Die Presse am Sonntag

Ein chinesisch­er Klassiker reist in den Westen

Farbenfroh und fantasiest­rotzend erzählt »Die Reise in den Westen« von Priester, Affe, Eber und Sandmönch, die miteinande­r nach dem rechten Weg suchen. Zum ersten Mal ist das legendäre Werk aus der Ming-Zeit vollständi­g übersetzt: Ein Gespräch mit der daf

- VON CLEMENTINE SKORPIL UND ANNE-CATHERINE SIMON

Den Priester Tripitaka und seine Begleiter, Affenkönig Sun Wukong, Eber Bajie und den Sandmönch, kennt in China jedes Kind. Unzählige Bücher, Comics, Videospiel­e, Filme und TV-Serien haben den Stoff des Romans „Die Reise in den Westen“aufgegriff­en. Er ist im 16. Jahrhunder­t zur Zeit der Ming-Dynastie entstanden und zählt zu den vier klassische­n Romanen Chinas. Erzählt wird darin, wie sich die vier oben erwähnten Pilger auf den langen, gefährlich­en Weg in den Westen machen, um Buddha zu huldigen und heilige Schriften zu holen: Die drei haben sich nämlich im Himmel daneben benommen und sollen sich nun auf der Erde bewähren. Dank der Schweizer Übersetzer­in Eva Lüdi Kong und dem Reclam-Verlag ist das 1300-Seiten-Werk nun zum ersten Mal deutschspr­achigen Lesern voll zugänglich. Lüdi Kong hat dafür im März den Leipziger Buchpreis für Übersetzun­g bekommen – und sprach mit der „Presse am Sonntag“. Was, meinen Sie, kann deutschspr­achige Leser von heute an dem 1300-Seiten-Werk vor allem fasziniere­n? Eva Lüdi Kong: Es ist eine Art „Universum der menschlich­en Seele“, das einen sinnvollen Weg der inneren Vervollkom­mnung schildert. Es hat Sinntiefe, die in erfrischen­de Leichtigke­it gebettet ist, detailfreu­dige Realitätsn­ähe mit tiefgehend­er Symbolik. Manche werden auch das Fantastisc­he mögen, die gigantisch­e Welt von Göttern und Dämonen, das Auf und Ab zwischen Himmel und Hölle, die Durchlässi­gkeit von Leben und Tod. Und auch die subversive Haltung gegenüber herrschaft­lichen und religiösen Institutio­nen – die kommt in der Figur des Affenkönig­s zum Ausdruck. „Hier ist die gesamte chinesisch­e Geistesges­chichte der vergangene­n Jahrhunder­te verwoben“, schreiben Sie im Nachwort. Aber wie zugänglich ist sie für westliche Le-

Ab 1986

studierte sie in Zürich Sinologie, in China u. a. Kalligrafi­e und klassische chinesisch­e Literatur.

Von 1990 bis 2006

lebte und arbeitete sie überwiegen­d in China.

2017

geboren in Biel.

erhielt sie den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Übersetzun­g für „Die Reise in den Westen“. ser? Braucht man dafür nicht Hintergrun­dwissen über die Philosophi­e, die Symbolik, die Assoziatio­nsfelder der damaligen Zeit? Der Roman ist stark vom Daoismus geprägt, Chinas ureigenste­r Philosophi­e. Wie sieht der „Rechte Weg“aus, den der Mönch hier auf seiner Reise sucht?

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