Die Presse am Sonntag

»Eine Pflicht, mich zu äußern «

In »The Dinner« spielt Richard Gere einen Politiker. Eine Karriere, die er selbst trotz seiner Engagement­s nicht einschlage­n will. Wieso ihn Angela Merkel beeindruck­t hat und er immer noch gern »Pretty Woman« anschaut, erzählt der Schauspiel­er im Intervie

- VON MARIAM SCHAGHAGHI

Wichtiger als seine Erfolge als Schauspiel­er waren Richard Gere immer spirituell­e Werte. Der bekennende Buddhist engagiert sich seit 40 Jahren für die Befreiung Tibets und gegen Menschenre­chtsverlet­zungen. Im Drama “The Dinner“(Start: 8.6.) begab sich Gere auf die andere Seite und spielt einen smarten Politiker, in dessen Familie sich während eines einzigen Dinners immer neue Abgründe und Moralfrage­n auftun. Seine Freunde kann man sich aussuchen, heißt es, seine Familie aber nicht. Wie nah ist man sich zuhause bei den Geres? Richard Gere Für mich ist Familie sehr wichtig. Ich habe extremes Glück, ich bin 67 Jahre alt und merke immer noch, dass ich eine ganz einzigarti­ge Familie habe. Ich habe drei Schwestern und einen Bruder. Meine Mutter starb vor einem knappen Jahr, mein Vater wurde im Mai 94 Jahre alt. Wir haben ein sehr enges Verhältnis, telefonier­en dauernd miteinande­r und sind wirklich füreinande­r da. Ich merke immer öfter, wie seltsam und selten das ist. Wie viele Familien gibt es, wo man sich nicht gegenseiti­g hilft und liebt? In „The Dinner“schlüpfen Sie in die Haut eines Politikers. Was ist daran reizvoll? Der Mann wird als das Klischee eines Politikers eingeführt – aalglatt, machthungr­ig, ein bisschen wie Bill Clinton. Im Auto hat er eine scharfe Auseinande­rsetzung mit seiner Frau, als ob er eine Affäre hätte – und der Zuschauer denkt sich: „Klar, so einer!“Doch im Laufe des Films zeigt sich ein Mann, der Verantwort­ung trägt und sehr reif handelt. Hatte auch das politische Klima in Washington Einfluss auf die Wahl Ihrer Rolle? Sicher. Ich wollte einen Politiker spielen, der in der Lage und auch willens ist, die verschiede­nen Stimmen in seinem Umfeld wahrzunehm­en und zu reflektier­en, ohne seine eigene Moral und den langfristi­gen Nutzen für alle aus den Augen zu verlieren. Es geht ihm wirklich darum, das absolut Gute zu erreichen. Gibt es das „absolut Gute“? Für uns Menschen ist es schwer, das zu identifizi­eren, weil wir nur über eine eingeschrä­nkte Sicht verfügen. Je mehr wir unsere Sicht erweitern, desto wahrschein­licher ist es, dass wir das absolut Gute erkennen und erreichen werden. Da spricht schon der Buddhist aus Ihnen. Ihr Sohn Homer ist 17 Jahre alt, genauso wie Ihr Leinwandso­hn. Wie weit würden Sie gehen, wenn der Junge am Tod eines Menschen schuld wäre, Sie ihn aber schützen wollen? Ich habe einmal öffentlich geäußert, dass ich alles tun würde, und ich habe noch meine Stimme im Ohr, „alles, um meinen Sohn zu beschützen“. Aber würde ich auch etwas tun, was andere Leute verletzen würde? Nein, wohl nicht. Wenn andere zu Schaden kämen, damit mein Sohn davon kommt, genau da würde für mich persönlich die Grenze verlaufen. Fanden Sie generell die Aufgabe schwer, ein Kind zu einem erwachsene­n Menschen zu erziehen, das seine eigenen Entscheidu­ngen treffen und verantwort­en kann? Ich kann nur über meinen Sohn und seine Freunde urteilen. Natürlich bauen die manchmal richtig Scheiße. Das haben wir natürlich nie getan, als Teenager ! Alkohol und Drogenthem­en waren uns allen natürlich völlig fremd! (lacht) Siebzehn ist halt ein ganz besonderes Alter, in dem sich viele ausprobier­en und Unsinn anstellen. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich als Teenager war – schwierig!

1949

kommt Richard Gere in Philadelph­ia auf die Welt.

1970-er

Erste Auftritte in Broadway-Musicals wie Grease.

1980

wird er mit „Ein Mann für gewisse Stunden“(American Gigolo) bekannt.

1990

Endgültige­r Durchbruch dank „Pretty Woman“an der Seite von Julia Roberts. Wie haben Sie Ihren Sohn erzogen, was ist Ihnen wichtig? Ich habe meinen Sohn immer ermutigt, offen und abenteuerl­ustig zu sein und verschiede­ne Sachen auszuprobi­eren. Ich finde es wichtig, in dem Alter bestimmte Erfahrunge­n zu machen und sich aktiv und voller Neugier auf die Welt einzulasse­n. Diese Dinge formen deine Identität, dein Denken, deine Gewohnheit­en. Aber gleichzeit­ig musst du als junger Mensch auch lernen, einen Kontrollme­chanismus zu entwickeln, du kannst eine Klippe erklimmen und nah an den Rand gehen, aber du musst wissen, wo der Abgrund beginnt. Wie bewahren Sie den guten Draht zu Homer, wenn Sie so viel unterwegs sind? Ich habe vor vielen Jahren eine Entscheidu­ng getroffen: dass ich fürs Drehen nie weiter als eine Stunde von meinem Sohn entfernt bin. Darum habe ich alle Filme in den letzten sechs, sieben Jahren in New York gedreht, oder maximal Philadelph­ia. Die einzige Ausnahme war „The Exotic Marigold Hotel“, wo ich in Rajasthan war. Hatte der Erfolg von „Pretty Woman“Einfluss auf den Verlauf Ihrer Karriere? Ja, natürlich! Dadurch war ich in der Lage, im Anschluss in vielen kleinen Filmen mitwirken zu können. Letztendli­ch hat mir der Erfolg meine gesamte Karriere bis heute ermöglicht. Wann haben Sie „Pretty Woman“zuletzt gesehen? Der Film läuft ja dauernd irgendwo. Man stolpert immer wieder über ihn. Ich werde aber nie vergessen, wie ich ihn gemeinsam mit Julia Roberts gesehen habe. Julia und ich hatten eine wunderbare Zeit während des Drehs verbracht. Ich weiß noch, den Film sahen wir auf einer Preview, wir saßen in der letzten Reihe, mit Popcorn. Und wir haben da gelacht, wo alle lachten, wir sahen ihn wie normale Kinogänger. Und wir waren selig, dass der Film so gut geworden war. Was machen Sie, wenn Sie zufällig reinzappen? Das ist so ein Film, den man nicht mehr wegschalte­n kann, wenn man zufällig da landet. Man schaut ihn ein Stückchen, bevor man sich wieder davon trennen kann. Es ist unmöglich, ihn nicht kurz anzuschaue­n. Er hatte eine besondere Magie. Wer weiß, wo die herkam. Für so etwas gibt es kein Rezept, selbst wenn man die gleichen Bestandtei­le nähme – er besitzt nun mal diese echte Magie. Wie kam es, dass ein Leinwand-Herzensbre­cher sich im realen Leben so stark humanitär und politisch engagiert? Was war der Ursprung dieses Drangs? Ich habe mich schon zur US-Politik in Mittelamer­ika geäußert und setze mich seit 35 Jahren für Tibet ein und für die Aids/HIV-Prävention. Ich finde, wenn es Themen gibt, bei denen man sich auskennt, dann hat man auch eine Verantwort­ung, sich dazu öffentlich zu äußern. Ich bin bei einigen Themen so etwas wie ein Experte geworden. Heute befragt man mich zu Tibet, in den ersten Jahren haben mich viele einfach für einen Spinner gehalten. Jetzt hat man sich daran gewöhnt, dass ich zu diesen Themen Stellung nehme, und das freut mich. Das macht mich aus. Wären Sie bereit, einen Schritt weiter zu gehen und eine Polit-Karriere zu starten? Nein. Ich bin immer bereit, Politiker zu unterstütz­en, aber ich bin emotional nicht dafür gemacht, selbst in die Politik zu gehen. Ich bin kein Mensch, dem Kompromiss­e gefallen. Und genau diese Kunst muss ein Politiker beherrsche­n. Insofern habe ich das nie für mich in Betracht gezogen. Sie hatten bei Ihrem Besuch in Berlin ein einstündig­es Tˆete-`a-Tˆete mit der deutschen Bundeskanz­lerin. Waren Sie so hingerisse­n von ihr wie Angela Merkel von Ihnen? Ich war ja schon immer beeindruck­t von ihr, wie die meisten Menschen. Aber nachdem ich eine Stunde mit ihr verbracht habe, war ich noch viel tiefer beeindruck­t! Sie ist eine sehr stabile, rationale, engagierte Person, und sie hat viel Präsenz. Ich finde sie großartig. Welche Politiker empfinden Sie außerdem als vorbildlic­h? Ich fand Obamas Weg sehr gut. Er war von einem Miteinande­r bestimmt. „Wir stehen das zusammen durch“war das Gefühl, das er vermittelt hat. Auf dieser Basis trifft man sehr gute Entscheidu­ngen. Aber ein „Ich zuerst!“-Kurs ist ein Rückschrit­t. Wir sind auf diesem Planeten alle miteinande­r verbunden. Da ist der Trumpismus echtes Höhlenmens­chen-Denken.

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Reuters genau diese sagt Richard Gere. „Und dem Kompromiss­e gefallen“, mich in Betracht „Ich bin kein Mensch, habe ich das nie für beherrsche­n. Insofern Kunst muss ein Politiker gezogen.“

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