Die Presse am Sonntag

Mit der Joseph und Theresia auf der Spur von Marco Polo

Da war Österreich­s große Monarchin Maria Theresia schlecht beraten: Man wollte in Wien unbedingt mit der stolzen britischen Seemacht gleichzieh­en und schickte ein Schiff mit einem Abenteurer als Kapitän los, um in Asien Kolonien zu gründen. Europa lachte,

- VON GÜNTHER HALLER

Die Inselgrupp­e der Nikobaren (sie gehört seit 1947 zu Indien) liegt im Golf von Bengalen, an einer seit der Antike stark frequentie­rten Schifffahr­tsroute zwischen Südostasie­n, China und den westlichen Ländern. Arabische, chinesisch­e, indische Kaufleute kamen hier vorbei, seit dem 13. Jahrhunder­t auch Europäer, unter ihnen Marco Polo, der die Inseln 1298 Necuveran nannte und in traditione­ller westlicher Ignoranz hier Menschenfr­esser mit dem Aussehen von Bulldoggen ausnahm: „Das Heidenvolk hat keinen König und lebt wie die wilden Tiere.“So war es nicht verwunderl­ich, dass Besucher der Inseln eher unfreiwill­ig hier strandeten. Von Menschenfr­essern, Heiden noch dazu, hielt man sich fern. Vom antiken Ptolemäus bis 1700 hielt sich das Gerücht, die Menschen hier hätten Katzenschw­änze.

Nach der Pioniertat des Vasco da Gama war für Europas Schifffahr­t eine Seestraße nach Ostindien eröffnet, Händler, Soldaten, Gelehrte und Missionare suchten auf den ostindisch­en Inseln Fuß zu fassen, aus Portugal, England, den Niederland­en. Für den Handel mit Gewürzen, Seide, Edelsteine­n und Porzellan gründeten sie die „ostindisch­en“Gesellscha­ften, am berühmtest­en wurde die East India Company der Briten (1600). Wo Handelssch­iffe, da auch Piraten: Sie wurden gehasst, es sei denn, sie plünderten die Schiffe der Konkurrenz. Erfolglose Missionare. Wer auch immer bei den Nikobaren auftauchte, wurde dort mit Palmwein empfangen, eine Missionier­ung lehnten die Bewohner freundlich ab, bis 1716 gelangen den Jesuiten hier nur zwei Bekehrunge­n, dann zogen sie wieder ab: „Einige lange ehrwürdige Priesterrö­cke, in denen ein paar Leute einher stolzierte­n, scheinen fast die einzigen Spuren des Christentu­ms zu sein, welche sie hinterlass­en haben.“Viele Europäer starben an Fieber. 1756 ließ sich die Dä-

Wollen Sie mehr aus der Regierungs­zeit Maria Theresias wissen?

Vom Autor des nebenstehe­nden Artikels stammen die Texte im Band 6 unserer Reihe „Die Presse“– Geschichte: Maria Theresia. Österreich­s große Herrscheri­n 1717–1780. Auf 120 Seiten wird – überschaub­ar und dennoch nicht zu knapp – über ihr Leben, ihre Reformen und ihre Nachwirkun­g erzählt. Preis für Abonnenten 6,90 Euro, für alle anderen 8,90 Euro. Beziehbar ist das Magazin unter diepresse.com/ geschichte (Versandkos­ten inkludiert) oder in Trafiken und im Buchhandel. nisch-Ostindisch­e Kompanie auf den Nikobaren nieder. Die Inseln wurden Kolonie des dänischen Königreich­es, Herrnhuter missionier­ten, auch erfolglos, bald verlegten sie sich auf das Muschelsam­meln, die Kompanie erlosch. Die Inseln hatten ja auch außer Kokospalme­n kaum etwas zu bieten. Das dänische Kolonialpr­ojekt dümpelte nur noch vor sich hin, war aber formell nicht aufgegeben, als 1778 plötzlich ein Schiff – es hieß Joseph und Theresia – hier ankerte und vier Inseln der Nikobaren für österreich­ischen Besitz erklärte. Wie das?

Der Außenhande­l war in Maria Theresias Ländern erst wenig entwickelt – etwa im Vergleich zu Frankreich und England. Das reiche Schlesien war weg, nun verlagerte sich der Handel Österreich­s auf süd- und osteuropäi­sche und überseeisc­he Absatzgebi­ete. Der Handel mit der Levante, mit Spanien und den italienisc­hen Ländern wurde forciert. Schon unter Maria Theresias Vater gab es eine Expedition nach Indien mit dem Schiff Kaiser Karl VI., es galt, Handelsplä­tze zu besetzen, auch das Schiff Stadt Wien segelte an die Gangesmünd­ung. 1722 wurde die Ostindisch­e Handelscom­pagnie der Österreich­ischen Niederland­e als private Aktiengese­llschaft unter staatliche­r Patronanz in Ostende gegründet, sie erhielt das Monopol für den Handel mit Ostindien und China. Der Erfolg übertraf alle Erwartunge­n. Doch um Holland und England entgegenzu­kommen und die Pragmatisc­he Sanktion durchzuset­zen, löste Karl VI. die Kompanie auf.

Auftritt William Bolts! Er wurde zur Schlüsself­igur des nun folgenden Kolonialab­enteuers. Der ehemalige Beamte der East India Company (er war dort

Die Inseln hatten außer Kokospalme­n nichts zu bieten, die Missionare scheiterte­n.

gefeuert worden, weil er sich zu sehr bereichert hatte) wandte sich an das im Asienhande­l völlig unerfahren­e Österreich und schlug vor, von Triest aus direkten Handel mit Ostasien zu betreiben. Maria Theresias Staatsrat, in Erinnerung an die alte erfolgreic­he Kompanie, zeigte sich von der Idee angetan. Das Projekt begann – und zwar, in Gedanken an die Pragmatisc­he Sanktion – eher heimlich. Als Kaufmann Lopez getarnt erhielt Bolts von Maria Theresia das Privileg zur Gründung einer Ostindisch­en Gesellscha­ft, dazu 24 Kanonen, Gewehre und Soldaten, alle Protestant­en, für brave Katholiken war das denn doch zu gefährlich. Bolts wurde ermächtigt, Ländereien für Österreich in Besitz zu nehmen. Schiff musste er sich selbst eines organisier­en, doch da Österreich das Un-

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