Russlands teures, skandalbehaftetes WM-Schmuckstück
Nach etlichen Pannen und verschobenen Eröffnungsterminen wurde das Krestowski-Stadion in St. Petersburg eingeweiht – gerade noch rechtzeitig für den Confederations Cup im Juni. Weder Spieler noch Fans interessieren sich jedoch für den Testlauf für die WM
Es ist einer dieser in Beton und Stahl gegossenen Träume von Wladimir Putin. KrestowskiStadion heißt der futuristische Bau, er thront im Westen der gleichnamigen Insel in St. Petersburg, der Heimatstadt des russischen Präsidenten. Am vergangenen Wochenende erfolgte die offizielle Einweihung, weder der Rasen (braun und löchrig) noch das darauf Gezeigte (ein 2:0-Sieg von Zenit gegen acht Jekaterinburg-Spieler) oder die Kulisse (nicht alle Ränge waren geöffnet) wollten zur imposanten Außenansicht passen. Angesichts von zehn Jahren Bauzeit, 20-maliger Verschiebung der Eröffnung und exorbitant angestiegenen Baukosten aber war die wichtigste Botschaft die, dass das Spiel stattgefunden hat. Noch sind nicht alle Arbeiten fertiggestellt, aber die Arena für 68.134 Zuschauer wird ihrer Bestimmung gerecht werden: In nicht ganz zwei Monaten, am 17. Juni, wird hier der Confederations Cup angepfiffen.
Das Turnier der Kontinentalmeister Europas (Portugal), Afrikas (Kamerun), Asiens (Australien), Südamerikas (Chile), Nord- und Mittelamerikas (Mexiko) und Ozeaniens (Neuseeland) sowie Weltmeister Deutschland und Gastgeber Russland ist die traditionelle Generalprobe für die Weltmeisterschaften im Jahr darauf. Aufgrund der vielen Kritik und Streitpunkte rund um die WM 2022 in Katar rückte die zeitgleich an Russland vergebene Endrunde 2018 in den Hintergrund, dabei haben auch hier Geld und politischer Einfluss den Ausschlag gegeben. Korruption und Ausbeutung. Vier Jahre nach den Olympischen Spielen in Sotschi möchte Putin im Sommer 2018 der Welt erneut Größe, Prunk und seine schier unbegrenzten Möglichkeiten demonstrieren. Auf 639 Milliarden Rubel (etwa zehn Milliarden Euro) beläuft sich offiziell das Budget, Experten gehen sogar von deutlich mehr aus, über zwei Drittel kommen direkt vom Staat. Der größte Kostenfaktor sind die zwölf WM-Stadien, von denen gleich neun neu gebaut wurden. Die eingangs erwähnte Krestowski-Arena allein
Auflage
des Confederations Cup, der WM-Generalprobe, findet vom 17. Juni bis 2. Juli in Moskau, St. Petersburg, Kasan und Sotschi statt. Acht Teams spielen in zwei Gruppen (A: Russland, Neuseeland, Portugal, Mexiko; B: Kamerun, Australien, Chile, Deutschland).
Milliarden Euro
beträgt offiziell das Budget für die WM 2018. Experten gehen von noch mehr aus, es gilt somit als höchstes der Geschichte.
Millionen Euro
hat allein der Neubau des KrestowskiStadions in St. Petersburg gekostet, es ist damit das zweitteuerste der Welt nach dem Wembley in London (rund eine Milliarde Euro).
WM-Stadien
wurden neu gebaut. In Wolgograd, Kaliningrad oder Nischnij Nowgorod sind allerdings nur Zweit- oder Drittligisten beheimatet, der Zuschauerschnitt in der russischen Liga liegt bei 11.000. schlägt mit rund 745 Millionen Euro zu Buche, je nach Wechselkurs war es schon über eine Milliarde. Die tatsächliche Summe dürfte nie ans Licht kommen, denn der Bau ist ein Paradebeispiel für Intransparenz, Korruption und Ausbeutung.
Drei Jahre vor der WM-Vergabe, im April 2007, wurde mit der Umsetzung der Pläne des japanischen Architekten Kisho Kurokawa begonnen, dieser hatte einen hochmodernen Komplex mit verschließbarer Kuppel und mobiler Rasenfläche konzipiert. Ursprüngliche Kostenaufstellung: 190 Millionen Euro. Drei Jahre, etliche Pannen und einen tödlichen Arbeitsunfall später erhielt Russland den WM-Zuschlag und änderte die Pläne: mehr VIP-Logen und steilere Tribünen, angeblich auf Geheiß der Fifa, was diese dementierte. Das Ganze wiederholte sich im Zuge der EM 2020, drei Gruppenspiele und ein Viertelfinale sollen in St. Petersburg gespielt werden. Die Auflagen der Uefa seien eben noch strenger – waren den Verantwortlichen aber spätestens seit der Bewerbung 2009 bekannt.
Damals hatte Hauptsponsor Gazprom schon genug gesehen und zog sich auch im Licht der Rohstoffkrise zurück, plötzlich war die öffentliche Hand gefragt. Um das Großprojekt zu stemmen, machte die Stadtverwaltung nicht einmal vor der Kürzung von Sozialausgaben halt, politischer wie ziviler Widerstand blieb ungehört. Im Juli 2016 der nächste Rückschlag: Der Bauträger prangerte das Versickern von rund 30 Millionen Euro an. Schon am nächsten Tag wurde der Vertrag gelöst, die Staatsanwaltschaft ermittelt bis heute.
Um zumindest die rechtzeitige Fertigstellung zum Confederations Cup sicherzustellen, schufteten Tausende Arbeiter unter teils menschenunwürdigen Bedingungen. Wie die norwegische Zeitung „Josimar“recherchierte, sind unter den generell sehr schlecht bezahlten Arbeitern auch rund 110 Nordkoreaner, die wie Sklaven in mit Stacheldraht umgebenen Arealen hausen. Ihr Lohn von umgerechnet neun Euro pro Tag geht als Devise direkt an das Regime in Pjöngjang. All diese Vorwürfe perlen inzwischen freilich an der Hochglanzfassade des Stadions ab. Wettbewerb ohne Wert. Obgleich noch nicht offen ausgesprochen, der Confederations Cup könnte in Russland seine letzte Auflage erleben. Bei Spielern, Trainern und insbesondere Klubverantwortlichen genießt der WM-Testlauf kein hohes Standing. Von einem „Wettbewerb ohne Wert“sprach etwa Bayern-Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge und forderte wie andere Bundesliga-Vertreter weniger Belastungen für Nationalspieler. Dortmund-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kam zum selben Urteil: „Wenn der Confed-Cup ausfallen würde, würde es kaum jemanden interes- sieren.“DFB-Teamchef Joachim Löw hat bereits angekündigt, im Sommer „nicht in Bestbesetzung“nach Russland zu reisen. Dass der Weltverband also für ein besseres Nachwuchsturnier angesichts des wohl nötigen Wintertermins 2021 in Katar einen neuerlichen Streit mit Europas Ligen auf sich nimmt, scheint ausgeschlossen.
Zumal sich das Interesse der Fans am Turnier in Grenzen hält. Russlands politische Situation, die weiten Wege sowie Gewaltankündigen lokaler Hooligan-Gruppierungen sind eben nicht die beste Werbung. Für die 16 Partien wurden vor der letzten Verkaufsphase erst 211.745 der 695.000 zur Verfügung stehenden Tickets verkauft, die Mehrzahl davon an das Gastgeberland. Ebenfalls schleppend verläuft die Sponsorensuche, zumindest dafür hat Vize-Premier und Verbandspräsident Witali Mutko den Schuldigen ausgemacht: „Das schlechte Image der Fifa. Nicht die WM 2018 in Russland steckt in Schwierigkeiten, sondern die Fifa.“
Die Großbaustelle: Eröffnung 2017 statt 2009, Kosten von 745 statt 190 Millionen Euro.