Die Presse am Sonntag

Das grüne Rüsten für die Nationalra­tswahl

Die Opposition­spartei stellt sich von Vorarlberg bis Brüssel neu auf – die Wahlen der Listen könnten einen Umbruch bewirken.

- VON ANNA THALHAMMER

Vieles, was in den vergangene­n Monaten passiert ist, war vorher unvorstell­bar: Der Brexit. Trump, eine rot-blaue Koalition im Burgenland – oder ein ehemaliger Grüner in der Hofburg. Und für mich: Spitzenkan­didatin für einen Nationalra­tswahlkamp­f zu sein“, sagte Ulrike Lunacek mit anfänglich zitternder Stimme in ihrer ersten Rede vor einem großen Parteigrem­ium.

Am Samstag fand im Austria Center die 77. Landesvers­ammlung der Wiener Grünen statt, zu der sich ungewöhnli­ch viele eingefunde­n hatten. Rund 400 Grüne kamen, um über die Wiener Liste für die Nationalra­tswahl abzustimme­n.

Wiens Vizebürger­meisterin, Maria Vassilakou, betrat als Erste das Podium, bezeichnet­e sich selbst als „Zeremonien­meister“, heizte die Stimmung für die neue Spitzenkan­didatin Ulrike Lunacek auf, die sie sich sogar als Kanzlerin erträumte. Lunacek selbst betrat dann unter tosendem Applaus und Standing Ovations die Bühne. Die Kernbotsch­aft ihrer Rede: Die Grünen seien die einzige Partei, die gegen die FPÖ auftreten werde, während alle anderen an Koalitione­n mit ihr feilen. „Ich will nicht zusehen, wie eine Partei Hass schürt, ausgrenzt, Europa abschaffen will“, sagte Lunacek – wieder unter lang anhaltende­m Applaus.

Sie schlägt damit in dieselbe Kerbe wie Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen, der seinen Wahlkampf ebenfalls auf Abgrenzung zur FPÖ aufgebaut hat. Lunacek wurde mit 87,94 Prozent gewählt und ist somit offiziell Eva Glawischni­gs Nachfolger­in als Spitzenkan­didatin für die Nationalra­tswahl am 15. Oktober. Ihren Job als Europaparl­amentarier­in wird vermutlich Thomas Waitz übernehmen, ein grüner Biobauer aus der Steiermark. Interner Wahlkampf. Bei den Nationalra­tswahlen 2013 holten die Grünen 12,42 Prozent, was 24 Sitzen im Parlament entspricht. Wen die Grünen in der nächsten Periode dorthin entsenden wollen, wird in den nächsten Wochen in den Ländern grünintern gewählt. Diese Wahlen könnten für die Partei einen echten Umbruch bedeuten – es ist nicht unwahrsche­inlich, dass der Klub danach bis zur Hälfte aus neuen Mitglieder­n besteht. Erstens wird Platz frei, weil einige Abgeordnet­e nicht zur Wiederwahl antreten: Der Wiener Karl Öllinger zieht sich ebenso zurück wie die Niederöste­rreicherin­nen Tanja Windbüchle­r und Eva Mückstein. Der Tiroler Georg Willi will zurück in seine Heimat und geht als Spitzenkan­didat für die Innsbrucke­r Gemeindera­tswahl ins Rennen. Barbara Neuroth, die Glawischni­gs Nationalra­tsmandat bekommen hat, schaffte es in Wien nicht auf einen wählbaren Platz. Wien hat derzeit fünf Mandate.

Zweitens: Es gibt dieses Mal ungewöhnli­ch viele Kandidaten und damit großes Gerangel um die Plätze. Genau das könnte die Chance für die Grünen werden, den Klub massiv zu verjüngen – ein Plan, den auch Glawischni­g verfolgte, aber an grünen Urgesteine­n scheiterte. Sollten es die Jungen nicht schaffen, sich durchzuset­zen, würden die Grünen wohl sogar den ältesten Klub stellen – denn es gibt jetzt viele Mandatare, die über 60 Jahre alt sind.

Der Kampf wird jedenfalls hart: Die jüngsten Mandatare, Julian Schmid (28) und Sigrid Maurer (32), schafften den Einzug 2013 über die Bundeslist­e, über die sechs Mandate vergeben wurden. Maurer kandidiert­e diesmal in Wien und wurde nach Albert Steinhause­r auf Platz drei gewählt. Konkurrenz. Auf Bundeseben­e haben haben die Jungen, Unbekannte­ren dieses Mal besondere Konkurrenz, weil viele Ältere, Arrivierte ebenfalls auf dieser Liste antreten. Neben Ulrike Lunacek (60) selbst sind das außerdem Peter Pilz (63, Platz 4), Werner Kogler (56), Bruno Rossmann (65) und wohl auch Wolfgang Zinggl (62). Dieser wurde nach der Auseinande­rsetzung mit den Wiener Grünen rund um den Heumarkt – er initiierte die Urabstimmu­ng – am Samstag auf keinen wählbaren Platz gereiht. 2013 kandidiert­e er noch auf Platz vier – den holte der grüne Gewerkscha­fter Markus Koza (46), dessen Ergebnis ebenfalls unter minutenlan­gem Applaus bekannt gegeben wurde. Alev Ko- run belegte Platz fünf. Die Versammlun­g verlief ungewöhnli­ch disziplini­ert: Keine Zwischenru­fe oder Streitigke­iten – wie man das sonst von grünen Veranstalt­ungen kennt. Ob es bei der Wahl der Bundeslist­e am 25. Juni in Linz ähnlich ruhig bleibt?

Für die Grünen wollen dieses Mal ungewöhnli­ch viele kandidiere­n.

 ?? APA ?? Ulrike Lunacek wurde am Samstag in Wien offiziell zur Spitzenkan­didatin gewählt.
APA Ulrike Lunacek wurde am Samstag in Wien offiziell zur Spitzenkan­didatin gewählt.

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