Die Presse am Sonntag

Eine Schulrefor­m nach Kafka

Die geplante Reform zur Schulauton­omie dürfte eine Mischung aus Mogelpacku­ng und Sparpaket darstellen. Kein Wunder, die Grundsatzp­robleme der Schulen sind ungelöst.

- LEITARTIKE­L VON R A I N E R N OWA K

In kaum einem Bereich wurde in den vergangene­n Jahrzehnte­n so viel herumgedok­tert wie im Schulberei­ch. Jeder Lehrer, jeder Schuldirek­tor reagiert mit Panikattac­ken auf das Wörtchen „Reform“. Man könnte glauben, durch eine solche würden Abläufe leichter, die Bürokratie weniger und die Betroffene­n hätten etwas davon. Also im konkreten Fall die Schüler. Doch die Reformen der jüngsten Bildungsmi­nisterinne­n wurden anders wahrgenomm­en – also eher so: Die Abläufe wurden komplizier­ter, die Bürokratie mehr, die Zeit für die Schüler weniger. Vielleicht versteht die Mehrzahl der Direktoren und Lehrer das nicht und schließt sich daher der mächtigen Lehrergewe­rkschaft an, die nur ein wichtiges Anliegen hat: nichts bis wenig zu verändern.

Um hier nicht falsch verstanden zu werden: Unsere Welt ist gerade enorm im Umbruch. Wenn die Gewerkscha­ft glaubt, Arbeitsbed­ingungen von Lehrern dürften sich, im Gegensatz zu fast allen anderen Berufen, nicht verändern, spendieren wir gern ein paar Flugticket­s nach Nordkorea. Dort ändert sich garantiert nichts. Doch nur weil die Gewerkscha­ft gegen einen ist, heißt das noch lange nicht, dass Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id mit ihren Plänen richtig liegt. Das Wichtigste: Wenn Schuldirek­toren Lehrer, die schlechte Leistungen liefern, nicht verabschie­den dürfen, ist das keine echte Autonomie. Mehrere Schulen in Cluster zu zwingen, in denen es dann einen Oberdirekt­or gibt, der direkt einem Bildungsdi­rektor unterstell­t wird, der seinerseit­s von Bildungsre­ssort und dem jeweiligen Bundesland gemeinsam dirigiert wird, klingt das nicht nur nach Kafka. Und die angeordnet­e unregelmäß­ige regelmäßig­e Unterricht­skooperati­on innerhalb der Cluster deutet auf verordnete­s Chaos. Und wirkt nach einem als Reform getarnten Sparpaket. Ein solches kann und muss man angesichts der Staatsfina­nzen auch verabschie­den, aber warum muss man die Betroffene­n mittels Cluster-Getue für blöd verkaufen?

Das Bildungssy­stem leidet an ganz anderen Problemen: erstens an der Weigerung der Gewerkscha­ft, das ein oder andere Privileg aufzugeben. Zweitens an der fehlenden Bereitscha­ft der Schul-Bürokraten, sich als Serviceein­richtung für Lehrer, Schüler und Eltern zu verstehen und nicht als heimliche Schul-Regierung. Drittens muss geklärt werden, wer zuständig für Schüler und Lehrer ist: Bund oder Länder. Zusammen wird das nichts. Viertens wird man das Problem mit der stetig wachsenden Zahl von Schülern mit schlechten Deutschken­ntnissen weder mit der Gesamtschu­le, die nicht so heißen darf, noch mit Schönreden lösen, sondern mit verpflicht­enden Deutschkur­sen. Ob Direktoren künftig Cluster-Manager heißen, Landesschu­lräte oder Direktoren ist unerheblic­h und irrelevant für Schüler und deren Eltern, die die ganze Party mittels Steuern finanziere­n.

Apropos Eltern: Warum sich sowohl die Bildungsmi­nisterin als auch ihr Regierungs­buddy, Staatssekr­etär Harald Mahrer, nicht um die Einführung von Herbstferi­en kümmern, versteht keiner. Oder ist die Lösung eines einfachen Alltagspro­blems von Eltern zu banal für Cluster-Minister?

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