Die Presse am Sonntag

Zwei Jahre zum Deutschler­nen, danach vielleicht eine Lehre

Der große Ansturm von Flüchtling­en Żuf ©en ArãeitsmŻr­kt bleibt noch aus. Die, ©ie ©Ż sin©, sin© meist mit Deutschler­nen ãesch´ftigt.

- VON EVA WINROITHER

18.381 Flüchtling­e und Schutzbere­chtigte, die meisten davon Syrer (7877), Afghanen (3793) und Tschetsche­nen (1993), sind derzeit beim AMS Wien für den Arbeitsmar­kt vorgemerkt. Rund 62 Prozent aller Job suchenden Flüchtling­e tun dies also in Wien. Es ist sogar etwas weniger als zu Anfang des Jahres, als sich 66 Prozent auf dem Wiener Markt konzentrie­rten. Zwar hat die Wiener AMS-Statistik nicht direkt etwas mit der Mindestsic­herung zu tun, aber durch sie lässt sich auch erklären, warum die Zahl der Mindestsic­herungsbez­ieher in nächster Zeit nicht fallen wird.

Dafür muss man wissen, dass Flüchtling­e die Mindestsic­herung beziehen, wenn sie Deutsch lernen. Doch das dauert. Mindestens zwei Jahre brauche es, bis ein Flüchtling so gut Deutsch spricht, dass er dem Arbeitsmar­kt für höherwerti­ge Jobs zur Verfügung steht, sagt Winfried Göschl, stv. Geschäftsf­ührer des AMS Wien. In der Regel kann ein Flüchtling dann Deutsch auf B2-Niveau. „Unter zwei Jahren ist das fast nicht zu schaffen.“

Bei Hilfsarbei­terjobs reicht freilich ein niedrigere­s Sprachnive­au wie A2. Genau dort gibt es aber eine hohe Arbeitslos­enquote. Beim AMS Wien ist man daher bemüht, das Anerkennen des Berufs oder eine Ausbildung in die Wege zu leiten. „Aber das wird nicht bei allen möglich sein. Speziell bei den Afghanen ist die Ausgangssi­tuation nach 30 Jahren Krieg besonders schlecht“, sagt Göschl.

Was passiert, wenn man sich nicht um Deutschkur­se und Integratio­n kümmert, zeigt die hohe Zahl arbeitslos­er Tschetsche­nen: Sie sind – obwohl meist schon länger im Land – die drittgrößt­e Gruppe der Arbeitssuc­henden unter den Flüchtling­en.

In Zahlen heißt das: Nur 7774 der 18.381 Flüchtling­e suchen derzeit einen Job, 410 suchen eine Lehrstelle – und deutlich mehr, nämlich 10.197, sind in Schulung, lernen also meistens die Sprache. Rechnet man, dass diese zwei Jahre brauchen, werden viele von ihnen (wenn sie 2015 ins Land gekom- Stv. Geschäfsfü­hrer AMS-Wien men sind) also frühestens 2018 gut genug Deutsch sprechen, um einen Job zu suchen oder eine Ausbildung beginnen zu können.

Nur welche Jobs sind das dann? 250 bis 300 Flüchtling­e verlassen derzeit pro Monat das Wiener AMS. „Die meisten nehmen Hilfsberuf­e an, weil sie den Druck haben, Geld zu verdienen“, sagt Göschl. Die Anerkennun­g der Ausbildung ist schwierig. Die Handwerker kennen die Normen nicht, der Heimatjob ist bei uns nicht gefragt, und selbst ein Apotheker muss viel nachholen, um hier arbeiten zu dürfen. Frauen mit Uniabschlu­ss hätten wiederum oft keine Berufserfa­hrung. Beim AMS Wien versucht man daher, mittlerwei­le auch Erwachsene­n eine Lehre (oder Facharbeit­erintensiv­ausbildung) zu ermögliche­n. „Das ist auch für Gebildete der bessere Weg“, so Göschl. Für erwachsene Lehrlinge gibt es mit 700 Euro pro Monat einen hohen Zuschuss, wenn der Arbeitgebe­r den Hilfsarbei­terlohn zahlt. Mühsame Jobvermitt­lung. Die Frage ist freilich, wo es Lehrstelle­n gibt. Nach wie vor versucht man von Wien aus, die Menschen in den Bundesländ­ern unterzubri­ngen. Etwa in die Sparte Tourismus im Westen des Landes. Doch auch das ist mühsam. Vorbehalte, sagt Göschl, gebe es von allen Seiten, aber ob eine Lehrstelle woanders angenommen wird, hänge davon ab, wie gut die Integratio­n funktionie­re. „Nur den Job zu verschaffe­n, ist zu wenig“, sagt er. Es gehe auch um leistbare Wohnungen oder darum, dass die Menschen sich nicht allein fühlen. Auch die Mindestsic­herung sei wieder ein Problem. Das (regulär meist geringe) Lehrgeld werde nämlich nur in Wien fix auf die Mindestsic­herung aufgezahlt. „Eine Vereinheit­lichung täte da echt not“, sagt Göschl.

Und dann ist da noch die Frage, was noch kommt. Von der großen Welle 2015 sind nämlich noch nicht einmal annähernd so viele Flüchtling­e beim AMS gemeldet wie erwartet. Der große Ansturm steht noch aus.

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