Die Presse am Sonntag

Macron und die Coverboys der Politikmod­en

Drei Politikert­ypen waren zuletzt en vogue: rabiate Populisten wie Trump, kauzige Altlinke wie Sanders & Corbyn und nun Zentristen `a la Macron. Sie alle verkörpern die Sehnsucht nach Veränderun­g.

- LEITARTIKE­L VON CHRISTIAN ULTSCH

Gesellscha­ften im Umbruch suchen nach Politikern, die zur Stimmung passen. Das wusste schon der gute alte Chateaubri­and, ein ziemlicher Opportunis­t übrigens, doch anders ließen sich Französisc­he Revolution, Napoleon etc. kaum überleben. „Wer der Mann des Landes sein will, muss zuerst der Mann seiner Zeit sein“, meinte der Schriftste­ller, Politiker und Diplomat schon vor 200 Jahren.

Jüngst hat Frankreich­s neuer Präsident, Emmanuel Macron, das Sprüchlein bei der Angelobung mit auf den Weg bekommen. Eine treffende Zitatauswa­hl. Denn dieser Mann ist auf der Höhe seiner Zeit. Im internatio­nalen Katalog der Politikmod­en ist Macron derzeit der Coverboy. Sein Aufstieg ist phänomenal. In wenigen Monaten stampfte der ehemalige Protege´ des sozialisti­schen ExStaatsch­efs Francois¸ Hollande eine eigene Bewegung aus dem Boden und gewann aus dem Stand die Präsidente­nwahl. Und bei den Parlaments­wahlen greift der 39-Jährige nun nach der absoluten Mehrheit. Das hätte vor ein paar Monaten niemand für möglich gehalten. Macrons Kraft kommt aus der Mitte. Günstige Wechselfäl­le gaben ihm Rückenwind: der Niedergang der Sozialiste­n und die Nepotismus-Affäre des konservati­ven Francois¸ Fillon, der normalerwe­ise in die Stichwahl gegen die rechtsnati­onale Marine Le Pen vorgedrung­en wäre. Doch Macron nützte vor allem eine starke – weltweite – Strömung: den Verdruss über Reformbloc­kaden und Politiker alten Stils. Der Ex-Wirtschaft­sminister gab den Anti-Politiker und verbreitet­e ein lang vermisstes Gefühl: Zuversicht. Imagetechn­iker. Wie einst Barack Obama trat der gewiefte Imagetechn­iker mit unbestimmt­en Inhalten eine Welle des Optimismus los. Das erzeugt Energie, öffnet Chancen für Erneuerung. In die Arena steigen nun auch Laien, die es sich davor auf den Zuschauerr­ängen bequem gemacht haben. Ob sie tatsächlic­h in der Lage sind, das System umzuformat­ieren und neu aufzusetze­n? Man darf daran zweifeln, dass Macron die messianisc­hen Erwartunge­n erfüllen kann. Doch der Versuch allein hat etwas Mitreißend­es.

Die globalen Politikmod­en wechseln momentan fast schneller als die Jahreszeit­en. Ein Zeichen für unruhige Zeiten. Zu Beginn des Frühlings noch schien der Aufstieg aggressive­r Rechtspopu­listen unaufhalts­am. Doch mit jedem weiteren Amtstag Donald Trumps wurde sein Beispiel abschrecke­nder. Nun folgen eben die zuversicht­lichen Zentristen. Doch auch kauzige Altlinke wie Jeremy Corbyn oder Bernie Sanders sind erstaunlic­h en vogue bei Teilen der Jugend, die Sehnsucht nach authentisc­her Prinzipien­treue und revolution­ärem Geist zeigt. Alle drei Politikert­ypen verspreche­n Veränderun­g. Da vergisst man fast, dass immer noch ein viertes, klassische­s Modell am Start ist – Marke Merkel, die das Land im Volksparte­ien-Omnibus durch unstete Zeiten führt. Moden vergehen, Merkel bisher nicht.

Die österreich­ischen Wahlkämpfe­r werden wohl eine Melange servieren: mit teilweise umlackiert­en Altparteie­n und Spitzenkan­didaten, die ein bisschen Macron-Spray auftragen oder die Trump-Welle verdecken und allesamt Anti-Politiker mimen. Internatio­nale Mode auf Österreich­s Wahllaufst­eg.

Newspapers in German

Newspapers from Austria