»Alles liegt bei den Künstlern«
Der österreichische Galerist Thaddaeus Ropac betreibt seit Kurzem auch eine Galerie in London. Der Brexit habe ihn auf dem falschen Fuß erwischt, erzählt er, aber die Kunstwelt denke nicht in nationalen Grenzen. Sein Interesse gilt derzeit den Werken aus
Herr Ropac, wie beurteilen Sie den Ausgang der ersten Runde der Präsidentenwahl in Frankreich? Thaddaeus Ropac: Großartig, es hätte nicht besser sein können. Das ist die einzige Hoffnung für Europa. Lässt Sie das proeuropäische Votum in Frankreich noch einmal an Ihrer Entscheidung zweifeln, sich in dem antieuropäischen Großbritannien niederzulassen? Wir erleben derzeit interessante Entwicklungen: In Österreich hat die FPÖ die Bundespräsidentenwahl verloren, in Frankreich wird Le Pen im zweiten Durchgang scheitern, und in Deutschland bricht die AfD auseinander – Europa geht also einen anderen Weg als die USA und Großbritannien. Das gibt uns Hoffnung. Ich bin in Österreich geboren, im Jahr 1960 und immer noch in dieses Trauma des Holocaust. Für mich war die europäische Idee das Einzige, was mich gerettet hat. Wie haben Sie dann den Brexit erlebt? Mein Weltbild hat sich dadurch völlig verschoben. Meine ganze Vision ist ja darauf aufgebaut, was wir mit Europa machen. Alles, woran ich geglaubt und worin ich investiert habe, wurde auf einmal infrage gestellt und kam ins Wanken. Nicht zuletzt bin ich vor zwanzig Jahren nach Paris gegangen, weil ich das als Teil Europas ansah. Aber nun hat uns Frankreich den Glauben zurückgegeben, dass diese Vision des gemeinsamen Europas nicht ganz verschwunden ist. Welche Erwartungen haben Sie nun für Ihre Galerie in London? Das hat mich wirklich auf dem falschen Fuß erwischt. Aber hätte ich gewusst, dass der Brexit kommt, hätte ich das Projekt trotzdem durchgezogen. Als überzeugter Europäer wurde ich davon wirklich ins Mark getroffen. Das hat mein ganzes Verhältnis zu diesem Land ernüchtert. Trotzdem glaube ich, dass die Kunstwelt diese nationalen Grenzen längst überwunden hat. Wir denken heute in einem ganz anderen, weltweiten Zusammenhang: Künstler, Kuratoren, Museen, Sammler und Galerien. Wir haben uns letztendlich unsere eigene Karte und unsere eigene Geografie geschaffen. Der Brexit wird uns technische Beeinträchtigungen bringen, aber er wird weder das Geschäft noch die Inhalte aufhalten können. Sie sehen also nicht die Gefahr, dass Großbritannien den Anschluss an die Außenwelt verlieren und sich auch künstlerisch abnabeln wird? Absolut nicht. Das ist eine Frage der „critical mass“. Vergessen Sie nicht, dass London die Kunststadt schlechthin ist: Hier befinden sich mit der Tate Modern das erfolgreichste Museum moderner Kunst, die wichtigsten Galerien und die größten Auktionshäuser der Welt. Und es gibt eine unendlich lebendige Künstlerszene. Ihren Sitz haben Sie aber nicht in dem Szenebezirk Shoreditch, sondern im arrivierten Mayfair gewählt. Warum? Shoreditch? Vielleicht bin ich zu alt dafür . . . (lacht) Als ich begann, London zu planen, habe ich mir überlegt: Was steht für mich für London? Die großen Kunsthandlungen, die Royal Academy, die Auktionshäuser sind alle hier in Mayfair, sozusagen im Kunstherzen der Stadt. Hier hatte ich auch als junger Mann meine ersten Kontakte mit der Londoner Kunstszene, das spielte wohl auch eine Rolle in meinen Überlegungen. Wenn ich nun als Newcomer aus Europa – wenn auch mit einer be-