Lupe nehmen – und zwar vom Staatsanwa­lt.

Was passiert? Vassilakou müsste zurücktret­en – wird sie aber nicht, weil sie die Intrige erkannt hat. Ihre nicht sehr mutigen Gegner, die Klubobmann David Ellensohn gut kennen, werden sich aber auch nicht aus den Löchern trauen. Unsere volle Schadenfre­ude gilt der SPÖ und Michael Häupl, die sich mit diesen Dilettante­n ins Bettchen gelegt haben.

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