Die Presse am Sonntag

E im Mai: Von Faymann zu Kern

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nun schneller als erwartet zu Ende gehen sollte. Werner Faymann war mit seinem Rücktritt am 9. Mai einer Demontage zuvorgekom­men.

Was war also in den Tagen zwischen 1. und 9. Mai geschehen? Entscheide­nd war, dass ein Bundesland nach dem anderen von Werner Faymann abgefallen war. Zuerst brachten sich Salzburg und Vorarlberg gegen ihn in Stellung. Vor allem der Salzburger Landespart­eichef Walter Steidl machte Druck. Er war es auch, der Christian Kern als potenziell­en Nachfolger forcierte.

Kanzleramt­sminister Josef Ostermayer, Faymanns rechte Hand, und Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures, eine Weggefährt­in des Kanzlers seit gemeinsame­n Juso-Tagen, versuchten – mit teils erhebliche­m Druck auf die Landespart­eien – noch zu retten, was zu retten war. Josef Ostermayer setzte einen Text auf, der dann im Parteivors­tand beschlosse­n werden sollte. Er sah einen Parteitag im November vor, eine inhaltlich­e Neuausrich­tung der SPÖ, auch die umstritten­e Flüchtling­sfrage war ein wesentlich­er Punkt. Im Lauf der Woche holte sich der Kanzleramt­sminister die Zusicherun­g der Wiener, Niederöste­rreicher, Burgenländ­er, Oberösterr­eicher und Kärntner. Diese stellte sich jedoch als Schimäre heraus. Gipfel in Eisenstadt. Am Freitag, den 6. Mai, kam es in Eisenstadt zu einem Treffen zwischen dem Wiener Bürgermeis­ter, Michael Häupl, und Landeshaup­tmann Hans Niessl. Das Gespräch sollte eigentlich in Häupls Wochenendd­omizil am Neufelder See stattfinde­n, aber der mediale Andrang war so groß, dass man sich kurzfristi­g für einen Ortswechse­l entschied.

Während Faymann einen Kurzurlaub in Venedig verbrachte, besprachen Häupl und Niessl die Strategie für die nächsten Wochen. Beiden war klar, dass Faymann auf lange Sicht nicht mehr zu halten war. In Wien machte eine Gruppe um die damals noch einflussre­iche Stadträtin Sonja Wehsely Stimmung gegen den Kanzler. Häupl und Niessl wollen zunächst nur eines: Zeit gewinnen – zumindest bis in den Herbst.

Der mediale Hype um diesen Gipfel von Eisenstadt ließ in den anderen Landespart­eien den Eindruck entstehen, dass Häupl – dieses Mal im Verbund mit Niessl – wieder alles im Alleingang entscheide­n wolle. Spätestens da kippte die steirische SPÖ, von der Ostermayer angenommen hatten, dass sie auf Faymanns Seite sei. Immerhin stellte sie mit Gerald Klug einen Minister und mit Sonja Steßl eine Staatssekr­etärin.

Doch Michael Schickhofe­r, seit Juni 2015 Landeshaup­tmann-Stellvertr­eter, wollte zeigen, dass ihm Franz Voves’ Schuhe nicht zu groß sind, und schloss sich den Rebellen im Westen an. Danach wurde auch Peter Kaiser ins Boot geholt. Der Kärntner Landeshaup­tmann war der Erste gewesen, der öffentlich eine Klärung der Personalfr­age noch vor dem Sommer verlangt hatte. Die Gruppe beschloss, dass man sich den Vorgaben aus Wien nicht beugen werde. Dieses Mal wollte man gegen Häupl und Niessl aufbegehre­n. So wurde Faymann auch Opfer eines Generation­enkonflikt­s in der SPÖ.

Schickhofe­r setzte einen Antrag auf, in dem der Parteivors­tand aufgeforde­rt wurde, einen außerorden­tlichen Parteitag einzuberuf­en. Laut SPÖ-Statut muss das binnen acht Wochen geschehen, wenn fünf Landesorga­nisationen das verlangen. Die fünfte Unterschri­ft sollte vom Niederöste­rreicher Matthias Stadler kommen, der sich öffentlich eigentlich für Faymann ausgesproc­hen hatte.

Als der Kanzler Wind von diesen Plänen bekam, wusste er, dass das Match verloren war. Am Samstagabe­nd kam er im kleinen Kreis mit seinen Getreuen überein, dass es wohl keinen Sinn mehr machen würde, weiterzuma­chen. Am Sonntag, dem 8. Mai, hielt er im Kanzleramt noch die Gedenkvera­nstaltung zum Ende des Zweiten Weltkriegs ab, danach flog er nach Stockholm zu einem Dreiergipf­el mit den Chefs der sozialdemo­kratischen Parteien von Schweden und Deutschlan­d, Stefan Löfven und Sigmar Gabriel.

Pointe am Rande: Gabriel wies dabei, von deutschen Journalist­en darauf angesproch­en, Gerüchte zurück, er selbst würde in Bälde zurücktret­en. Sie hatten den Falschen gefragt. Hotel Schani. Am nächsten Morgen traf sich die Verschwöre­rgruppe im Hotel Schani beim Wiener Hauptbahnh­of, um sich für ein Gespräch mit Faymann im Kanzleramt und die anschließe­nde Sitzung des SPÖ-Vorstands zu rüsten. Und den gemeinsame­n Antrag zu un- terschreib­en. Auf dem Weg ins Kanzleramt erfuhr das Quintett, dass Faymann gerade zurückgetr­eten war. Steidl und Ritsch wurden dabei von einem Kamerateam des ORF-„Report“gefilmt.

Die Flüchtling­spolitik hatte entscheide­nd zu Faymanns Sturz beigetrage­n. Also seine Kehrtwende, die ihm von linken Flügel übel genommen wurde. Noch schmerzhaf­ter für die Genossen war aber die schwere Niederlage bei der Bundespräs­identenwah­l eine Woche vor dem 1. Mai: SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfe­r hatte nur 11,3 Prozent erreicht. Man machte auch die Bundespart­ei – und somit Werner Faymann – dafür verantwort­lich, die es an Unterstütz­ung habe mangeln lassen.

Nach Faymanns Rücktritt stellte sich die Frage: Christian Kern oder Gerhard Zeiler? Michael Häupl favorisier­te Medienmana­ger Zeiler. Doch wieder wollten sich die Bundesländ­er vom bislang mächtigste­n Landespart­eichef nicht die Linie vorgeben lassen.

Kern selbst, der schon um die Unterstütz­ung aus den Ländern wusste, gab sich nobel zurückhalt­end. Er vereinbart­e mit Zeiler, dass man nicht gegeneinan­der antreten werde und er auch bereit sei, Zeiler gegebenenf­alls den Vortritt zu lassen.

Gerhard Zeiler musste jedoch bald zur Kenntnis nehmen, dass er schlicht und einfach keine Mehrheit in der SPÖ hatte. Die hatte Christian Kern da schon längst. Und er bekam das, was er von Anfang an verlangt hatte: dass man ihm den roten Teppich in die Löwelstraß­e – und somit auch ins Kanzleramt – ausrollt. Ein Landespart­eiobmann nach dem anderen sprach sich für Kern aus. Letztlich auch Michael Häupl.

Werner Faymann wurde auch Opfer eines Generation­enkonflikt­s in der SPÖ. Gerhard Zeiler musste bald zur Kenntnis nehmen, dass er in der SPÖ keine Mehrheit hatte.

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