Kokain am Kanal, »Substi« am Karlsplatz? Das war einmal
Drogenumschlagplätze gŻã es in Wien schon viele: KŻrlsplŻtz, Schwe©enplŻtz, StŻ©tpŻrk, VotivpŻrk ãis Gumpen©orfer StrŻße, L´ngenfel©gŻsse o©er StŻtionen ©er U4 o©er U6 generell. Rückãlick Żuf eine Szene in Bewegung.
Aber noch heute sind mehr Beamte im Drogen-Einsatz, als das vor den Problemen 2016 der Fall war. Der Handel hat sich jedenfalls stärker in die Nacht verlagert – eine Schätzung, wie groß die Szene der Straßenhändler in Wien ist, gibt es bei der Polizei nicht. Oberste Priorität sei, so Maierhofer, den Handel im öffentlichen Raum zu unterbinden. Dahinter laufen Strukturermittlungen, um größere Player auszuforschen. Weniger Elend, besser betreut. „Eine Millionenstadt ohne Drogen, das werden wir alle nicht mehr erleben“, sagt Dressel. Aber auch das Ziel des Drogenkoordinators ist es, zumindest den Handel zu unterbinden. „Der gehört nicht in den öffentlichen Raum, das ist eine potenzielle Gefährdung labiler Jugendlicher.“
Der Drogenkonsum ist in Wien, entgegen aller Verfallstheorien, die die Debatten um Problemen wie an der U6 oder anderen „Hotspots“stets begleiten, aus dem öffentlichen Raum weitgehend verschwunden. Größere Gruppen beobachtet man bisweilen rund um den Gumpendorfer Gürtel, Standort des Jedmayers, des Zentrums der Suchthilfe Wien. Aber eine Szene wie am Karlsplatz etwa gibt es nicht mehr, „Suchtkranke halten sich nicht mehr auf der Straße auf, es gibt in Wien fast keinen Suchtkranken mehr, der nicht an eine Betreuungsstelle angedockt ist.“
Im Gegensatz zu früher seien Suchtkranke heute weniger verelendet und oft sei es gelungen, diese gut zu integrieren, sagt Dressel. Überhaupt ist die Lage, wenn es um den Konsum illegaler Drogen geht, in Österreich relativ stabil: Die einzige Substanz, bei der laut Suchtmittel-Monitor ein Anstieg beobachtet wird, sei Cannabis. Rund 30.000 Risiko-Konsumenten. Laut dem Drogenbericht 2016 gehen Fachleute davon aus, dass in Österreich zwischen 29.000 und 33.000 Menschen einen risikoreichen OpioidKonsum aufweisen. Das sind vor allem Menschen mit Heroingebrauch. Die Zahl von rund 30.000 ist seit Jahren stabil. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist der Risiko-Konsum demnach markant zurückgegangen. Trotzdem, Besorgnis erregt eine andere Zahl: 2015 wurden wieder 153 Drogentote registriert. 2014 gab es mit 122 Todesfällen in direkter Verbindung mit Suchtgift ein Minimum, 2009 waren es noch 206 Todesfälle. Vor allem ältere und nicht im Substitutionsprogramm betreute Drogenkranke waren betroffen. Derzeit werden etwa 60 Prozent der Suchtkranken mit Opioid-Medikamenten behandelt. Darkweb statt Karlsplatz. Die höheren Zahlen von Drogentoten könnten auch mit den zunehmend konsumierten „neuen psychoaktiven Substanzen“zusammenhängen. Diese Substanzen, bekannt als Research Chemicals, Legal Highs oder Designerdrogen, gibt es in etlichen Varianten, Wechselwirkungen und Gesundheitsrisken sind oft wenig bekannt. „Da müssen wir sehr alert sein“, sagt Dressel. Vor allem, weil der Konsum oft verdeckt stattfindet: Bezogen werden diese Substanzen aus dem Darknet (oder offen zugänglichen Plattformen), auch der Konsumentenkreis ist einer, den Suchthelfer schwerer erreichen: gut integriert, berufstätig, usw. „Es gab schon Todesfälle, bei den Drogentoten in jüngerer Vergangenheit handelt es sich oft um so etwas“, sagt Dressel. Und während die Situation auf Wiens Straßen derzeit im Griff ist, wird der Handel im Internet da zu einem riesigen Problem. Es gab Zeiten in Wien, in denen man in der Innenstadt Heroinsüchtige sehen konnte, die weggetreten in Parks oder auf Bänken lagen. Die Drogenszene vom Karlsplatz, die Junkies mit Schaum vorm Mund, die ausgemergelten Gestalten mit den von der Ersatzdroge Somnubene blauen Lippen oder das allgegenwärtige „Substi, Substi?“-Gezische derer, die ihre Substitutionsmittel in der Passage verkaufen wollten, das hat wohl niemand vergessen, der diesen Ort irgendwann zwischen den 1980er-Jahren und 2010 passiert hat.
Eine verfestigte Drogenszene wie jene vom Karlsplatz gibt es in Wien seither nicht mehr. Zwar ist immer wieder die Rede von Hotspots, von Brennpunkten – aber es ist die klare Devise der Polizei, die Szene in Bewegung zu halten, ein Ansiedeln sofort mit Kontrollen und Razzien zu unterbinden. Als Umschlagplätze in Verruf geraten sind in den vergangenen Jahrzehnten trotzdem viele zentrale Orte Wiens. Ein Rückblick. Orte mit langer Drogengeschichte. Lange Zeit galt der Karlsplatz als „das“Drogenzentrum Österreichs. Das ist mittlerweile ein paar Jahre her – und mitunter hängt ihm dieser Ruf noch nach. Im jüngsten Wien-Tatort etwa ließ Ermittlerin Bibi Fellner wieder so eine Karlsplatz-Bemerkung fallen. Kein Wunder, hat der Platz – bzw. das ganze Areal vom Rondeau unter der Oper, der Passage bis zum Resselpark – eine jahrzehntelange Drogenvergangenheit: 1978 wurde die Station Karlsplatz als U-Bahn-Station eröffnet (zuvor war diese eine Stadtbahnstation), schon kurz darauf siedelte sich die Szene an: In den 1980er-Jahren galt der Karlsplatz als das „Wohnzimmer“der heimischen Drogenszene, erst war dort vor allem Heroin im Umlauf, später, mit Beginn des Substitutionsprogramms Ende der 1980er-Jahre, blühte der Handel mit Opiat-Ersatzstoffen, mit Aufputschmitteln, Tranquilizern oder Schlaftabletten. Die Suchtkranken wurden am Karlsplatz von Streetworkern oder in der Spritzentausch-Station betreut, 2010 wurde der „Karli“, der „KP“oder schlicht der „Plotz“, wie ihn die Szene nannte, schließlich geräumt.
Der Karlsplatz ist ein Sonderfall in der Drogengeschichte der Stadt, eine derart verortete Szene hat es anderswo oder seither nicht gegeben. Vielleicht den Schwedenplatz, aber das hatte andere Dimensionen. Und wenn man heute den Praterstern mit dem Karlsplatz vergleicht, halten Sozialarbeiter entgegen, dass sich dort erstens seit jeher „marginalisierte Gruppen“aufhalten und es am Praterstern eher um Alkohol, Obdachlose und Armut geht.
Die Drogenszene wandert indes durch die Stadt, wobei Konsum heute viel weniger sichtbar ist als früher. Heute ist es erklärtes Ziel, Konsumenten weg von der Straße, aus der Obdachlosigkeit und in Betreuung zu bringen. Gehandelt wurde – zumindest mit „echten Drogen“– schon in der Zeit des Karlsplatzes vor allem anderswo. Zum Beispiel am Gürtel. Die Gegend um die Station Gumpendorfer Straße galt von den Achtziger bis in die Neunziger Jahre als ein zentraler Ort des Straßenhandels, dort wurde vor allem Heroin gehandelt, die dominante Substanz im Straßenhandel in den Achtzigern.
Wi©er ©ie VerfŻllstheorien: In ©er Öffentlichkeit wir© wenig konsumiert, ©ie LŻge ist stŻãil. KettenãrückengŻsse, VotivpŻrk DonŻukŻnŻl: StŻtionen ©er Drogengeschichte ©er StŻ©t.
In den Neunzigern kam es rund um die Gumpendorfer Straße zu massiven Kontrollen durch die Polizei – die Szene zog weiter. Zum Beispiel ein Stück weiter entlang der U6, zur Station Längenfeldgasse. Die galt, inklusive dem anliegenden Areal zum Wienfluss hinunter, lange Zeit als einer der berüchtigtsten Drogenumschlagplätze Wiens. Wie sich der Handel überhaupt entlang zentraler Verkehrsachsen und gut erreichbarer Verkehrsknoten entfaltet: In den 2000er-Jahren waren etwa die Stationen Dresdner Straße, Jägerstraße, Neue Donau, Handelskai, Philadelphiabrücke, Reumannplatz oder der Gürtel rund um den Westbahnhof immer wieder zentrale Umschlagplätze, später auch der Margaretengürtel, der Bruno Kreisky-Park oder die Station Kettenbrückengasse. Katz-und-Maus entlang der U6. Der Naschmarkt ist nicht der einzige zentrale, touristische und jetzt recht schicke Ort der Stadt, an dem einst der Drogenhandel blühte, mitunter große Razzien stattfanden und man, in U4-Stationen, bisweilen ein Spalier aus Dealern passieren musste. Ähnlich die Situation in den 2000er-Jahren am Donaukanal, besonders am berüchtigten Abgang Richtung Flex – bzw. überhaupt am Schottenring und am Schwedenplatz. Dort im Umlauf: Vor allem Heroin, Kokain und zunehmend Cannabis. Eine Zeitlang hatte dann auch der Stadtpark oder der Votivpark den Ruf des Drogenumschlagplatzes. 2004 und 2005 war der Votivpark vor allem im Zusammenhang mit nigerianischen Dealern ein großes Thema.
Die Polizei aber hat in diesen Jahren in ihrem Kampf gegen den offenen Drogenhandel massiv aufgestockt: Nach Razzien wurde die Szene rasch zurückgedrängt – bzw. zog sie weiter. Das Katz-und-Maus-Spiel lief in den letzten Jahren besonders entlang der Stationen der U6.