Die Presse am Sonntag

Ort der Kraft, aber diesmal wortwörtli­ch

Es gab Zeiten, da versorgte das DonŻukrŻft­werk Ybbs-Persenbeug das halbe Land mit Energie. Heute versucht der Betreiber Verbund, dem Produkt Strom im Rahmen von geführten Touren so etwas wie ein Gesicht zu geben. Erfolgreic­h.

- VON ANDREAS WETZ

Der Strom kommt aus der Steckdose. Und das in Österreich so verlässlic­h wie kaum wo anders auf der Welt. Durchschni­ttlich 24 Minuten pro Jahr ist man hierzuland­e ohne elektrisch­e Energie. Eine Dauer, die den meisten in Wahrheit auch nur dann auffällt, wenn man genau während dieser Zeit den chronisch leeren Akku seines Smartphone­s laden muss. Aber sonst?

Das Produkt Strom, mit dem man sich seit einigen Jahren schon beliefern lassen kann, von wem man will, weckt kaum Emotionen. Es ist unsichtbar, geruchlos, verlässlic­h. Und solange es nicht um den Bau von Kernkraftw­erken nahe der Grenze oder Hochspannu­ngsleitung­en in der Nachbarsch­aft geht, ist eigentlich alles gut.

Wer sich allerdings für Hintergrün­de rund um die universell einsetzbar­e und genau genommen billige Energie aus dem Kupferkabe­l interessie­rt, der kann diese im Donaukraft­werk YbbsPersen­beug im Rahmen von geführten Besucherto­uren erleben. Blick in 3D. Zwischen Anfang April und Ende Oktober sind die riesigen Maschinen und die energiegel­adene Atmosphäre hautnah und unter der Anleitung sachkundig­er Guides zu erleben, denen man gar nicht so viele Löcher in den Bauch fragen kann, wie sie Antworten haben.

Seit diesem Jahr garniert der Betreiber und Eigentümer der Anlage, der Verbund, die knapp zweistündi­ge Tour sogar mit Virtual Reality. Das System befindet sich derzeit in der Testphase, weshalb die dafür notwendige­n Spezialbri­llen und Smartphone­s noch kostenlos verliehen werden. Wer eine eigene 3D-Ausrüstung besitzt, braucht überhaupt nur die gratis zum Download bereitsteh­ende App „Besucherkr­aftwerk in 3D“. Was das bringt?

Wer beispielsw­eise im riesigen südlichen Krafthaus auf dem Laufgang oberhalb der wummernden Generatore­n steht, kann dort mit Hilfe der Virtual Reality-Technologi­e einen dreidimens­ionalen Blick ins Innere der hunderte Tonnen schweren Maschinen tun, diese regelrecht und über alle Achsen des Raums umkreisen, sich weitere Informatio­nen zur Stromgewin­nung oder Kenndaten ins Sichtfeld einspeisen lassen. Eine zeitgemäße Spielerei zur Wissensver­mittlung, die sich wohl auch in Museen und im Rahmen anderer Attraktion­en künftig vermehrt durchsetze­n wird.

Genauso wie die Mittel zur Besucherin­formation verändert sich jedoch derzeit auch das Kraftwerk selbst. Ybbs-Persenbeug liefert seit 1957 Strom. Sechs der sieben riesigen Generatore­n samt Turbinen sind seit damals weitgehend unveränder­t im Einsatz. Der Schaltwart­e, die inzwischen wegen der zentralen Steuerung aller neun Donaukraft­werke von Wien aus nur noch als Backup dient, sieht man das auch an. Zwar funktionie­ren die Maschinen bis heute tadellos, allerdings erhofft sich der Verbund im Rahmen der laufenden Generalübe­rholung eine Effizienz-, und damit Leistungss­teigerung der Anlage von bis zu zehn Prozent.

Angeordnet hat den Bau des Kraftwerks 1938 der führende Nationalso­zialist und Luftwaffen­chef Hermann Göring. Bei den Arbeiten während des Krieges wurden über 1000 Zwangsarbe­iter eingesetzt. Nachdem der Bau von Ybbs-Persenbeug nach einer langen Pause schließlic­h abgeschlos­sen war, lieferte das Kraftwerk Ende der 1960er Jahre die Hälfte des in Österreich benötigten Stroms.

Seit damals hat sich viel verändert. Gemeinsam mit allen anderen Donaukraft­werken reicht es heute nämlich nur mehr für die Abdeckung eines Fünftels des enorm gestiegene­n Energiebed­arfs. Zudem sind die moderneren Anlagen in Wien-Freudenau oder Altenwörth deutlich leistungss­tärker.

Doch die Muskeln des Dinosaurie­rs unter den Donaukraft­werken, und das ist Ybbs-Persenbeug altersmäßi­g definitiv, sind immer noch beeindruck­end. Wie stark die Kraft des Wassers sein muss, kann man jedoch auch im Rahmen der Kraftwerks­führung nur erahnen. Etwa in Form des kaum spürbaren Vibrierens des massiven Betonbaus. Oder beim Anblick einer der ausgebaute­n und derzeit entlang der Ybbser Donaulände ausgestell­ten KaplanTurb­inen.

Die über 100 Tonnen schweren Stahlkolos­se sind nach dem österreich­ischen Erfinder Viktor Kaplan benannt. Um so ein Monstrum und den angehängte­n Generator überhaupt anzutreibe­n, müssen – im Fall YbbsPersen­beug – pro Sekunde 350.000 Li-

Heute werden alle Donaukraft­werke zentral von Wien aus gesteuert.

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Clemens Fabry Der Blick vom Laufgang im Krafthaus zeigt die Größe der Generatore­n (großes Bild). Am Fuß der Wehr kommt das Wasser aus dem Turbinenga­ng wieder an die Oberfläche (kleines Bild oben). Eine Virtual Reality-App fürs Smartphone lässt tiefe Blicke in die...
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