»Noch ist Wien relativ gemütlich«
Architektur und Objekte wie Stadtmöbel werden zunehmend gestaltet, um Räume zu überwachen, sagt Designer Gordan Saviˇci´c.
Nächten sah man Obdachlose dort auf Bänken schlafen.
Überhaupt sind solche Steuerungsmaßnahmen in Wien im Vergleich wenig weit verbreitet. Auch, wenn es von offiziellen Stellen stets heißt, dass es Ziel sei, dass sich Randgruppen nicht im öffentlichen Raum aufhalten müssen. Bett statt Parkbank, quasi. Und dementsprechend ist die Präsenz man- cher Randgruppen, von Drogenkonsumenten etwa, in den vergangenen Jahren in Wien zurückgegangen.
Aber auch in anderen Städten regt sich Widerstand gegen solche Maßnahmen. In London etwa wurden 2014 metallene Spikes in Hauseingängen und Ecken entfernt, und auch die Supermarktkette Tesco ließ Spikes nach Protesten vor Eingängen entfernen. Sie haben ein Buch über unpleasant Design herausgegeben. Was war das Unangenehmste, das Ihnen dabei begegnet ist? Gordan Saviˇci´c: Wir sind dafür viel herumgefahren, haben viel gesehen, von Stiften, damit sich niemand setzen kann, zu falschen Armstützen auf Bänken, die nur verhindern sollen, dass sich jemand hinlegt bis zu einer Beschichtung auf Pfosten in Seoul, damit man keine Pickerl aufkleben kann. Aber das Extremste waren nicht die offensichtlichen Dinge. Eher, dass zum Beispiel in Hamburg am Bahnhof klassische Musik gespielt wird, damit sich keine Obdachlosen dort aufhalten. Dass sich jemand überlegt, diese Musik mit dieser Absicht zu spielen, ist schon überraschend und fast erschreckender als Stacheln, die man sofort erkennt. Ist diese Art von Objekt- und Stadtdesign ein zunehmendes Phänomen? Es gibt verschiedene Strategien, die mehr und mehr auftreten. Zum Beispiel Mistkübel mit einer schrägen Form und kleinen Öffnungen, damit niemand darin wühlen kann. Oder weichere Formen, zum Beispiel die Camden Bench. Eine Betonsitzbank (mit schräg versetzten Flächen, die erstmals 2012 in London installiert wurde, Anm.), die so gestaltet ist, dass sie das Verhalten der Nutzer vorgibt: Man kann darauf nicht Skaten, seine Tasche nicht abstellen, nicht darauf Schlafen und es bleibt kein Mist darauf liegen. Uns hat die Frage interessiert, wo ist Design unkomfortabel und wird noch als Design akzeptiert? Ein Anlass waren Sessel bei US-Fastfoodketten, die so gestaltet sind, dass es nach einer halben Stunde ungemütlich ist, darauf zu sitzen und man nicht zu lange bleibt.
Gordan Saviˇci´c,
Jahrgang 1977, geboren in BosnienHerzegowina, aufgewachsen in Österreich, leitet den Studiengang Master Design an der Universität für Kunst und Design in Genf.
„Unpleasant Design“
heißt das Buch (Verlag G.L.O.R.I.A.), das er gemeinsam mit seiner Frau, der Architektin, Künstlerin und TUWien-Lektorin Selena Savic, zum Thema herausgegeben hat. unpleasant.pravi.me Spiegeln Architektur und Design da eine gewissen Tendenz, ein Bedürfnis nach Ordnung, Überwachung, Kontrolle in Städten? Ja, diese Objekte haben eine gewisse Agenda, einen Auftrag. Wir sind es mittlerweile gewohnt, dass wir uns in komplett kontrollierten Räumen bewegen, die Objekte – man denke an die Armstützen auf Bänken – sind die Auslagerung der Kontrolle: Statt Personal, das dafür sorgt, dass dort niemand liegt, sind Objekte dafür da, den Raum zu überwachen. Sie sind eine simple Antwort auf soziale Probleme: Wenn etwas stört, Skater, Jugendliche oder Obdachlose, gibt es das typische Phänomen des Verdrängens. Wie bei Tauben: Jedes Haus hat Spikes, damit sie nicht landen können. Wenn an einem Haus keine Spikes sind, hat man dort eine extreme Konzentration. Lösung ist das keine. Wobei man sagen muss, dass Wien da auch andere Wege geht, indem man, bleiben wir bei den Tauben, diesen beispielsweise auch die Eier wegnimmt. Apropos Wien: Wie steht die Stadt im internationalen Vergleich in Bezug auf unpleasant Design da? Im Vergleich ist Wien relativ gemütlich. Noch. Aber sobald das einmal langsam anfängt, verändert sich die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung dessen, was normal erscheint. Das erste, das in Wien in diese Richtung aufgefallen ist, waren die Einzelsitze, die statt Sitzbänken an manchen Orten aufgestellt wurden, damit sich niemand hinlegen kann. Es ist eines der typischen Muster, das immer wieder verwendet wird, um Zielgruppen zu vertreiben. Wobei es wenige Studien darüber gibt, wie effektiv das wirklich ist.