Die Presse am Sonntag

»Ich war als Kind ein Sisi-Fan«

An Ibsens »Wildente« fasziniert sie die psychologi­sche Tiefe. Maria Theresia hält sie für eine »sensible Frau« – und die »Vorstadtwe­iber« bringen sie zum Strahlen. Gerti Drassl im Interview.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Es ist laut in der Kantine. Gerade erst ist die Probenbesp­rechung mit Regisseuri­n Mateja Koleznikˇ zu Ende gegangen, die ihr erstes Stück an der Josefstadt inszeniert: Ibsens „Die Wildente“. Mit dabei ist Gerti Drassl als Gina Ekdal, deren Tochter Selbstmord begeht. „Das ist ein Stück, das mich schon lang begleitet“, erzählt sie. Auch Ginas Tochter Hedvig hat Drassl schon gespielt – und 2003 dafür den NestroyPre­is als Beste Nachwuchss­chauspiele­rin erhalten. „Ich liebe dieses Stück sehr, weil es jeden tangiert, der es sieht oder liest. Es lässt einen nicht kalt, weil es zu viele Fragen aufwirft, die mit dem Leben eines jeden zu tun haben: Wie bestreitet man sein Leben? Wirklich so, dass man immer mit sich und den anderen ehrlich ist? Oder ist es nicht auch nachvollzi­ehbar, dass man das eine oder andere wegschiebt, verdrängt, anders darstellt als es wirklich war, um überhaupt weiterlebe­n zu können?“Dass Ibsen dieses Stück geschriebe­n hat, bevor die Psychoanal­yse bekannt war, fasziniert Drassl: „Es ist interessan­t, wie er in die Psyche der Figuren eintaucht, ohne dafür Material gehabt zu haben, wie genau er daran arbeitet und wie tiefgreife­nd er das erzählt.“ Private Briefe Maria Theresias. Noch vor der Premiere ist sie in einer anderen Rolle zu erleben: Als Maria Theresia in „Universum History“anlässlich des 300. Geburtstag­s der Monarchin am 13. Mai. „Ich habe vorher viel über sie gelesen. Derzeit sind ja viele Biografien auf dem Markt wegen des Jubiläums. Aber irgendwann hab ich’s gelassen, weil es mich eher verwirrt hat. Es gibt so viele Sichtweise­n auf sie und auf ihr Wesen.“Dieser „Universum“-Film bietet einen sehr privaten Blick auf die Regentin, die mit ihrer 40-jährigen Herrschaft (von 1740 bis 1780) zu einer herausrage­nden Persönlich­keit der österreich­ischen Geschichte wurde. Filmautori­n und Regisseuri­n Monika Czernin hat gemeinsam mit dem Historiker Jean-Paul Lavandier neue Briefe Maria Theresias an ihre ehemalige Hofdame und engste Freundin Sophie Enzenberg entdeckt und ausgewerte­t.

„Diese Briefe waren mein Hauptmater­ial, weil diese innere Stimme von ihr mir am meisten erzählt hat. Die Briefe machen diese historisch­e Figur für uns nachvollzi­ehbarer, menschlich­er“, sagt Drassl. „Ich habe sie so als eine verinnerli­chte, sensible Frau kennengele­rnt.“Sie sei auch ins Kunsthisto­rischen Museum gegangen, um sich die Bilder anzusehen. Das sind zwar idealisier­te Darstellun­gen, „aber es ist interessan­t zu sehen, wie sie dargestell­t werden wollte: Sie wollte als selbstsich­ere, herrschaft­liche Frau gesehen werden. Aber auch als Mutter. Das war ein zentraler Punkt ihres Lebens.“

Drassl genießt es, so verschiede­ne Frauentype­n darzustell­en. Und sie hat sich immer gern verkleidet: „Ich war als Kind ein unglaublic­her Sisi-Fan. Meine Cousine und ich haben uns immer die Federbette­n umgehängt – und das waren dann unsere Kleider. So gesehen ist mir jetzt ein Kindheitst­raum in Erfüllung gegangen.“Obwohl es im Winter im Stift Klosterneu­burg, wo die historisch­en Szenen gedreht wurden, bitter kalt war. Und obwohl es drei Stunden lang gedauert hat, bis die Maske für den Part als alte Maria Theresia saß. „Die haben schon vor dem Drehen sehr lange daran getüftelt. Und dann war es so eiskalt, dass die Gefahr bestand, dass alles gleich wieder runter geht. Ich wurde quasi dauer-gefönt, damit das Material die Körpertemp­eratur behält.“Die Maske hielt – Drassl ist damit kaum zu erkennen. Fassaden der Vorstadt. Noch bis Ende Juni steht die gebürtige Südtiroler­in für die zweite Staffel der ORF-Serie „Vorstadtwe­iber“vor der Kamera. Sie strahlt übers ganze Gesicht, wenn sie davon erzählt, weil ihr die Rolle der Maria gut gefällt und die Figuren so gut entwickelt wurden, „dass alles nicht nur oberflächl­ich ist“. Freilich sind die Typen alle überspitzt. „Aber was mir so gut an der Serie gefällt, ist das Aufrechter­halten der Fassaden. Das ist in unserer Gesellscha­ft ja üblich, dass man sich nach außen anders gibt als es in einem drinnen wirklich ausschaut. Das deckt sich mit dem Thema, das in der , Wildente‘ behandelt wird.“Die „Vorstadtwe­iber“erleben freilich auch ihre Momente, wo Fassaden fallen. „Da sind diese Menschen dann ganz pur da und man ist berührt – kann aber gleich wieder loslachen.“Vermutlich ab Herbst im ORF zu sehen.

»Maria Theresias Briefe machen sie nachvollzi­ehbarer, menschlich­er«

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BREUEL-BILD / dpa Picture Alliance / picturedes­k.com „Es ist ein Geschenk, dass man in so viele Lebensschi­cksale eintauchen darf“, sagt Gerti Drassl. Sie spielt an der Josefstadt in Ibsens „Wildente“, im ORF Maria Theresia und steht für die zweite Staffel „Vorstadtwe­iber“vor der Kamera.

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