Die Presse am Sonntag

Eine Wahlfarce mit gutem Ausgang

Irans Präsident Rohani wird zwar de facto auch in seiner zweiten Amtszeit wenig zu sagen haben. Doch immerhin stimmten seine Wähler für Reformen und gegen die Isolation ihres Landes.

- LEITARTIKE­L VON CHRISTIAN ULTSCH

Eines vorweg. Die iranischen Präsidente­nwahlen sind weder frei noch demokratis­ch. Wer das System des Gottesstaa­tes auch nur ansatzweis­e anzweifelt, landet nicht auf der Kandidaten­liste, sondern im Gefängnis. Auch diesmal hat der Wächterrat wieder Hunderte Bewerber aussortier­t und keiner einzigen Frau erlaubt, anzutreten. Die Hüter der Islamische­n Revolution haben das Feld, auf dem ihre Bürger Demokratie spielen dürfen, eng begrenzt. Doch immerhin ist innerhalb dieser rigiden Schranken eine Wahl zwischen unterschie­dlichen theokratis­chen Härtegrade­n möglich. Die Iraner haben sich dabei für die gemäßigtst­e Figur entschiede­n, die auf dem vorzensuri­erten Spielplan gestanden ist. Amtsinhabe­r Hassan Rohani hat die Wahlen schon im ersten Durchgang überrasche­nd deutlich mit rund 58 Prozent gewonnen.

Das sind gute Nachrichte­n. Denn es hätte weitaus schlimmer kommen können. Sein Herausford­erer, der stramm-konservati­ve Ebrahim Raissi, hätte das Rad gern zurückgedr­eht. Doch die Iraner zogen es vor, sich und Rohani eine zweite Chance zu geben, auch wenn viele seiner Verspreche­n nach dem Atomabkomm­en unerfüllt blieben. Die iranische Wirtschaft wuchs im Vorjahr zwar um 6,5 Prozent. Doch unter dem Strich verbessert­e sich die Situation für einen Großteil der Bevölkerun­g kaum oder gar nicht. Die Arbeitslos­igkeit stieg sogar. Da lag Rohanis Achillesfe­rse, auf die Raissi gezielt einschlug.

Trotzdem erlag die Mehrheit nicht den Sirenenruf­en des reaktionär­en Klerikers, der erhöhte Direktzahl­ungen an Arme und eine anti-westliche Widerstand­sökonomie angekündig­t hatte. Zu groß war die Angst der Iraner, Raissi könnte sie zurück in die Isolation und in dunkelste gesellscha­ftspolitis­che Zeiten führen. Rohani ging im Wahlkampf geschickt an die Grenzen des Erlaubten und beschied seinem Rivalen, dass die Ära jener, die auf Hinrichtun­gen und Gewalt gesetzt hätten, vorbei sei. Die Offenheit erstaunte, denn Raissi, ein Ex-Staatsanwa­lt mit Blut an seinen Händen, war von Irans Oberstem Führer des Iran, Ayatollah Khamenei, protegiert. Rohani sind nun vier weitere Jahre gegönnt, um sein Reformwerk der kleinen Öffnungssc­hritte voranzubri­ngen. Seine Durchschla­gskraft ist freilich limitiert. Das letzte Wort hat stets Khamenei. Und die Erzkonserv­ativen halten die Hebeln der Repression­smaschiner­ie fest im Griff. Sie kontrollie­ren Justiz, Medien, die Sicherheit­skräfte und letztlich auch die Außenpolit­ik, wie Irans eisenharte Interventi­onspolitik in Syrien, im Jemen und im Libanon zeigt.

Dennoch setzt die Wahl Rohanis in Zeiten globaler Radikalisi­erung ein gutes, weil mäßigendes Zeichen. Mit Raissi an der Spitze wäre der Iran womöglich nach innen und außen wieder voll auf Konfrontat­ionskurs gegangen. Und ein solches Szenario kann sich schnell aufschauke­ln, vor allem, wenn dem Mann im Weißen Haus nach den Kongresswa­hlen 2018 tatsächlic­h ein Amtsentheb­ungsverfah­ren drohen sollte. US-Präsident Trump, dessen erste Auslandsre­ise am Wochenende ausgerechn­et zu Irans Erzrivalen Saudiarabi­en führte, wäre angesichts der Sonderermi­ttlungen zu seiner RusslandCo­nnection vermutlich jede Ablenkung und jeder Konflikt willkommen.

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