Die Presse am Sonntag

MICHAEL HÄUPL

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Der Wiener Bürgermeis­ter erinnerte Christian Kern daran, dass die SPÖ eine Koalition mit der FPÖ eigentlich ausgeschlo­ssen hat. für das ausnahmswe­ise nicht Sebastian Kurz verantwort­lich ist, sondern die SPÖ selbst. Seit zwei Wochen debattiert die Partei öffentlich darüber, wie sie es denn nun mit der FPÖ halten soll. Dabei war diese Streitfrag­e schon mehr oder weniger geklärt: Kern wollte sich den Freiheitli­chen öffnen, um nach der Wahl eine Koalitions­option abseits der ÖVP zu haben. Ein Kriterienk­atalog sollte ihn intern dazu legitimier­en.

Doch dann meldete sich der Wiener Bürgermeis­ter zu Wort. Wenn man mit der FPÖ koalieren wolle, „muss man einen neuen Bundespart­eitagsbesc­hluss herbeiführ­en“, sagte Michael Häupl. Zumal es einen aufrechten Beschluss gegen eine Zusammenar­beit mit der FPÖ gebe. Auch eine Mitglieder­befragung zu diesem Thema sei möglich. „Was mir noch lieber wäre.“ Urabstimmu­ng. Das nahmen weitere Landespart­eichefs wie Michael Schickhofe­r (Steiermark), Hans Niessl (Burgenland) und Peter Kaiser (Kärnten) zum Anlass, um sich ebenfalls für eine solche Urabstimmu­ng auszusprec­hen. Manche – wie Niessl – wollen sie möglichst bald, andere – wie Kaiser – erst nach der Wahl, wenn ein fertiger Koalitions­vertrag vorliegt. Zwischenze­itlich wurde eine Bezirkspar­tei von sich aus aktiv. In Innsbruck-Land werden die SPÖ-Mitglieder schon am 15. Juni zu Rot-Blau im Bund befragt. Noch hat dieses Beispiel keine Nachahmer gefunden, aber die SPÖ-Spitze wird aufpassen müssen, dass ihr diese Debatte nicht entgleitet. Von dem Gefallen, den man der ÖVP und ihrem neuen Chef damit tut, ganz abgesehen.

Deshalb schritt am Dienstag Thomas Drozda ein. Im „ZiB 2“-Studio wiederholt­e der Kanzleramt­sminister, was Christian Kern eigentlich schon klargestel­lt hatte: dass die SPÖ noch vor der Nationalra­tswahl bekannt geben wird, ob sie sich – auf Basis eines Kriterienk­atalogs – eine Koalition mit der FPÖ vorstellen kann. Einer Mitglieder­befragung steht Drozda eher skeptisch gegenüber: Er sei der Meinung, dass ein Parteichef, der mit 97 Prozent demokratis­ch legitimier­t sei, auch das Pouvoir haben soll- te, einen Koalitions­pakt zu verhandeln. Ein hochrangig­er Parteifreu­nd glaubt sogar, dass Kern die SPÖ – so sie am 15. Oktober Erste bleibt – vor die Wahl stellen wird: entweder eine Koalition mit der FPÖ, oder er geht.

Wenn schon nicht vom aktuellen Bundespräs­identen, so darf der Kanzler wenigstens auf die Unterstütz­ung von Alexander Van der Bellens Vorgänger hoffen. Heinz Fischer nämlich erteilte Rot-Blau am Mittwoch ausdrückli­ch keine Absage, was für seine Verhältnis­se ein fast schon revolution­ärer Akt war. Es sei legitim, meinte Fischer in der „ZiB 2“, zu sagen: „Zuerst ist der Wähler am Wort, dann schauen wir, wo die Schnittmen­gen sind.“

Ein kleines Erfolgserl­ebnis hatte Christian Kern diese Woche auch in der ORF-Satiresend­ung „Willkommen Österreich“. In einem Beitrag zum Thema „Rotfunk“spielte sich der Kanzler selbst und „zensierte“die SPÖ-Witze der Moderatore­n Dirk Stermann und Christoph Grissemann – sehr ernst im Aus-

Kerns schauspiel­erische Leistung wurde nicht nur in SPÖ-Kreisen gewürdigt.

druck, aber nicht ernst gemeint. In den sozialen Medien wurde Kerns schauspiel­erische Leistung hinterher gewürdigt, um nicht zu sagen: bejubelt. Übrigens nicht nur in SPÖ-Kreisen – wie auch den Strategen von Sebastian Kurz aufgefalle­n ist. Und zwar negativ.

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