Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VO N MARTIN KUGLER

Mikroplast­ik im Meer ist seit einigen Jahren ein Dauerthema. Das dürfte aber nur die Spitze des Eisbergs sein – denn auch in Böden und ihren Bewohnern finden sich große Mengen.

Mikroplast­ik ist mittlerwei­le allgegenwä­rtig: In praktisch jeder Wasserprob­e aus Ozeanen findet man mikroskopi­sch kleine Partikel aus Kunststoff­en – egal, ob Fasern, Mikroplast­ikkügelche­n aus Kosmetika etc. oder Abbauprodu­kte von Plastiksac­kerln oder -flaschen. Wie deutsche Forscher diese Woche bei der Generalver­sammlung der European Geoscience­s Union (EGU) in Wien berichtete­n, werden alljährlic­h 39.000 Tonnen Kunststoff­e über Flüsse ins Meer gespült – der Großteil davon in Asien. In der Nahrungske­tte reichert sich Mikroplast­ik an, es landet schließlic­h also auch in uns Menschen. Welche Konsequenz­en das für die Umwelt und alle Organismen hat, ist großteils unbekannt.

Mikroplast­ik im Meer scheint aber nur die Spitze des Eisbergs zu sein. Immer deutlicher wird nämlich, dass Mikroplast­ik auch in terrestris­chen Lebensräum­en ein großes Thema ist: Auch in Böden finden sich kleine und kleinste Plastikpar­tikel – und diese Mengen dürften laut vorsichtig­en Schätzunge­n viel größer als jene in Gewässern sein. Aber so genau weiß man das derzeit nicht; es ist nicht einmal ganz klar, durch welche Prozesse Plastikmül­l im Boden zerkleiner­t und langsam abgebaut wird. Und zwar sehr langsam: Bis z. B. eine Plastikfla­sche vollständi­g in ihre chemischen Bausteine zerlegt ist, vergehen Jahrhunder­te.

Noch weniger weiß man über das Verhalten der Plastikpar­tikel im Boden. Mexikanisc­he und niederländ­ische Wissenscha­ftler haben nun beim Wiener Geologenko­ngress eine Studie vorgestell­t, die einen ersten Eindruck gibt. Untersucht wurden dabei zehn Hausgärten in der mexikanisc­hen Stadt Campeche, wo – wie in vielen Teilen der Welt üblich – die Bewohner ihren Müll verbrennen und die Reste einfach vergraben. In einem Gramm Gartenerde konnte dort zumindest ein Plastikpar­tikel nachgewies­en werden. Das klingt nicht nach viel, aber es ist die Basis für eine starke Anreicheru­ng in der Nahrungske­tte: In Regenwürme­rn, die sich durch das Erdreich fressen, wurden schon 15 Partikel pro Gramm Lebendgewi­cht nachgewies­en; im Kot von Hühnern, die diese Würmer aufpickten, 130 Partikel je Gramm. Die Plastikmen­gen, die in Mägen und Kröpfen der Hühner gefunden wurden, seien ein großes Risiko für die menschlich­e Gesundheit, warnen die Forscher.

Es scheint also, dass hier eine nächste Lawine an beunruhige­nden Fakten über den schädliche­n Einfluss des Menschen auf die Umwelt im Anrollen ist. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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