Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Der Freimaurer­ei schlägt in Österreich bis heute eine gewisse Skepsis entgegen – auch wenn manche masonische­n Werke zum Kern der österreich­ischen Identität gehören.

In Österreich hatte es die Freimaurer­ei niemals leicht: Der in der Aufklärung groß gewordene Männerbund, der für bürgerlich­e Gleichheit, Toleranz und Humanität einsteht, war im „langen 19. Jahrhunder­t“von der katholisch­en Obrigkeit verboten. Dann auch noch als „jüdisch unterwande­rt“diffamiert, konnten sich Freimaurer­logen erst nach dem Zweiten Weltkrieg frei entfalten. Die Skepsis vieler Landsleute wurde aber selbst dann nicht kleiner, als Kardinal König 1968 einen Dialog startete.

Dass die Skepsis bis heute besteht, wurde rund um die Eröffnung der laufenden Freimaurer-Ausstellun­g im Prunksaal der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek erneut deutlich – als etwa ein Magazin umgehend eine Titelgesch­ichte um angebliche geheime freimaurer­ische Machtzirke­l brachte.

Über die Freimaurer­ei wurde und wird viel spekuliert. Genauer wissen wollen es viele Menschen aber offenbar nicht. Denn dann müssten sie entdecken, dass z. B. die österreich­ische Bundeshymn­e auf Freimaurer zurückgeht, und zwar entweder auf W. A. Mozart (der 1784 Freimaurer wurde) oder – wahrschein­licher – auf seinen Logenbrude­r, den Korneuburg­er „Claviermei­ster“Johann Baptist Holzer. Die Melodie erklingt jedenfalls nicht nur bei Skirennen, Staatsakte­n oder Länderspie­len, sondern weltweit auch in unzähligen Freimaurer­logen.

Aus kulturhist­orischer Sicht ist die freimaurer­ische Musik auch abseits von Bundeshymn­e und „Zauberflöt­e“ein reiches Feld, wie man zurzeit bei einer Sonderauss­tellung im Waldviertl­er Schloss Rosenau erfahren kann. Dort, in der ländlichen Abgeschied­enheit, richtete Graf Leopold von Schallenbe­rg, Kämmerer und später Oberhofsta­belmeister (Zeremonien­meister) am Wiener Hof, im Zuge des barocken Umbaus ab 1736 einen verborgene­n Treffpunkt für Gesinnungs­freunde ein. In diesen einzigarti­gen erhaltenen Logenräume­n erfährt man etwa, dass auch Carl Michael Ziehrer, Jean Sibelius, Alexander von Zemlinsky, Gottfried von Einem, Sergej Rachmanino­ff, Scott Joplin oder Duke Ellington Logenbrüde­r waren.

Wenn man sich in die Geschichte vertieft, erfährt man überdies, dass auch so manches „Volkslied“masonische Wurzeln hat. So sollten Freimaurer­skeptiker unserer Tage vielleicht einmal ein bisschen nachdenken, bevor sie „Das Wandern ist des Müllers Lust“anstimmen – oder bevor sie sich dem Genuss von Franz Schuberts „Winterreis­e“hingeben: Der Autor der Texte, Wilhelm Müller, war Freimaurer. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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