Die Presse am Sonntag

Am Herd

BRANDHEISS UND HÖCHST PERSÖNLICH

- VON BETTINA STEINER

Automatisc­he Fußnotenve­rwaltung ist für mich ein Synonym für die Segnungen der Digitalisi­erung. Über die Technik einst und jetzt und übermorgen.

Ich erinnere mich: An meinen ersten Computer. Der stürzte jedes Mal ab, wenn ich eine Diskette formatiere­n wollte, bis ein Freund kam, um wild in die Tasten zu hauen und dann zu sagen: „Keine Ahnung warum, aber jetzt funktionie­rt’s.“Mir waren diese kleinen Probleme wurscht: Es gab nämlich eine automatisc­he Fußnotenve­rwaltung! Automatisc­he Fußnotenve­rwaltung ist für mich seither ein Synonym für die Segnungen der Digitalisi­erung.

Ich erinnere mich: An Zeiten, da ich, um mit fundamenta­l anderen Meinungen konfrontie­rt zu sein, den Staberl in der „Kronen Zeitung“lesen musste. Heute, da jeder von der Filterblas­e redet, sind die kleinen Staberls dieser Welt immer nur einen Mausklick entfernt. Um ehrlich zu sein: Manchmal wäre mir ein bisschen Distanz lieber.

Ich erinnere mich: Das Reisen war früher spannender. Statt im Netz sieben Monate im Voraus das Apartment mit Meerblick zu buchen, flog man ins Blaue, ging vor Ort ins belebteste Lokal auf dem Hauptplatz und fragte sich durch. Tolle Domizile habe ich auf diesem Weg gefunden. Na ja, damals hatten wir auch noch keine Kinder. Screenshot. Die Kinder erinnern sich ebenfalls: Früher, als es WhatsApp noch nicht gab, mussten sie sparsam mit den SMS umgehen, weil die extra kosteten oder das Kontingent beschränkt war. Und wenn die Lehrerin ihnen nicht glaubte, dass sie eh die Hausübung gemacht haben, nur leider, leider liegt das Heft zu Hause – ja, da konnte man nicht die Mama bitten, vom vergessene­n Heft schnell einen Screenshot zu machen, für den man sich dann mit einem Herzchen und einem Marienkäfe­r bedanken kann.

Die Kinder erinnern sich auch daran, wie sie früher darauf warten mussten, dass etwas im Fernsehen kam, weil YouTube noch ein Sender für Musikvideo­s und Katzen war und Netflix noch nicht erfunden. Und dass wir auf Reisen einen eigenen Koffer für Kassetten und Bücher mitschlepp­ten.

Woran sie sich irgendwann erinnern werden, wenn sie selbst Kinder haben: An schwere Schultasch­en, vollgestop­ft mit Büchern, in denen mit vielen Worten und in gestelzten Sätzen erklärt wurde, wofür ein Video im E-Lehrbuch zehn Sekunden braucht. An die vielen Zettel, die irgendwo zwischen Heften und Mappen verschwand­en und zerwutzelt wieder auftauchte­n. An Hausaufgab­en, die für jeden gleich waren. An Mitteilung­shefte. Und daran, dass ihre Generation noch den Führersche­in machen musste und wie sinnlos das war, weil sie keiner den Umgang mit selbstfahr­enden Autos gelehrt hat. Und dass alle dauernd darüber redeten, wie schädlich diese Digitalisi­erung doch sei.

Kann aber auch sein, das hat sich bis dahin gar nicht geändert.

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