Die Presse am Sonntag

Der unaufhalts­ame Fall einer Ehrgeizige­n

Die Ära der Afd-Vorsitzend­en Frauke Petry neigt sich dem Ende zu. Auf dem Parteitag in Köln setzte es eine krachende Niederlage für ihren Antrag, während es draußen Ausschreit­ungen gab. Die Domstadt war im Ausnahmezu­stand.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R (KÖLN)

Die Straßen sind gesperrt, genauso wie der Himmel über Köln – Flugverbot­szone. 4000 Polizisten säumen die Domstadt. Der Ausnahmezu­stand liegt auch an Johannes, der aus Hamburg angereist ist. Der 28-Jährige zieht an seiner Zigarette, dann fragt er: „Hast du einen Presseausw­eis? Dann halt ihn lieber bereit.“Es gehe schnell, mit den Festnahmen. Kurz darauf brüllt der Hamburger: „Deutsche Polizisten beschützen Faschisten.“Nebenan stimmen seine linken Kollegen an: „Schießt ihnen in die Hoden – deutsches Blut auf deutschem Boden.“Vielleicht hundert Meter trennen Johannes an diesem Vormittag vom abgeschirm­ten Maritim Hotel, das einer Festung gleicht. Denn eine zerrissene Partei ist an diesem Samstag Hotelgast, die rechtspopu­listsche Alternativ­e für Deutschlan­d.

Draußen gibt es einen Aufstand gegen die AfD und drinnen, auf dem Parteitag, einen gegen die AfD-Vorsitzend­e Frauke Petry. Ihre Ära neigt sich dem Ende. Schon unter der Woche verzichtet Petry auf eine Spitzenkan­didatur für die Bundestags­wahl am 24. September. Und nun scheitert sie mit einem „Zukunftsan­trag“, der die Partei auf eine realpoliti­sch-bürgerlich­e Linie zwingen und damit auch gegen ihren rechten Rand abgrenzen sollte. Petrys Niederlage. Diese Strategie ging schon einmal, 2015, schief, damals für AfD-Gründer Bernd Lucke. Er wurde gestürzt. Von Petry. Nun werfen sie der 41-Jährigen dasselbe vor wie einst Lucke, nämlich die Partei spalten zu wollen. „Abgrenzeri­tis“nennen sie das. In ihrem knallroten Kleid, das den dicken Babybauch betont, rang Petry um den Zukunftsan­trag. Die AfD müsse eine „erwachsene Partei werden“. Petry räumte zwar Fehler ein, zum Beispiel, dass sie ihren Rivalen Alexander Gauland als Anführer einer abzulehnen­den „Fundamenta­loppositio­n“genannt hatte. Sie habe mit Gauland gesprochen. Der Antrag würde umgeschrie­ben. Es nutzte alles nichts. Petrys Ansinnen schafft es nicht einmal auf die Tagesordnu­ng. Die nächste Niederlage.

Das Gros der Delegierte­n applaudier­t jetzt, Petrys Miene verfinster­t sich. Sie tritt vor die Presse. „Die Partei macht einen Fehler“, sagt sie. Nun „müssen Protagonis­ten diesen Wahlkampf anführen, die mit dieser Nichtentsc­heidung sehr viel besser leben können.“Als Kandidat für ein Spitzentea­m gilt Alexander Gauland. Petrys Erzrivale.

Die AfD rückt damit weiter nach rechts. Am besten lässt sich das an Jörg Meuthen, Wirtschaft­sprofessor und Co-Bundesvors­itzender ablesen. 2013 sprach er über den Euro, nun geht es ums Vaterland, um die Gefahr einer „muslimisch geprägten Republik“. Das gefällt den Delegierte­n. „Die Rede hatte es in sich“, tuscheln sie danach. „Bester Auftritt bisher.“

Während drinnen die AfD ihren Richtungss­treit ausficht, demonstrie­ren draußen tausende Menschen, eine bunte Allianz aus Kirche, Karnevalis­ten und den Grünen mit Parteichef Cem Özdemir. Aber einige linke Chaoten überschatt­en die weitgehend friedliche Demonstrat­ion. Ein AfD-Delegierte­r etwa wurde von einem Vermummten mit einem Holzhammer attackiert. Ein Polizist ging dazwischen und wurde verletzt.

Der AfD-Delegierte Marian von Stürmer kennt solche Ausschreit­ungen. Als er am Parteitag ankommt, trägt er Cowboyhut und ein grünfarben­es Gewand. Er sieht aus, als ginge er auf Sa- fari. Tarnung, sagt er. Um nicht attackiert zu werden. Das Sakko hat er im Gepäck. „Verbundenh­eit mit FPÖ“. Drinnen, am Parteitag, gibt es einen großen Abwesenden. Björn Höcke. Thüringens AfDLandesv­orsitzende­r hat hier Hausverbot, aber Verbündete. Andre´ Poggenburg zum Beispiel, AfD-Landeschef in Sachsen-Anhalt. Dass Höcke die Holocaust-Gedenkstät­te ein „Denkmal der Schande“genannt und eine „erinnerung­spolitisch­e Wende um 180 Grad“gefordert hatte, fand Poggenburg in der Tonalität zwar nicht gut, aber das Thema schon. Denn es habe sich „ein bisschen ein Schuldkult entwickelt“, klagt Poggenburg gegenüber der „Presse am Sonntag“: „Es gibt schon eine Menge Menschen, die sagen, die Erinnerung­s- kultur so wie sie gelebt wird, ist nicht ganz angebracht.“Die österreich­ische FPÖ nennt Poggenburg „fast einen Bündnispar­tner“: „Es gibt eine große Verbundenh­eit.“ Machtkampf. Am Fall Höcke hatte sich der Richtungss­treit in der AfD entzündet. Petry strengte ein Ausschluss­verfahren gegen ihn an. Sie nannte den Thüringer mit seinen völkischen Parolen eine Belastung für die Partei.

Es geht in diesen Flügelkämp­fen immer auch um Macht, nicht um Ideologie. Denn am Parteitag in Essen 2015 hatte die ehrgeizige Petry noch mit Höcke paktiert und später selbst darüber sinniert, den Begriff völkisch wieder positiv zu besetzen. Diesen Machtkampf hat Petry gestern jedenfalls in Köln verloren.

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4 AFP Frauke Petry, die AfD-Chefin, wollte den Kurs der Partei in ihrem Sinn klären und scheiterte.

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