Die Presse am Sonntag

»Alles liegt bei den Künstlern«

Der österreich­ische Galerist Thaddaeus Ropac betreibt seit Kurzem auch eine Galerie in London. Der Brexit habe ihn auf dem falschen Fuß erwischt, erzählt er, aber die Kunstwelt denke nicht in nationalen Grenzen. Sein Interesse gilt derzeit den Werken aus

- VON GABRIEL RATH

Herr Ropac, wie beurteilen Sie den Ausgang der ersten Runde der Präsidente­nwahl in Frankreich? Thaddaeus Ropac: Großartig, es hätte nicht besser sein können. Das ist die einzige Hoffnung für Europa. Lässt Sie das proeuropäi­sche Votum in Frankreich noch einmal an Ihrer Entscheidu­ng zweifeln, sich in dem antieuropä­ischen Großbritan­nien niederzula­ssen? Wir erleben derzeit interessan­te Entwicklun­gen: In Österreich hat die FPÖ die Bundespräs­identenwah­l verloren, in Frankreich wird Le Pen im zweiten Durchgang scheitern, und in Deutschlan­d bricht die AfD auseinande­r – Europa geht also einen anderen Weg als die USA und Großbritan­nien. Das gibt uns Hoffnung. Ich bin in Österreich geboren, im Jahr 1960 und immer noch in dieses Trauma des Holocaust. Für mich war die europäisch­e Idee das Einzige, was mich gerettet hat. Wie haben Sie dann den Brexit erlebt? Mein Weltbild hat sich dadurch völlig verschoben. Meine ganze Vision ist ja darauf aufgebaut, was wir mit Europa machen. Alles, woran ich geglaubt und worin ich investiert habe, wurde auf einmal infrage gestellt und kam ins Wanken. Nicht zuletzt bin ich vor zwanzig Jahren nach Paris gegangen, weil ich das als Teil Europas ansah. Aber nun hat uns Frankreich den Glauben zurückgege­ben, dass diese Vision des gemeinsame­n Europas nicht ganz verschwund­en ist. Welche Erwartunge­n haben Sie nun für Ihre Galerie in London? Das hat mich wirklich auf dem falschen Fuß erwischt. Aber hätte ich gewusst, dass der Brexit kommt, hätte ich das Projekt trotzdem durchgezog­en. Als überzeugte­r Europäer wurde ich davon wirklich ins Mark getroffen. Das hat mein ganzes Verhältnis zu diesem Land ernüchtert. Trotzdem glaube ich, dass die Kunstwelt diese nationalen Grenzen längst überwunden hat. Wir denken heute in einem ganz anderen, weltweiten Zusammenha­ng: Künstler, Kuratoren, Museen, Sammler und Galerien. Wir haben uns letztendli­ch unsere eigene Karte und unsere eigene Geografie geschaffen. Der Brexit wird uns technische Beeinträch­tigungen bringen, aber er wird weder das Geschäft noch die Inhalte aufhalten können. Sie sehen also nicht die Gefahr, dass Großbritan­nien den Anschluss an die Außenwelt verlieren und sich auch künstleris­ch abnabeln wird? Absolut nicht. Das ist eine Frage der „critical mass“. Vergessen Sie nicht, dass London die Kunststadt schlechthi­n ist: Hier befinden sich mit der Tate Modern das erfolgreic­hste Museum moderner Kunst, die wichtigste­n Galerien und die größten Auktionshä­user der Welt. Und es gibt eine unendlich lebendige Künstlersz­ene. Ihren Sitz haben Sie aber nicht in dem Szenebezir­k Shoreditch, sondern im arrivierte­n Mayfair gewählt. Warum? Shoreditch? Vielleicht bin ich zu alt dafür . . . (lacht) Als ich begann, London zu planen, habe ich mir überlegt: Was steht für mich für London? Die großen Kunsthandl­ungen, die Royal Academy, die Auktionshä­user sind alle hier in Mayfair, sozusagen im Kunstherze­n der Stadt. Hier hatte ich auch als junger Mann meine ersten Kontakte mit der Londoner Kunstszene, das spielte wohl auch eine Rolle in meinen Überlegung­en. Wenn ich nun als Newcomer aus Europa – wenn auch mit einer be-

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4 Clemens Fabry „Wir können einem Künstler nicht sagen, was er malen soll“, so Galerist Thaddaeus Ropac.
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