GEBÄRDENSPRACHE
Arzt, bei der Anwältin, beim Amt nicht mehr an ihnen hängen, sagt Rausch – im Alltag seien Gehörlose aber noch immer oft auf die Dienste ihrer Kinder angewiesen. „In ganz Kärnten gibt es nur vier Dolmetscher.“So würden CODAs noch immer aus dem Unterricht geholt, wenn etwa eine gehörlose Mutter beim Direktor vorstellig wird. Für die Kinder bedeutet das eine Verantwortung, die sie überfordert – und auch eine seelische Belastung, wenn Hörende etwa automatisch anstatt der gehörlosen Eltern das Kind adressieren. „Sie geben dem Kind dann das Gefühl, seine Eltern seien nicht gut genug. Das verletzt auch das Kind, das seine Eltern ja als Teil in sich trägt und sich der Gehörlosengemeinschaft zugehörig fühlt.“ Abtauchen. Vor allem die erstgeborenen Mädchen bekämen oft das Szepter in die Hand gedrückt – und damit Verpflichtungen, die sie in jungen Jahren überfordern und ihnen in älteren lästig sind. Jugendliche Rebellion läuft aber selten ohne Schuldgefühle ab: „Wenn einem die Eltern auf die Nerven gehen, taucht man normalerweise ab. Aber da ist immer der Gedanke: Die könnten mich brauchen, ich kann sie doch nicht hängen lassen!“, sagt Rausch. Manchen würde das zu viel, sie spalten sich, sobald sie alt genug sind, von der Gehörlosen-Community komplett ab. „Man spricht von einem CODA–Exodus. Viele kommen nur noch zu den Pflichtbesuchen einmal im Jahr nach Hause.“
Den Hohn, den Isabella Rausch als Kind abbekam, wenn sie mit ihrer Mutter gebärdend durch die Stadt spazierte, der bleibt heutigen CODAs weitgehend erspart. „Die Gebärdensprache hatte das Ansehen einer ,Affensprache‘“, erzählt sie. „Da hat uns jeder angestarrt und verspottet. Es ist richtig schön zu sehen, wie sich das jetzt in die andere Richtung entwickelt.“Seit 2005 ist ÖGS eine anerkannte Sprache, die Kurse boomen, immer mehr hörende Eltern verständigen sich mit ihren Kleinkindern in Babysign. Noch gebe es aber einige Barrieren abzubauen, meint Rausch. Nur wenn Gehörlose als vollwertige Erwachsene wahrgenommen werden, könnten auch deren Kinder unbeschwert aufwachsen.
Die österreichische Gebärdensprache
(ÖGS) steht seit 2005 als anerkannte Sprache in der Verfassung. Sie hat eine eigene Grammatik und kann alles darstellen, was auch in anderen Sprachen ausgedrückt werden kann.
Rebellion? »Da ist immer der Gedanke: Meine Eltern könnten mich brauchen.«
Gebärdensprachen
sind nicht auf der ganzen Welt gleich. Sie haben sich natürlich entwickelt, auch innerhalb Österreichs gibt es Dialekte. Jugendliche verwenden teilweise andere Gebärden als Senioren. Neue Gebärden werden heute oft aus anderen Sprachen entlehnt. Manche Gebärden verbreiten sich auch von einer Familie aus und werden irgendwann ins Lexikon aufgenommen. Andere Gebärden werden gezielt entwickelt – etwa im wissenschaftlichen Bereich, wo viele Begriffe bisher mit dem Fingeralphabet buchstabiert werden mussten.