Im kunterbunten Puppenladen
In ihrem Geschäft Die Puppenmacherin im siebenten Bezirk verkauft Carolina Gorriz de la Calle selbstgenähte (Kummer-)Puppen und Anderes aus Stoff. Was ihre Produkte eint: Jedes ist ein Unikat. Und alle sind sehr farbenfroh.
Vor etwas mehr als einem Jahr noch wurde hier, man kann es sich heute kaum noch vorstellen, in einem gesetzten Ambiente mit dunkelrot gestrichenen Wänden Wein getrunken. Dann kam Carolina Gorriz de la Calle, betrat das damals schon leer stehende Weinlokal in der Schottenfeldgasse und wusste: „Das ist ein Gute-Laune-Raum.“
Wenn man ihn ein wenig verändert. Oder eher: Ganz verwandelt. Also stieg die Spanierin trotz Höhenangst auf eine Leiter und malte ihr Geschäftslokal bis an die Decke hinauf bunt aus: Hellblauer Himmel, Wolken, eine riesige Giraffe und ein lila Elefant. Noch viel bunter und fröhlicher wurde das Geschäft dann aber, als sie ihre Waren in die Regale schlichtete und auf die Verkaufstische stellte.
Denn Gorriz verkauft in ihrem Laden, der sich „Die Puppenmacherin“nennt, Tiere, Puppen und Monster aus Stoff. Die Augen sind Knöpfe, der Mund ist vielfach ein Reißverschluss, den man öffnen kann, um darin einen Zettel mit seinen Sorgen zu verstecken – auf dass die echten Sorgen ebenso verschwinden mögen. Die Idee ist nicht neu: Die „Sorgenfresserchen“gibt es auch in einer Mainstream-Variante von der deutschen Firma Schmidt Spiele.
Gorriz fand diese aber so farblos und bleich – und wollte selbst ausprobieren, ob sie nicht ein farbenfrohes, bunteres Sorgenfresserchen gestalten könnte. „Aus einem wurden zwei, dann drei und plötzlich war ich bei 100“, erzählt sie. Hatten die ersten paar noch Namen wie Roberto oder Rodrigo, sind es mittlerweile zu viele, um jedem einen eigenen Namen zu geben.
Vor etwas mehr als einem Jahr eröffnete sie ihr Geschäft in dem es seither Dutzende dieser Kummerpüppchen aus Stoff (wobei kaum eine optisch einer herkömmlichen Puppe ähnelt) gibt: Von klein bis sehr groß, als Brautpaar (ein beliebtes Geschenk zur Hochzeit), manche haben kleine Stoffhörner, andere vampirartige Zähne. Einer besteht aus einem Stoff mit Hun- den darauf (unten) und roten Punkten (oben), einige haben kurze Ärmchen, viele sehr lange Beine. Und was alle eint: Sie sind sehr farbenfroh. Zeit nehmen. Sich da zu entscheiden, ist gar nicht so leicht. Die Kunden, die zu ihr kommen, würden sich aber auch die Zeit nehmen, sagt Gorriz, das schätze sie auch an dieser Gegend (das Geschäft liegt ums Eck von der Lerchenfelder Straße): Kunden – darunter, nona, viele Kinder – die es anders als etwa in der Inneren Stadt mit ihren vielen Touristen – nicht eilig haben, sich in Ruhe umsehen und auch mit Gorriz ins Gespräch kommen. In einer typischerweise von Touristen frequentierten Einkaufsstraße wäre das, glaubt Gorriz, wahrscheinlich nicht möglich.
Neben den Kummerpuppen – die es auch in Rucksackform gibt, was auf die Idee einiger Kunden zurückgeht – gestaltet und näht Gorriz auch Smartphone-Hüllen aus Stoff oder Tragetaschen. Genäht werden die Puppen allesamt im Geschäft selbst – das auch gleichzeitig ihre Werkstatt ist: Auf einem großen Schreibtisch aus Holz stapeln sich unterschiedliche Stoffe, daneben steht die Nähmaschine, dahinter ein Bügelbrett.
Und beim großen Auslagenfenster: Die Staffelei. Denn die Spanierin, die vor einigen Jahren von Madrid nach Wien übersiedeln ist („Wegen eines Mannes, warum sonst?“), ist auch als Malerin tätig – ihre Bilder hängen ebenfalls zum Kauf im Geschäft.
Gefüllt werden die Stofftiere und -puppen mit einer Kissenfüllung aus Polyester. Die Stoffe wählt Gorriz sorgfältig aus – nicht nur nach Mustern und Farben, sondern auch nach der Qualität: „Das sind keine Stoffreste, die ich da verarbeite, sondern genau ausgesuchte Stoffe.“Alle von ihr verwendeten Stoffe bestehen zu 100 Prozent aus Baumwolle, die meisten Waren sind in der Waschmaschine waschbar, sofern sie nicht mit Pailletten oder Ähnlichem versehen wurden.
Wobei, erzählt sie, es gar nicht so leicht ist, in Wien passende Stoffe zu finden. „Da kenne ich vielleicht zwei gute Geschäfte“, sagt sie. „In Madrid fallen mir allein in der Altstadt zehn Geschäfte ein, in denen ich gute Stoffe bekomme.“Aus Madrid, aber auch von anderen Reisen – eben ist sie nach London gefahren – bringt die studierte Modedesignerin auch immer wieder Stoffe mit – allerdings stets nur in kleinen Mengen, was die Sache nicht unbedingt billiger macht: „Gute Stoffe sind teuer, vor allem, wenn man sie in kleinen Mengen kauft.“Ein halber Meter, oder maximal zwei Meter Stoff: Viele Puppen gehen sich damit nicht aus. So ist auch jedes ihrer Produkte ein Unikat. Immer wieder kommen auch Kinder vorbei, die selbst am Zeichenblock bunte Sorgenfresser oder andere Stofftiere entworfen haben. Gorriz setzt dann diese Entwürfe in die Realität um. Viele Details. An jedem ihrer Tierchen und Püppchen näht die Spanierin an die drei Stunden und länger. „Gerade bei den größeren Figuren versuche ich, möglichst viele Details einzuarbeiten, das ist dann etwas zeitaufwendiger.“Je nach Größe kosten die Puppen zwischen 25 und 50 Euro, die bunten Handyhüllen gibt es um 20 Euro. Gorriz hat auch einen Webshop. Da aber alle Produkte Einzelstücke sind, sei dieser schwer zu betreiben – und umfasst nur einen kleinen Teil des Sortiments.
Erhältlich sind ihre Püppchen derzeit sonst nur in ihrem Geschäft – die Spanierin würde zwar gern ihre Waren auch in anderen Läden in Kommission geben, „ich komme aber mit dem Nähen nicht nach“. Zweimal im Jahr, in der Advents- und der Osterzeit ist sie mit ihrer Ware beim Oster- und Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Schönbrunn präsent. Jede der Kummerpuppen (li.) ist ein Einzelstück. Die Stoffe (Mitte) kauft sie in kleinen Mengen, Gorriz fertigt aber auch bunte Handyhüllen (re.)
Nach Jahren in Madrid, wo sie nach dem Studium auch als Kostümbildnerin an Theatern tätig war, schätzt Gorriz mittlerweile ihr Leben in Wien – auch aus beruflicher Sicht. „Ich glaube, es ist derzeit in Wien einfacher, Handwerk zu machen als in Spanien“, sagt sie. „Hier legen viele Leute Wert auf bio, auf Handgemachtes, auf Unikate, das alles wird gerade sehr geschätzt.“
In Spanien, glaubt sie, wäre es nicht so einfach, sich mit Waren wie ihren in einem kleinen Laden selbststän-
Die Stoffe wählt Gorriz de la Calle sorgsam aus. Sie kauft stets nur eine kleine Menge. In Wien, sagt die Spanierin, werde das Handwerk generell sehr geschätzt.
dig zu machen. „Das müssten dort eher Massenprodukte sein.“Das Nähen generell sei in Spanien eher in Vergessenheit geraten. „Ich habe den Eindruck, dass diese Tradition in Spanien ein bisschen verloren gegangen ist. In Wien höre ich oft von Kundinnen, dass sie auch nähen. Das würde in Spanien nicht passieren, glaube ich.“ Nonnenschule. Kreativ war Gorriz schon als Kind: Mit vier Jahren bemalte sie zur großen Freude ihrer Eltern das Sofa im Wohnzimmer. „Mit acht Jahren wollte ich Nonne werden, weil ich auf einer Nonnenschule war. Mit neun Jahren wollte ich Modedesignerin werden. Dabei bin ich dann geblieben. Es ist ein großes Glück, dass ich beruflich das machen kann, was mir gefällt.“