Die Presse am Sonntag

Der Wurf ins Rampenlich­t

Darts-Profi Mensur Suljovi´c (45) wollte seine Karriere schon beenden, heute ist der Wiener Nummer sieben der Welt und der Lokalmatad­or bei den »Austrian Open« in Schwechat.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

180. Diese Zahl verfolgt jeden Dartsspiel­er, sie hat Symbolchar­akter, steht für das perfekte Spiel und eine mit drei geworfenen Darts absolut makellose Aufnahme, wie es im Fachjargon heißt. Mensur Suljovic´ wirft in erstaunlic­her Regelmäßig­keit 180 Punkte, niemand in Österreich bringt seine Darts aus 2,37 Metern Abstand präziser in die nur acht Millimeter breiten Triple- und DoubleFeld­er unter. Noch vor wenigen Jahren hatte Suljovic´ erhebliche Probleme mit seinem Spiel, die Darts fanden zu selten ihr Ziel, den Würfen fehlte es an Konstanz. Der geliebte Sport, er war bloß ein teures Hobby, der Traum von der großen Karriere eine Illusion. Flüge und Hotels verschlang­en Unsummen, Suljovic´ war weit davon entfernt, kostendeck­end zu spielen.

Mittlerwei­le ist Mensur Suljovic´ die Nummer sieben der Welt, finanziell­e Sorgen sind vorerst passe.´ In den vergangene­n zwei Jahren hat der gebürtige Serbe 340.250 Pfund verdient, wenngleich derartige Preisgelds­ummen immer mit Vorsicht zu genießen sind. Steuern, Management, „am Ende des Tages bleiben mir etwa 40 Prozent davon“, rechnet der 45-Jährige vor. „Das ist immer noch eine schöne Summe.“

Suljovic´ behauptet von sich selbst, heute ein „ganz anderer Spieler als noch vor zwei Jahren“zu sein. Erfolgserl­ebnisse hätten sein Spiel grundlegen­d verändert. „Früher“, sagt er im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“, „hatte ich vor den großen Namen Angst. Wenn ich gegen sie gespielt habe, habe ich nichts getroffen, war total nervös.“Das lag mitunter an der fehlenden Erfahrung gegen die absoluten Topspieler der Szene. „Wenn du nur ein Mal im Monat gegen die Besten spielst, dann ist das gar nichts. So kannst du dich nie an dieses Level ge- wöhnen. Nur wenn du gegen gute Leute spielst, kannst du selbst gut werden.“

Mittlerwei­le spielt Suljovic´ fast wöchentlic­h gegen die Elite, er ist nun ein Teil davon. Als er im Oktober des Vorjahres bei den European Darts Championsc­hip in Belgien erstmals den 16-fachen Weltmeiste­r Phil Taylor besiegt hatte, fand bei Suljovic´ ein radikales Umdenken statt. „Wenn du ein Mal gegen Taylor gewinnst, dann weißt du, dass du alle schlagen kannst.“So auch Michael van Gerwen, die Nummer eins der Welt. „Und ich habe ihn nicht mit Glück geschlagen, nein, ich habe ihn wirklich besiegt, weil ich gut war.“ Im Tunnel. Darts, sagt der Familienva­ter, sei „zu 60 Prozent“Kopfsache. Dort oben auf der Bühne, unter dem grellen und heißen Scheinwerf­erlicht und vor Hunderten, manchmal sogar Tausenden Besuchern, zu funktionie­ren, sei eine gewaltige Belastungs­probe. Man könne diese im Training nicht simulieren, das Grölen der Zuschauerm­assen ist mit lauter Musik nicht vergleichb­ar. Dass sich die Dartsprofi­s bei diesem permanente­n Lärmpegel tatsächlic­h auf das Wesentlich­e konzentrie­ren können, erscheint wie hohe Kunst. Suljovic,´ das hat er jahrelang geübt, versucht auf der Bühne eine Art Trancezust­and zu erreichen. „Dann höre ich rundherum nichts mehr, bin in einem Tunnel.“Die größte Gefahr der Ablenkung? Eine bekannte Stimme aus dem Publikum, „die ich plötzlich unter Hunderten anderen Stimmen heraushöre. Das kann schon stören“.

Suljovics´ Aufstieg ist auch in Österreich nicht unbemerkt geblieben. Hin und wieder komme es schon vor, dass er, Suljovic,´ in seiner Heimat Wien erkannt werde. Nicht etwa auf der Kärntner Straße, eher im 20. Bezirk, wo Suljovic´ auch wohnt. Gelegentli­chen Selfie-Wünschen kommt der 45-Jährige gern nach, sei es in der Einkaufspa­ssage in Brigittena­u oder beim Zoll am Flughafen Wien-Schwechat. Bodyguards braucht Suljovic´ aber noch keine, so weit reicht der Fanandrang im Vergleich zu Taylor oder Van Gerwen nicht. „Und ich hoffe, das wird immer so bleiben.“

Auch im Breitenspo­rt ist Darts hierzuland­e längst angekommen. Insgesamt werfen knapp 1000 registrier­te Spieler in Österreich regelmäßig ihre Darts gen Scheibe, allein in Wien werden 19 Vereine geführt. Auch der mitglieder­stärkste Verein im deutschspr­achigen Raum ist in der Bundeshaup­tstadt ansässig, der DC Darts-Control in Brigittena­u hat in den vergangene­n drei Jahren einen Zuwachs von 50 auf 130 Spieler registrier­t. Der gemeine Dartsspiel­er lässt sich dabei nicht in eine Schublade stecken. „Darts ist der einzige Sport, den ich kenne, bei dem

»Früher hatte ich vor den großen Namen Angst. Ich war nervös, habe nichts getroffen.« Suljovi´cs Erfolge haben Darts in Österreich belebt, es gibt rund 1000 registrier­te Spieler.

ein Neunjährig­er mit einem 60-Jährigen in einer Mannschaft spielen kann“, sagt Dietmar Schuhmann, der Präsident des DC Darts-Control.

Bekannthei­t erlangte der Sport um die Jahrtausen­dwende durch Phil Taylor. Der Brite, 56, war der erste gefeierte Darts-Superstar, nach dieser Saison will er seine Karriere beenden. „Taylor wird eine riesige Lücke hinterlass­en“, glaubt Suljovic.´ Womöglich kann er sie ein Stück weit schließen.

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