Die Presse am Sonntag

Frankreich­s blutiger Weg bis zur Fünften Republik

Am kommenden Sonntag wird der 25. Präsident der Republik gewählt. Die Entstehung der Demokratie in Frankreich, beispielge­bend für den Kontinent, war wechselvol­l und auch gewaltsam. Licht und Schatten lagen nah beieinande­r. Bald nach dem erfolgvers­prechend

- VON OLIVER PINK

Jean-Luc Melenchon,´ der am vergangene­n Sonntag bei den Präsidente­nwahlen 19,6 Prozent der Stimmen erreichte, hat ein Faible für prägende Figuren der Französisc­hen Revolution wie Maximilien de Robespierr­e und Louis Antoine de Saint-Just. Als 2014 eine Version des Videospiel­s „Assassin’s Creed“erschien, die zur Zeit der Französisc­hen Revolution spielt, rückte Melenchon´ zornig zur Verteidigu­ng Robespierr­es aus: Dieser werde hier zu Unrecht als Monster dargestell­t, er sei ein Befreier gewesen. Und er habe die Revolution zu einem kritischen Zeitpunkt gerettet.

Das stimmt zwar. Allerdings war Robespierr­e, kompromiss­los und selbstgere­cht, ein republikan­ischer Tyrann und maßgeblich verantwort­lich für die Massenmord­e in der Zeit der jakobinisc­hen Schreckens­herrschaft. Erst traf es im Jänner 1793 den König, Ludwig XVI., dann die Mitrevolut­ionäre, die liberalen Girondiste­n, und letztlich auch die linken Jakobiner selbst. 84 Prozent der Hingericht­eten gehörten dem revolution­ären Dritten Stand, dem Bürgertum, an.

„Die Triebfeder­n der Volksregie­rung im Stadium der Revolution sind Tugend und Terror zugleich: die Tugend, ohne die der Terror unheilvoll wäre, und der Terror, ohne den die Tugend machtlos ist“, erklärte Tugendterr­orist Robespierr­e. Oder in den Worten seines Mitstreite­rs Georges Dantons: „Seien wir schrecklic­h, damit es das Volk nicht zu sein braucht! Dies ist ein Gebot der Humanität!“

Der Historiker Reynald Secher spricht in Bezug auf die Zeit des „Terreur“gar von einem „frankofran­zösischen Genozid“. Laut seinem Kollegen Donald Greer sind von März 1793 bis August 1794 16.594 Menschen hingericht­et worden. Noch nicht dabei sind da die Opfer von Lyon und der Vendee.´ Das widerständ­ische Lyon wurde von den Revolution­ären dem Erdboden gleichgema­cht, 2000 Bürger umgebracht, nur die Häuser der Armen durf- ten stehenblei­ben. Stefan Zweig hat dem in seinem „Joseph Fouche“´ ein literarisc­hes Denkmal gesetzt: „Und so schändet sich der Konvent, der Anwalt der Humanität, vor der ganzen Welt.“Die Opferzahl des Aufstands in der Vendee´ soll hunderttau­send, wenn nicht mehr, betragen haben. „Es gibt die Vendee´ nicht mehr, Bürger der Republik!“, meldete ein General an den Wohlfahrts­auschuss in Paris.

Diese Gewaltexze­sse trieben viele Revolution­sbegeister­te im restlichen Europa wieder in die Arme ihrer bisherigen Herrscher zurück. Es ist gewisserma­ßen paradox: Die Revolution, die für die Ausbildung der Demokratie­n in Europa wesentlich Pate stand – friedliebe­nde, rechtsstaa­tliche Demokratie­n wie wir sie heute kennen – war eine ziemlich blutige Angelegenh­eit. Liberale Revolution. Dabei hatte die Geschichte durchaus erfreulich begonnen – sofern man nicht Royalist war. Das liberale Bürgertum übernahm die Macht vom König. Der Weg schien in Richtung konstituti­onelle Monarchie zu gehen. Dieser Umsturz war 1789 relativ unblutig vonstatten gegangen.

Das Feld dafür aufbereite­t hatten Missernten, Misswirtsc­haft, die kostspieli­ge Unterstütz­ung der Amerikaner in ihrem Unabhängig­keitskrieg gegen Frankreich­s Erzfeind England, die Idee dieser Amerikanis­chen Revolution an sich, die dann über den Atlantik schwappte und die hausgemach­te Aufklärung von Philosophe­n wie JeanJacque­s Rousseau und Denis Diderot.

Ab 1791 begann sich die Revolution jedoch zu radikalisi­eren – ähnlich wie später bei der Russischen sollte aus einer liberalen eine linke werden. Dies geschah vor allem unter dem Druck

»Seien wir schrecklic­h, damit es das Volk nicht zu sein braucht!«, sprach Danton.

der nun auftretend­en Sansculott­en, einer Art Prä-Proletaria­t, die sich mit den linksbürge­rlichen Jakobinern zusammenta­ten. Der Name leitet sich davon ab, dass diese nicht die „culotte“, die Kniehose der Aristokrat­en, trugen, sondern eine einfache lange Hose. „In dieser Beziehung sind wir Männer alle seither Sansculott­en“, schreibt der deutsche Historiker Ernst Schulin.

Nach dem Tod Robespierr­es – selbstrede­nd auf

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