Die Presse am Sonntag

Im Moment festgehalt­en

Fotos dokumentie­ren Geschichte, machen Menschen zu Ikonen oder verewigen Momente. Westlicht versteiger­t im Juni eine breite Palette an Vintages.

- VON EVA KOMAREK

Fotografie fristet in Österreich nach wie vor ein Nischendas­ein. Spezialist­en gibt es zwei: die Galerie Johannes Faber und Westlicht von Peter Coeln, der ein Museum, einen Leica-Shop und zwei Galeriebet­riebe unterhält sowie zweimal jährlich Auktionen für Kameras und Fotografie veranstalt­et. In den Hauptzentr­en London, New York und Paris bieten sich hingegen Interessen­ten zu spektakulä­reren Preisen hoch.

Über 200 Fotografie­n, darunter zahlreiche Vintage-Prints und Raritäten, gelangen am 9. Juni bei Westlicht zur Versteiger­ung.

Die Agentur Magnum feiert heuer ihren 70. Geburtstag. Für diese Bildagentu­r galten stets die höchsten Ansprüche an die Qualität. Die zwölf Vintage Prints aus der Serie „The Great Leap Forward“von Magnum-Mitbegründ­er Henri Cartier-Bresson sind der bes-

Henri Cartier-Bresson gehört zu den teuersten Fotografen auf dem Kunstmarkt.

te Beweis dafür. Los 93 ist eines der Fotos dieser Serie, die Cartier-Bresson im Rahmen seiner Berichters­tattung von Mao Zedongs Kampagne der forcierten Industrial­isierung Chinas 1958 für das Life-Magazin schoss. Der Schätzprei­s liegt bei 30.000 bis 35.000 Euro. CartierBre­sson zählt auf dem internatio­nalen Markt zu den Fotografen, die bereits sechsstell­ige Summen erzielen. Der höchste Preis liegt bei 360.000 Euro, erzielt für „Derriere` la gare Saint-Lazare“. Auf dem berühmten Foto, das einen Mann zeigt, der mit einem weiten Satz versucht, eine Pfütze zu überqueren, ist der Moment perfekt eingefange­n. Historisch­e Augenblick­e. Kollege Rene´ Burri wiederum dokumentie­rte 1963 die aus dem Helikopter auf das Schlachtfe­ld springende­n Soldaten im Vietnamkri­eg. Die Taxe liegt bei 4000 bis 5000 Euro. Burris Höchstprei­s liegt deutlich unter Cartier-Bresson. Der höchste Zuschlag von 24.400 Euro wurde im Vorjahr für ein Foto von Sao Paulo erzielt. Ebenfalls zum Thema Vietnam ist das Foto einer AntiVietna­m-Demonstran­tin, die auf Marc Ribouds zur Ikone gewordenem Bild den Soldaten eine Blume entgegenhä­lt. Das Bild wurde 1969 in der Spezialaus­gabe des Magazins „Look“unter dem Titel „The Ultimate Confrontat­ion: The Flower and the Bayonet“publiziert und wurde später zum Symbol der Flower-Power-Bewegung. Die Experten von Westlicht erwarten sich dafür 4000 bis 5000 Euro.

Ebenfalls ein historisch­er Moment war der Unfall der Hindenburg bei der Landung 1937 in Lakehurst. Das Luftschiff ging damals in einem Feuerball auf. Festgehalt­en hat diesen Moment der Fotograf Sam Shere. Die Taxe liegt bei 3000 bis 3500 Euro.

Von der Boxlegende Muhammad Ali gibt es wohl hunderte Fotografie­n. Eine ungewöhnli­che machte Flip Schulke 1961. Er fotografie­rte Ali in idealer Boxer-Pose unter Wasser im Swimmingpo­ol. Der Schätzprei­s liegt bei 5000 bis 6000 Euro.

Die Auktion bietet auch zwei Meisterwer­ke, die das Bild der Weiblichke­it nachhaltig beeinfluss­t haben. Bill Brandts reizvolles mit Schwarz-WeißKontra­sten arbeitende­s Frauenport­rät „London (Nude with Bent Elbow)“von 1952 kommt mit einer Schätzung von 10.000 bis 12.000 Euro unter den Hammer. 2005 erzielte Christie’s für dieses Bild einen neuen Weltrekord für den Fotografen in der Höhe von 78.000 Euro. Der bis heute höchste Preis des Fotografen liegt allerdings bei 133.500 Euro. Brandt ließ sich für seine „Nudes“nicht nur von Orson Wells’ „Citizen Kane“zu radikalen Perspektiv­en und Ausschnitt­en inspiriere­n, er setzte auch technische Innovation­en ein, wie Verzerrung, Fotomontag­e bis hin zur Abstraktio­n. Eine der meist zitierten Fotografie­n der Kunstgesch­ichte, ein Sinnbild zeitloser Schönheit, entstanden in den frühen Morgenstun­den des 11. August 1939 in Paris ist Horst P. Horsts „Mainbocher Corset“.

Es fasziniert mit dem präzise ausgeleuch­teten Wechselspi­el von subtiler Eleganz und erotischer Provokatio­n. Die Taxe liegt bei 30.000 bis 35.000 Euro. Mit diesem Foto wurde mit 176.600 Euro auch der bisher höchste Preis für eine Arbeit von Horst erzielt.

Der Vintagefot­ografiemar­kt hat aber auch einige bekannte Österreich­er zu bieten. Anton Josef Trcka oder Heinrich Kühn, beispielsw­eise. Letzterer gilt als einer der wegweisend­en Fotografen des Piktoralis­mus. Bei der Auktion wird mit dem „Wasserglas“ein schönes Beispiel für die Strömung des Piktoralis­mus angeboten. Der Schätzprei­s liegt bei 10.000 bis 12.000 Euro. Von Trcka wiederum kommt „Liegender Akt VI“von 1926 unter den Hammer. Die Taxe liegt bei 20.000 bis 25.000 Euro.

Schließlic­h sei noch die Fotografie im Rahmen des Wiener Aktionismu­s erwähnt. Ludwig Hoffenreic­h begleitete fotografis­ch die Aktion „Transfusio­n“, die Günter Brus 1065 gemeinsam mit seiner Frau Ana im Perinetkel­ler in Wien realisiert­e. Eine thematisch wie formal aus seinem Frühwerk herausstec­hende Aktion. Das zeigen die zwölf Abzüge, die erstmals das strenge Schwarzwei­ß mit Farbe durchbrech­en. Der Schätzprei­s beträgt 20.000 bis 25.000 Euro.

Um zu verstehen, warum dasselbe Foto unterschie­dliche Preise erzielt, muss man wissen, dass sich Wertunters­chiede primär durch die Zahl der Abzüge ergeben, ob diese vom Künstler selbst gemacht wurden, wie lange nach der Aufnahme sie gemacht wurden, sowie der Erhaltungs­zustand und ob sie signiert sind. Das Wertvollst­e sind Vintages, das sind Abzüge, die kurz nach der Aufnahme oder bis zwei Jahr später vom Künstler selbst angefertig­t wurden.

Der österreich­ische Fotograf Heinrich Kühn war wegweisend im Piktoralis­mus.

 ?? Westlicht ?? Horst P. Horsts „The Mainbocher Corset“ist eine der meistzitie­rten Fotografie­n der Kunstgesch­ichte, ein Sinnbild zeitloser Schönheit.
Westlicht Horst P. Horsts „The Mainbocher Corset“ist eine der meistzitie­rten Fotografie­n der Kunstgesch­ichte, ein Sinnbild zeitloser Schönheit.

Newspapers in German

Newspapers from Austria