Die Revolution enttäuscht ihre Kinder
Ch´Żvez & Co. versprŻchen in Südamerika rŻsche Siege gegen ©ie Armut. Sie hŻtten Erfolg, solŻnge ©er Rohstoffãoom w´hrte. NŻch ©em ãösen ErwŻchen folgt nun ©ie Zeit ©er Reife.
Im Hof der Wiener Arena war die Hölle los, als Hugo Chavez´ den Himmel auf Erden versprach: „Eine Welt frei von Armut, Ungleichheit und Ungerechtigkeit – und diese Welt heißt Sozialismus.“Es war Mai 2006, der venezolanische Revolutionsführer rockte den EU-Lateinamerika-Gipfel in Österreichs Hauptstadt, und Linke in ganz Europa schwärmten von seinem „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“. Heute zeigt sich in aller Härte, wohin dieser Weg geführt hat: Das ölreichste Land der Welt ist heruntergewirtschaftet, verarmt und pleite. Sein vom Volk schon abgewähltes Regime klammert sich an die Macht. Es fließt Blut, es droht ein Bürgerkrieg.
Das Beispiel Venezuela schreckt ab. Im Jahr 2008 gab es in ganz Südamerika (mit Ausnahme Kolumbiens) nur linke Regierungen, von gemäßigt bis radikal. Nun schwingt das Pendel in die Gegenrichtung: Die Argentinier haben die Linksperonistin Kirchner vom Thron gestoßen, das brasilianische Parlament hat die Sozialdemokratin Rousseff abgesetzt. Ihre Nachfolger geben sich betont marktliberal und ziehen Investoren an. Auch die engsten Apologeten der bolivarischen Revolution sind auf dem Rückzug: Evo Morales in Bolivien gelang es nicht, seine Macht per Referendum zu zementieren, seine Popularität ist im Sinkflug. Rafael Correa in Ecuador war gemäßig- ter, sein Nachfolger Moreno ist es noch mehr – und konnte sich bei der Wahl im Februar trotzdem nur knapp behaupten. In allen drei Ländern untergruben die linken Caudillos die Justiz, unterdrückten die Presse und bedrohten die Opposition – ein autoritäres Machtgehabe, das immer mehr Bürger satthaben. Nun ließe sich leicht sagen: So ist das eben mit dem Sozialismus. Er scheiterte als marxistische Planwirtschaft, und nun scheitert er auch in seiner schwammig-abgespeckten Version fürs 21. Jahrhundert. Aber damit macht man es sich zu leicht.
Südamerika ist nämlich ein Sonderfall: In keiner Weltregion war die extreme Armut über Jahrhunderte gesellschaftlich so verfestigt, nirgends die soziale Ungleichheit so hoch. Die Ursachen reichen bis in die Kolonialzeit zurück: Die spanischen Eroberer erlaubten nur ihren Nachkommen, Grund zu besitzen und Rohstoffe abzubauen. So bildete sich eine kleine, sehr wohlhabende Oberschicht, die sich mit allen Mitteln gegen Umverteilung wehrte. Wo die Besitzlosen aufbegehrten, folgte ein Militärputsch. Klassenkampf war keine Parole, sondern bittere Realität. Hemmschuh Ungleichheit. Die extreme Ungleichheit erwies sich auch als volkswirtschaftlicher Hemmschuh: Ein Land, in dem ein guter Teil der Bevölkerung ohne ordentliche Schulbildung und Gesundheitsversorgung auskommen muss und das Investoren durch viel Kriminalität abschreckt, kann sein Potenzial nicht entfalten. Darüber herrscht Konsens, seit sich in den 1980er-Jahren überall die Demokratie durchgesetzt hatte. Als dann durch die volle Marktöffnung Chinas ab Anfang der Nullerjahre die Preise für Rohstoffe auf das Drei- bis Fünffache stiegen, sahen alle Regierungen des Kontinents, ob links oder rechts, darin eine historische Chance. Ob Öl aus Venezuela, Soja aus Argentinien, Eisenerz aus Brasilien oder Kupfer aus Chile und Peru: Überall sorgte die Nachfrage aus Asien für volle Staatskassen. Das schuf Spielraum für Sozialprogramme, ohne die Budgets zu überziehen oder die Besitzenden stärker zur Kasse zu bitten.
Ein Blick auf die Grafik zeigt: Die Übung gelang. In allen Staaten ging die Ungleichheit zurück, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. 73 Millionen Südamerikaner entkamen in nur einem Jahrzehnt der Armut. Auch das Wachstum war überall stark. Die globale Krise von 2008 steckte Südamerika
Prozent
ist die für heuer prognostizierte Inflationsrate in Venezuela.
Prozent:
So stark brach die Wirtschaftsleistung Venezuelas im Vorjahr ein.
Mal
so hoch: Um diesen Faktor erhöhte Präsident Ch´avez die Staatsausgaben zwischen 1998 und 2012 – von 16 auf 160 Milliarden Dollar.
Son©erfŻll Sü©ŻmerikŻ: In keiner Żn©eren Weltregion wŻr ©ie Ungleichheit so hoch.