Zu schön, um wahr zu sein
In der Diskussion um Hartz IV spielt auch das Grundeinkommen eine Rolle. Es wird von seinen Befürwortern als Lösung vieler Probleme gesehen. OECD-Ökonomen sind da skeptischer.
Eine Studie kann manchmal ganz schön viel Staub aufwirbeln. Vor allem dann, wenn der Auftraggeber das Finanzministerium und das zu untersuchende Thema die Auswirkungen der Einführung von Hartz IV in Österreich sind. In der vergangenen Woche wurde jedenfalls viel über die Unterschiede des deutschen Hartz-IV-Systems auf der einen sowie der heimischen Notstandshilfe und Mindestsicherung auf der anderen Seit diskutiert. Auch wenn die Auftraggeber der Studie aus dem Finanzministerium von Anfang an beteuerten, dass es gar keine konkrete Pläne für die Einführung eines HartzIV-Äquivalents in Österreich gäbe.
Im Rahmen der Diskussion öfters gefallen ist dabei der Begriff „Grundeinkommen“. So hieß es von Seiten der ÖVP zuletzt etwa mehrmals, die Mindestsicherung dürfe kein bedingungsloses Grundeinkommen werden. Sie müsse eine staatliche Hilfe zur Überbrückung schwieriger Zeiten bleiben. Im grundsätzlichen Ansatz sind staatliche Basis-Sozialleistungen wie Mindestsicherung oder Hartz IV aber natürlich einem Grundeinkommen ähnlich; allerdings mit zwei entscheidenden Unterschieden. Denn das bedingungslose Grundeinkommen soll laut seinen Befürwortern deutlich höher bemessen und nicht mit der Pflicht verbunden sein, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Spinnerei? Für die meisten Steuerzahler dürfte die Idee, dass der Staat ohne jedwede Gegenleistung hohe Geldbeträge an seine Bürger auszahlen soll, wie eine schlichte Spinnerei wirken. Dennoch wird das Thema inzwischen in vielen Ländern breit diskutiert. Und dabei schalten sich neben – meist linken – „Weltverbesserern“auch renommierte Ökonomen in die Diskussion ein. Schließlich gilt ein Grundeinkommen vor allem in den USA eigentlich als liberale Idee, weil es die Allmacht staatlicher Sozialbehörden zurückdrängen würde, die über das tägliche Leben – und somit die Freiheit – ärmerer Bevölkerungsgruppen entscheiden.
Hinzu kommt, dass das absehbare Verschwinden Tausender Jobs auf- grund von Digitalisierung und Automatisierung die Arbeitsmärkte langfristig vor das Problem stellen könnte, dass es für einen substanziellen Teil der Bevölkerung schlicht keine Erwerbsarbeit mehr gibt. Bedeutet dies für den Einzelnen auch den Absturz in die komplette Armut, wäre das ein demokratiepolitisches Pulverfass.
Es gibt also durchaus vernünftige Gründe, über ein Grundeinkommen zu diskutieren. Dennoch gibt es nach wie vor einen gewichtigen Grund, der strikt dagegen spricht: die Finanzierung. Ein Thema, um das sich auch die Befürworter des Grundeinkommens regelmäßig herumschwindeln. So heißt es etwa in dem „Manifest“jener Schweizer Initiative, die im Vorjahr eine – gescheiterte – Volksabstimmung über ein Grundeinkommen von 2500 Franken (2300 Euro) veranlasste, zur Finanzierung lediglich: „Dass sich das Grundeinkommen nicht finanzieren ließe, beruht auf einem Missverständnis. Es führt nicht dazu, dass wir mehr Geld auf dem Konto haben, sondern dazu, dass sich das Geld auf dem Konto anders zusammensetzt.“Eine konkrete Finanzierungsberechnung sieht anders aus.
Aufgrund dieser vielen Fragezeichen hat sich nun auch die OECD des Themas angenommen. In einer jüngst veröffentlichten Studie haben sich die Ökonomen der Industrieländer-Organisation durchgerechnet, wie hoch ein Grundeinkommen ausfallen könnte, wenn es für den Staat budgetneutral sein soll. Die Annahme war dabei, dass sämtliche bisher vorhandene Sozialleistungen (bis auf Alterspensionen) gestrichen und die finanziellen Mittel stattdessen in das Grundeinkommen fließen. Zudem würden sämtliche Freiund Absetzbeträge bei der Lohnsteuer und auch sämtliche Progressionsstufen mit einem Steuersatz von null Prozent gestrichen werden. Das Grundeinkommen würde in der Folge an alle Staatsbürger im erwerbsfähigen Alter – egal
Franken (2300)
forderte eine im Vorjahr gescheiterte Schweizer Initiative als Grundeinkommen. Ihrer Meinung nach könnte sich das für den Staat durch Umschichtung als Nullsummenspiel ausgehen.
Euro
gehen sich laut Berechnungen der OECD in einem Land wie Finnland jedoch maximal aus, wenn das Grundeinkommen budgetneutral sein soll. In Frankreich, Italien oder Großbritannien wäre es noch geringer. wie viel sie verdienen – sowie in reduzierter Form an Kinder ausbezahlt werden. Es müsste von den Erwachsenen aber anhand ihres jeweiligen Grenzsteuersatzes voll versteuert werden.
Obwohl so relativ viel Geld zusammenkommt, bleibt bei einer Verteilung auf alle Bürger nicht viel übrig. Die OECD hat die Berechnungen für vier konkrete Länder durchgespielt. So würde Finnland ein Einkommen von 527, Frankreich von 456 und Italien von 158 Euro sowie Großbritannien eines von 230 Pfund zahlen können. In keinem Land wäre damit auch nur annähernd die Armutsschwelle erreicht, die zwischen 702 Pfund in Großbritannien und 1074 Euro in Finnland beträgt.
Hinzu kommt, dass das Grundeinkommen wie eine Gießkanne wirkt, anstatt nach spezifischer Bedürftigkeit zu differenzieren. Laut OECD würde es dadurch Gewinner und Verlierer geben. Weitgehend unverändert wäre die Situation für Singles – egal, ob sie arm oder reich sind. Bei Ersteren ersetzt das Grundeinkommen den Wegfall von Sozialleistungen, bei Zweiteren den Wegfall von Steuerbefreiungen.
Die Befürworter schwindeln sich um das Thema Finanzierung herum.
Mittelschicht gewinnt. Zu den Gewinnern würden in der Regel Mittelschicht-Familien zählen, die zu wenig für große Steuerbefreiungen verdienen aber zu viel, um derzeit Sozialleistungen zu erhalten. Auch ärmere Paare ohne Kinder könnten zugewinnen, weil das Grundeinkommen nicht auf die ökonomischen Vorteile von Lebensgemeinschaften Rücksicht nimmt, so die OECD. Dadurch ergäbe sich auch die Gruppe der Verlierer. Hier wären vor allem Alleinerziehende betroffen, denen durch spezifische Sozialleistungen in den bestehenden Systemen meist besser geholfen wird.
Und was bedeutet das nun für die Armut in Summe? Nichts Gutes, so die OECD. Da die Gewinner zum Teil in höheren und die Verlierer zum Teil in den niedrigsten Einkommensschichten zu finden sind, würde die „gesamte Armutsquote signifikant steigen“, wenn es in dem Land derzeit ein sehr gezielt wirkendes Sozialsystem gibt. Statt einer Lösung würde das Grundeinkommen also wohl noch mehr Probleme schaffen.