Der Wurf ins Rampenlicht
Darts-Profi Mensur Suljovi´c (45) wollte seine Karriere schon beenden, heute ist der Wiener Nummer sieben der Welt und der Lokalmatador bei den »Austrian Open« in Schwechat.
180. Diese Zahl verfolgt jeden Dartsspieler, sie hat Symbolcharakter, steht für das perfekte Spiel und eine mit drei geworfenen Darts absolut makellose Aufnahme, wie es im Fachjargon heißt. Mensur Suljovic´ wirft in erstaunlicher Regelmäßigkeit 180 Punkte, niemand in Österreich bringt seine Darts aus 2,37 Metern Abstand präziser in die nur acht Millimeter breiten Triple- und DoubleFelder unter. Noch vor wenigen Jahren hatte Suljovic´ erhebliche Probleme mit seinem Spiel, die Darts fanden zu selten ihr Ziel, den Würfen fehlte es an Konstanz. Der geliebte Sport, er war bloß ein teures Hobby, der Traum von der großen Karriere eine Illusion. Flüge und Hotels verschlangen Unsummen, Suljovic´ war weit davon entfernt, kostendeckend zu spielen.
Mittlerweile ist Mensur Suljovic´ die Nummer sieben der Welt, finanzielle Sorgen sind vorerst passe.´ In den vergangenen zwei Jahren hat der gebürtige Serbe 340.250 Pfund verdient, wenngleich derartige Preisgeldsummen immer mit Vorsicht zu genießen sind. Steuern, Management, „am Ende des Tages bleiben mir etwa 40 Prozent davon“, rechnet der 45-Jährige vor. „Das ist immer noch eine schöne Summe.“
Suljovic´ behauptet von sich selbst, heute ein „ganz anderer Spieler als noch vor zwei Jahren“zu sein. Erfolgserlebnisse hätten sein Spiel grundlegend verändert. „Früher“, sagt er im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“, „hatte ich vor den großen Namen Angst. Wenn ich gegen sie gespielt habe, habe ich nichts getroffen, war total nervös.“Das lag mitunter an der fehlenden Erfahrung gegen die absoluten Topspieler der Szene. „Wenn du nur ein Mal im Monat gegen die Besten spielst, dann ist das gar nichts. So kannst du dich nie an dieses Level ge- wöhnen. Nur wenn du gegen gute Leute spielst, kannst du selbst gut werden.“
Mittlerweile spielt Suljovic´ fast wöchentlich gegen die Elite, er ist nun ein Teil davon. Als er im Oktober des Vorjahres bei den European Darts Championschip in Belgien erstmals den 16-fachen Weltmeister Phil Taylor besiegt hatte, fand bei Suljovic´ ein radikales Umdenken statt. „Wenn du ein Mal gegen Taylor gewinnst, dann weißt du, dass du alle schlagen kannst.“So auch Michael van Gerwen, die Nummer eins der Welt. „Und ich habe ihn nicht mit Glück geschlagen, nein, ich habe ihn wirklich besiegt, weil ich gut war.“ Im Tunnel. Darts, sagt der Familienvater, sei „zu 60 Prozent“Kopfsache. Dort oben auf der Bühne, unter dem grellen und heißen Scheinwerferlicht und vor Hunderten, manchmal sogar Tausenden Besuchern, zu funktionieren, sei eine gewaltige Belastungsprobe. Man könne diese im Training nicht simulieren, das Grölen der Zuschauermassen ist mit lauter Musik nicht vergleichbar. Dass sich die Dartsprofis bei diesem permanenten Lärmpegel tatsächlich auf das Wesentliche konzentrieren können, erscheint wie hohe Kunst. Suljovic,´ das hat er jahrelang geübt, versucht auf der Bühne eine Art Trancezustand zu erreichen. „Dann höre ich rundherum nichts mehr, bin in einem Tunnel.“Die größte Gefahr der Ablenkung? Eine bekannte Stimme aus dem Publikum, „die ich plötzlich unter Hunderten anderen Stimmen heraushöre. Das kann schon stören“.
Suljovics´ Aufstieg ist auch in Österreich nicht unbemerkt geblieben. Hin und wieder komme es schon vor, dass er, Suljovic,´ in seiner Heimat Wien erkannt werde. Nicht etwa auf der Kärntner Straße, eher im 20. Bezirk, wo Suljovic´ auch wohnt. Gelegentlichen Selfie-Wünschen kommt der 45-Jährige gern nach, sei es in der Einkaufspassage in Brigittenau oder beim Zoll am Flughafen Wien-Schwechat. Bodyguards braucht Suljovic´ aber noch keine, so weit reicht der Fanandrang im Vergleich zu Taylor oder Van Gerwen nicht. „Und ich hoffe, das wird immer so bleiben.“
Auch im Breitensport ist Darts hierzulande längst angekommen. Insgesamt werfen knapp 1000 registrierte Spieler in Österreich regelmäßig ihre Darts gen Scheibe, allein in Wien werden 19 Vereine geführt. Auch der mitgliederstärkste Verein im deutschsprachigen Raum ist in der Bundeshauptstadt ansässig, der DC Darts-Control in Brigittenau hat in den vergangenen drei Jahren einen Zuwachs von 50 auf 130 Spieler registriert. Der gemeine Dartsspieler lässt sich dabei nicht in eine Schublade stecken. „Darts ist der einzige Sport, den ich kenne, bei dem
»Früher hatte ich vor den großen Namen Angst. Ich war nervös, habe nichts getroffen.« Suljovi´cs Erfolge haben Darts in Österreich belebt, es gibt rund 1000 registrierte Spieler.
ein Neunjähriger mit einem 60-Jährigen in einer Mannschaft spielen kann“, sagt Dietmar Schuhmann, der Präsident des DC Darts-Control.
Bekanntheit erlangte der Sport um die Jahrtausendwende durch Phil Taylor. Der Brite, 56, war der erste gefeierte Darts-Superstar, nach dieser Saison will er seine Karriere beenden. „Taylor wird eine riesige Lücke hinterlassen“, glaubt Suljovic.´ Womöglich kann er sie ein Stück weit schließen.