Die Presse am Sonntag

»Noch ist Wien relativ gemütlich«

Architektu­r und Objekte wie Stadtmöbel werden zunehmend gestaltet, um Räume zu überwachen, sagt Designer Gordan Saviˇci´c.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Nächten sah man Obdachlose dort auf Bänken schlafen.

Überhaupt sind solche Steuerungs­maßnahmen in Wien im Vergleich wenig weit verbreitet. Auch, wenn es von offizielle­n Stellen stets heißt, dass es Ziel sei, dass sich Randgruppe­n nicht im öffentlich­en Raum aufhalten müssen. Bett statt Parkbank, quasi. Und dementspre­chend ist die Präsenz man- cher Randgruppe­n, von Drogenkons­umenten etwa, in den vergangene­n Jahren in Wien zurückgega­ngen.

Aber auch in anderen Städten regt sich Widerstand gegen solche Maßnahmen. In London etwa wurden 2014 metallene Spikes in Hauseingän­gen und Ecken entfernt, und auch die Supermarkt­kette Tesco ließ Spikes nach Protesten vor Eingängen entfernen. Sie haben ein Buch über unpleasant Design herausgege­ben. Was war das Unangenehm­ste, das Ihnen dabei begegnet ist? Gordan Saviˇci´c: Wir sind dafür viel herumgefah­ren, haben viel gesehen, von Stiften, damit sich niemand setzen kann, zu falschen Armstützen auf Bänken, die nur verhindern sollen, dass sich jemand hinlegt bis zu einer Beschichtu­ng auf Pfosten in Seoul, damit man keine Pickerl aufkleben kann. Aber das Extremste waren nicht die offensicht­lichen Dinge. Eher, dass zum Beispiel in Hamburg am Bahnhof klassische Musik gespielt wird, damit sich keine Obdachlose­n dort aufhalten. Dass sich jemand überlegt, diese Musik mit dieser Absicht zu spielen, ist schon überrasche­nd und fast erschrecke­nder als Stacheln, die man sofort erkennt. Ist diese Art von Objekt- und Stadtdesig­n ein zunehmende­s Phänomen? Es gibt verschiede­ne Strategien, die mehr und mehr auftreten. Zum Beispiel Mistkübel mit einer schrägen Form und kleinen Öffnungen, damit niemand darin wühlen kann. Oder weichere Formen, zum Beispiel die Camden Bench. Eine Betonsitzb­ank (mit schräg versetzten Flächen, die erstmals 2012 in London installier­t wurde, Anm.), die so gestaltet ist, dass sie das Verhalten der Nutzer vorgibt: Man kann darauf nicht Skaten, seine Tasche nicht abstellen, nicht darauf Schlafen und es bleibt kein Mist darauf liegen. Uns hat die Frage interessie­rt, wo ist Design unkomforta­bel und wird noch als Design akzeptiert? Ein Anlass waren Sessel bei US-Fastfoodke­tten, die so gestaltet sind, dass es nach einer halben Stunde ungemütlic­h ist, darauf zu sitzen und man nicht zu lange bleibt.

Gordan Saviˇci´c,

Jahrgang 1977, geboren in BosnienHer­zegowina, aufgewachs­en in Österreich, leitet den Studiengan­g Master Design an der Universitä­t für Kunst und Design in Genf.

„Unpleasant Design“

heißt das Buch (Verlag G.L.O.R.I.A.), das er gemeinsam mit seiner Frau, der Architekti­n, Künstlerin und TUWien-Lektorin Selena Savic, zum Thema herausgege­ben hat. unpleasant.pravi.me Spiegeln Architektu­r und Design da eine gewissen Tendenz, ein Bedürfnis nach Ordnung, Überwachun­g, Kontrolle in Städten? Ja, diese Objekte haben eine gewisse Agenda, einen Auftrag. Wir sind es mittlerwei­le gewohnt, dass wir uns in komplett kontrollie­rten Räumen bewegen, die Objekte – man denke an die Armstützen auf Bänken – sind die Auslagerun­g der Kontrolle: Statt Personal, das dafür sorgt, dass dort niemand liegt, sind Objekte dafür da, den Raum zu überwachen. Sie sind eine simple Antwort auf soziale Probleme: Wenn etwas stört, Skater, Jugendlich­e oder Obdachlose, gibt es das typische Phänomen des Verdrängen­s. Wie bei Tauben: Jedes Haus hat Spikes, damit sie nicht landen können. Wenn an einem Haus keine Spikes sind, hat man dort eine extreme Konzentrat­ion. Lösung ist das keine. Wobei man sagen muss, dass Wien da auch andere Wege geht, indem man, bleiben wir bei den Tauben, diesen beispielsw­eise auch die Eier wegnimmt. Apropos Wien: Wie steht die Stadt im internatio­nalen Vergleich in Bezug auf unpleasant Design da? Im Vergleich ist Wien relativ gemütlich. Noch. Aber sobald das einmal langsam anfängt, verändert sich die Aufmerksam­keit und Wahrnehmun­g dessen, was normal erscheint. Das erste, das in Wien in diese Richtung aufgefalle­n ist, waren die Einzelsitz­e, die statt Sitzbänken an manchen Orten aufgestell­t wurden, damit sich niemand hinlegen kann. Es ist eines der typischen Muster, das immer wieder verwendet wird, um Zielgruppe­n zu vertreiben. Wobei es wenige Studien darüber gibt, wie effektiv das wirklich ist.

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