»Ich war als Kind ein Sisi-Fan«
An Ibsens »Wildente« fasziniert sie die psychologische Tiefe. Maria Theresia hält sie für eine »sensible Frau« – und die »Vorstadtweiber« bringen sie zum Strahlen. Gerti Drassl im Interview.
Es ist laut in der Kantine. Gerade erst ist die Probenbesprechung mit Regisseurin Mateja Koleznikˇ zu Ende gegangen, die ihr erstes Stück an der Josefstadt inszeniert: Ibsens „Die Wildente“. Mit dabei ist Gerti Drassl als Gina Ekdal, deren Tochter Selbstmord begeht. „Das ist ein Stück, das mich schon lang begleitet“, erzählt sie. Auch Ginas Tochter Hedvig hat Drassl schon gespielt – und 2003 dafür den NestroyPreis als Beste Nachwuchsschauspielerin erhalten. „Ich liebe dieses Stück sehr, weil es jeden tangiert, der es sieht oder liest. Es lässt einen nicht kalt, weil es zu viele Fragen aufwirft, die mit dem Leben eines jeden zu tun haben: Wie bestreitet man sein Leben? Wirklich so, dass man immer mit sich und den anderen ehrlich ist? Oder ist es nicht auch nachvollziehbar, dass man das eine oder andere wegschiebt, verdrängt, anders darstellt als es wirklich war, um überhaupt weiterleben zu können?“Dass Ibsen dieses Stück geschrieben hat, bevor die Psychoanalyse bekannt war, fasziniert Drassl: „Es ist interessant, wie er in die Psyche der Figuren eintaucht, ohne dafür Material gehabt zu haben, wie genau er daran arbeitet und wie tiefgreifend er das erzählt.“ Private Briefe Maria Theresias. Noch vor der Premiere ist sie in einer anderen Rolle zu erleben: Als Maria Theresia in „Universum History“anlässlich des 300. Geburtstags der Monarchin am 13. Mai. „Ich habe vorher viel über sie gelesen. Derzeit sind ja viele Biografien auf dem Markt wegen des Jubiläums. Aber irgendwann hab ich’s gelassen, weil es mich eher verwirrt hat. Es gibt so viele Sichtweisen auf sie und auf ihr Wesen.“Dieser „Universum“-Film bietet einen sehr privaten Blick auf die Regentin, die mit ihrer 40-jährigen Herrschaft (von 1740 bis 1780) zu einer herausragenden Persönlichkeit der österreichischen Geschichte wurde. Filmautorin und Regisseurin Monika Czernin hat gemeinsam mit dem Historiker Jean-Paul Lavandier neue Briefe Maria Theresias an ihre ehemalige Hofdame und engste Freundin Sophie Enzenberg entdeckt und ausgewertet.
„Diese Briefe waren mein Hauptmaterial, weil diese innere Stimme von ihr mir am meisten erzählt hat. Die Briefe machen diese historische Figur für uns nachvollziehbarer, menschlicher“, sagt Drassl. „Ich habe sie so als eine verinnerlichte, sensible Frau kennengelernt.“Sie sei auch ins Kunsthistorischen Museum gegangen, um sich die Bilder anzusehen. Das sind zwar idealisierte Darstellungen, „aber es ist interessant zu sehen, wie sie dargestellt werden wollte: Sie wollte als selbstsichere, herrschaftliche Frau gesehen werden. Aber auch als Mutter. Das war ein zentraler Punkt ihres Lebens.“
Drassl genießt es, so verschiedene Frauentypen darzustellen. Und sie hat sich immer gern verkleidet: „Ich war als Kind ein unglaublicher Sisi-Fan. Meine Cousine und ich haben uns immer die Federbetten umgehängt – und das waren dann unsere Kleider. So gesehen ist mir jetzt ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen.“Obwohl es im Winter im Stift Klosterneuburg, wo die historischen Szenen gedreht wurden, bitter kalt war. Und obwohl es drei Stunden lang gedauert hat, bis die Maske für den Part als alte Maria Theresia saß. „Die haben schon vor dem Drehen sehr lange daran getüftelt. Und dann war es so eiskalt, dass die Gefahr bestand, dass alles gleich wieder runter geht. Ich wurde quasi dauer-gefönt, damit das Material die Körpertemperatur behält.“Die Maske hielt – Drassl ist damit kaum zu erkennen. Fassaden der Vorstadt. Noch bis Ende Juni steht die gebürtige Südtirolerin für die zweite Staffel der ORF-Serie „Vorstadtweiber“vor der Kamera. Sie strahlt übers ganze Gesicht, wenn sie davon erzählt, weil ihr die Rolle der Maria gut gefällt und die Figuren so gut entwickelt wurden, „dass alles nicht nur oberflächlich ist“. Freilich sind die Typen alle überspitzt. „Aber was mir so gut an der Serie gefällt, ist das Aufrechterhalten der Fassaden. Das ist in unserer Gesellschaft ja üblich, dass man sich nach außen anders gibt als es in einem drinnen wirklich ausschaut. Das deckt sich mit dem Thema, das in der , Wildente‘ behandelt wird.“Die „Vorstadtweiber“erleben freilich auch ihre Momente, wo Fassaden fallen. „Da sind diese Menschen dann ganz pur da und man ist berührt – kann aber gleich wieder loslachen.“Vermutlich ab Herbst im ORF zu sehen.
»Maria Theresias Briefe machen sie nachvollziehbarer, menschlicher«