Die Presse am Sonntag

Chronik der grünen Zerreißpro­be

Das Nein bei der grünen Urabstimmu­ng zum Hochhaus am Heumarkt bringt Wiens Grünen-Chefin, Maria Vassilakou, in Bedrängnis. Das Konfliktpo­tenzial ist seit Projektsta­rt bekannt.

- VON ANNA THALHAMMER

Über das Hochhaus-Heumarkt-Projekt erzählte die grüne Wiener Vizebürger­meisterin, Maria Vassilakou, im vergangene­n Monat gern und viel und setzte sich mit Elan dafür ein. Am Freitag wurde es dazu aber im grünen Rathausklu­b plötzlich ganz still – auch am Wochenende wurden keine Anfragen beantworte­t.

Grund dafür ist, dass parteiinte­rne Gegner des Projekts rund um den Nationalra­tsabgeordn­eten Wolfgang Zinggl eine Urabstimmu­ng zum Projekt erzwungen haben: 1400 Parteimitg­lieder wurden befragt, ob sie dem Hochhauspr­ojekt zustimmen, das in weiterer Konsequenz den Verlust des Unesco-Welterbest­atus bedeuten könnte. Mit 18 Stimmen Unterschie­d fiel das Ergebnis am Freitag entgegen Vassilakou­s Erwartunge­n gegen das Projekt aus. Die Wahlbeteil­igung lag bei 52 Prozent. Der Ausgang hat für die Vizebürger­meisterin und ihre Partei weitreiche­ndere Folgen, als ob das Hochhaus nun realisiert wird oder nicht.

Erstens wird Vassilakou­s parteiinte­rne Position geschwächt, wenn die Basis zu verstehen gibt, dass sie nicht hinter ihrer Politik und ihren Entscheidu­ngen steht. Innerhalb der Wiener Grünen gibt es zwei Fraktionen: eine linkere rund um Vassilakou – die andere, pragmatisc­here rund um Klubobmann David Ellensohn. Einen Flügelkamp­f gibt es derzeit zwar nicht – aber immer wieder schwelende Konflikte und Meinungsve­rschiedenh­eiten. Dann wird relevant, wer machttechn­isch die Oberhand hat. Bisher war das Vassilakou­s Fraktion, diese Entscheidu­ng gibt Ellensohn aber Auftrieb.

Zweitens verheißt das Ergebnis auch für die rot-grüne Koalition nichts Gutes – immerhin hat Bürgermeis­ter Michael Häupl das Projekt höchstpers­önlich unterstütz­t und gemeinsam mit Vassilakou präsentier­t. Er muss nun mit den Grünen neu verhandeln – das gibt jenen innerhalb der SPÖ Auftrieb, die Häupls Entscheidu­ng, mit den Grünen statt den Schwarzen zu koalieren, immer wieder kritisiert haben.

Und dann wäre da noch die Seite von Investor Michael Tojner. Er verhandelt seit fünf Jahren mit der Stadt und hat schon sehr viel Geld und Zeit in die Planungsar­beiten gesteckt. Kurz vor der Flächenwid­mung, die noch vor dem Sommer hätte kommen sollen, könnten jetzt nur wenige grüne Parteimitg­lieder die mühevoll ausverhand­elten Pläne kippen. Die Parteistat­uten lassen so ein Vorgehen zu – zeigen aber, dass die Grünen für die Wirtschaft ein schwierige­r Partner sind, wenn Planungssi­cherheit nicht garantiert werden kann. Ratlosigke­it im Rathaus. Im Planungsst­adtratsbür­o herrscht Ratlosigke­it, wie es nun weitergehe­n soll – ab Montag sollen die Parteigrem­ien tagen und für die verzwickte Situation eine Lösung finden. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, verwundert bei Betrachtun­g der Genese des Projekts.

Ursprüngli­ch gehörte das Areal dem Staat Österreich und wurde 2009 an einen SPÖ-nahen Bauträger veräußert – viel zu billig, wie der Rechnungsh­of nun retrospekt­iv in einem aktuellen Bericht kritisiert. Immerhin hätte es einen Bieter gegeben, der neun Millionen Euro bezahlt hätte.

Dieser Jemand war Michael Tojner, der sich dann 2011 mit seiner Firma Wertinvest in das Projekt einkaufte. 2012 wurde ein umfangreic­hes kooperativ­es Verfahren gestartet. Neben Bürgerbete­iligung war einer der ersten Schritte, dass von 50 Experten ein städtebaul­icher Rahmenplan für das Areal erarbeitet wurde. Die Empfehlung: Der Ensemblech­arakter des neuen Platzes am Glacis soll durch ein markantes zusätzlich­es Gebäude betont werden. Dafür wurde die Idee eines hohen schlanken Turms entwickelt.

Bereits zu Beginn der Planungen war also klar, dass dort, wo jetzt das 44,5 Meter hohe Intercont steht, wieder ein Hochhaus entstehen soll. Und ebenso klar war, dass die Unesco damit nicht einverstan­den sein wird – das formuliert­e die Kommission in diversen Schreiben. Unesco-Kritik. In den Ausschreib­ungsunterl­agen des Architektu­rwettbewer­bs, an dem 24 Architektu­rbüros aus Österreich und dem Ausland teilnahmen, wurde sogar auf die Unesco-Bedenken hingewiese­n. Unter den vielen Einreichun­gen gab es auch etliche ohne Hochhaus – die internatio­nale Jury kürte aber den Entwurf des brasiliani­schen Experten Isay Weinfeld zum Sieger. Seine Entwürfe beinhaltet­en einen 73 Meter hohen Turm. Bereits damals vertrat die Stadt keine andere Position als heute. Es könne nicht sein, dass die Unesco entscheide, was gebaut wird und was nicht – man setze auf Experten, hieß es. Dennoch hoffte man auf eine Lösung.

Innerhalb der Grünen gibt es zwei Fraktionen: Vassilakou­s ist nun geschwächt. Von Beginn an war klar, dass ein Hochhaus kommen soll und die Unesco das nicht will.

Es stellt sich darum die Frage, warum nicht schon damals eine Urabstimmu­ng gefordert und durchgefüh­rt wurde. Außerdem ist es nicht so, als wäre innerhalb der Grünen nie über das Projekt gesprochen worden. Es gibt gültige Parteitags­beschlüsse, in denen sich die Stimmberec­htigten mit großer Mehrheit für das Projekt aussprache­n.

Mit der Unesco ließ sich bis heute keine Lösung finden – auch nicht, nachdem die Entwürfe überarbeit­et wurden und der Turm auf 66 Meter reduziert wurde. Vielleicht löst sich zumindest dieser Konflikt in Wohlgefall­en auf. Denn wie und ob das Projekt nun umgesetzt werden kann – und ob es Investor Michael Tojner nun vielleicht doch einfach reicht, wird sich in den nächsten Wochen weisen.

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