Wort der Woche
BEGRIFFE DER WISSENSCHAFT
Die Natur weist manchen allgegenwärtigen Molekülen eine Rolle als Info-Chemikalien zu: Mikroorganismen, Pflanzen und auch viele Tiere nutzen sie zur Kommunikation.
Leben ist ohne Kommunikation undenkbar. Wir Menschen nutzen vor allem unseren Hör- und Sehsinn. Bei Mikroorganismen, Pflanzen und vielen Tieren spielen chemische Signale die Hauptrolle: Über Botenstoffe steuern Pflanzen die Richtung, in die ein Stängel wächst, Bienen erkennen einander am Geruch, und eine Paradeiserstaude, die von einem Schädling angeknabbert wird, lockt mit chemischen Signalen Nützlinge an. Dafür sind meist sehr kompliziert gebaute Botenstoffe verantwortlich, die artspezifisch bestimmte Reaktionen auslösen.
Daneben gibt es aber auch eine Reihe von einfach gebauten Molekülen, die in der Natur allgegenwärtig sind und bei vielen Arten als Info-Chemikalien fungieren. Ethylen bewirkt beispielsweise die Ausreifung von Früchten, Stickstoffmonoxid reguliert den Zellstoffwechsel, ist an Abwehrreaktionen beteiligt – und auch an der durchblutungssteigernden Wirkung von Potenzmitteln. All diese kleinen bioaktiven Moleküle haben noch viele anderen Rollen in den der Natur: So ist Stickstoffmonoxid ein wichtiges Glied im natürlichen Stickstoffkreislauf.
Der Tausendsassa unter den kleinen Biomolekülen heißt Dimethylsulfid (DMS). Diese Substanz wird in sehr großen Mengen von Algen gebildet: Diese regeln durch eine eng mit DMS verwandte Verbindung den osmotischen Druck in ihrem Inneren, um dem Salzwasser standhalten zu können. Wenn Algen gefressen werden, wird DMS freigesetzt, das bei der Abwehr der Fressfeinde hilft. DMS gelangt so ins Wasser und in die Luft, es ist am typischen Geruch des Meeres beteiligt. In der Atmosphäre wird DMS zu Schwefelsäure umgewandelt, die Kondensationskeime bildet und damit eine Rolle bei der Entstehung von Wolken spielt. DMS ist ein wichtiger Klimaregulator – und überdies ein Informationsträger: Es lockt z. B. Seevögel und Pinguine an und steuert das Fressverhalten mancher Fischarten. Forscher aus Miami haben nun eine weitere spannende Funktion entdeckt: Larven von riffbewohnenden Fischen, die immer wieder von Wind und Wellen abgetrieben werden, schwimmen stets in Richtung höhere DMS-Konzentration. Da das Wasser bei Riffen mehr DMS enthält, finden die jungen Fische immer wieder in ihren sicheren Lebensraum zurück (Scientific Reports, 31. 5.).
Man staunt, wie da eines ins andere greift – wie die Natur chemischen Bausteinen viele aufeinander abgestimmte Rollen zuweist, damit das System als Ganzes funktioniert. Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.