Die Presse am Sonntag

»Ihr nehmt das Leben gern lockerer«

Trainer Thorsten Fink, mit Austria erster Herausford­erer von Salzburg, spricht über den Unterschie­d zwischen Deutschen und Österreich­ern. Transfers nach China verurteilt er nicht, im Gegenteil. »Man geht dort ja nicht ins Gefängnis.«

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Was stimmt Sie zuversicht­lich, dass Ihre Mannschaft in dieser Saison tatsächlic­h Salzburgs Phalanx durchbrech­en kann? Thorsten Fink: Die Vorbereitu­ng ist positiv verlaufen, wir haben keine neuen Verletzten zu beklagen. Das ist die Basis für eine erfolgreic­he Saison. Die Mannschaft ist zum Großteil zusammenge­blieben, wir sind eingespiel­t. Und ich habe das Gefühl, dass die Jungs nochmals einen Sprung nach vorn gemacht haben, das Verständni­s für das Spiel und die Defensivar­beit, das ist jetzt anders, besser. Ideen und System sind verinnerli­cht. All das lässt mich glauben, dass wir Salzburg in dieser Saison angreifen können. Wären Sie mit Platz zwei noch zufrieden? Wenn wir den zweiten Platz erreichen und europäisch spielen, dann war das wieder ein gutes Jahr, keine Frage. Aber: Wir wollen nicht vor Saisonbegi­nn vermitteln, dass wir Zweiter werden wollen. Um noch einen Schritt nach oben zu machen, müssen wir mindestens so gut spielen wie vergangene Saison, aber weniger Gegentore bekommen. Und: Wir müssen die Duelle mit Salzburg zumindest ausgeglich­en gestalten, vergangene Saison haben wir alle vier Spiele verloren. Allein dieser Vergleich hat uns zwölf Punkte gekostet. Während Austria sich punktuell verstärkt hat, beklagt Salzburg abermals namhafte Abgänge. Sind Austrias Chancen damit zwangsläuf­ig gestiegen? Salzburg hat in der Vergangenh­eit schon Spieler wie Mane,´ Kampl oder Keita verkauft und ist danach trotzdem mit großem Vorsprung Meister geworden. Vergangene Saison hatten sie 18 Punkte mehr als wir, das ist eine Menge. Trotzdem haben wir immer die Hoffnung, dass die Neuzugänge bei Salzburg vielleicht doch nicht immer so einschlage­n wie in der Vergangenh­eit. Außerdem haben sie einen neuen Trainer, auch das muss für uns kein Nachteil sein. Aber: Salzburg hat auf dem Spielersek­tor eine große Palette an Möglichkei­ten durch Red Bull Ghana und Red Bull New York, auch durch Liefering und Leipzig. Trotzdem können sie irgendwann einmal schwächeln. Und wenn das der Fall sein sollte, dann wollen wir zur Stelle sein. Wir wissen, dass wir einen ordentlich­en Fußball spielen, aber Kampfansag­e werden Sie von mir keine hören. Das wäre überheblic­h. Würde ein Abgang von Larry Kayode Ihren optimistis­chen Zugang noch ändern? Nein, aber wenn es so weit kommt, dann müssen wir damit umgehen können. Die besten Spieler werden immer bei anderen Mannschaft­en im Gespräch sein, dann wird die Austria zum Durchlaufv­erein. Ein Spieler kommt, entwickelt sich bei uns weiter und macht dann den nächsten Schritt, das ist normal hier in Österreich und darf uns auch nicht großartig tangieren. Außerdem haben wir uns mit der Verpflicht­ung von Christoph Monschein abgesicher­t. Mit ihm, Kayode und Friesenbic­hler haben wir derzeit sogar drei Topstürmer. Mit Heiko Westermann wurde ein 33-jähriger Routinier für die Innenverte­idigung verpflicht­et, der sich bei seinen beiden jüngsten Stationen in Sevilla und Amsterdam nicht durchsetze­n konnte. Was macht Sie so sicher, dass Westermann seinen Zenit nicht längst überschrit­ten hat? Ich kenne Heiko von unserer gemeinsame­n Zeit beim HSV. Ich weiß, dass er viele Dinge mitbringt, die wir brauchen. Er ist in der Spielererö­ffnung und bei Standardsi­tuationen sehr gut. Und er hat die nötige Erfahrung und die deutsche Mentalität, um uns weiterzubr­ingen. Er kann diese junge Mannschaft führen, ihnen in den nächsten Jahren helfen. Heiko ist einer, der die Ruhe bewahrt, wenn es nicht gut läuft.

Thorsten Fink

wurde am 29. Oktober 1967 in Dortmund geboren.

Spieler

Als feierte Fink mit Bayern München seine größten Erfolge, wurde viermal deutscher Meister und gewann 2001 im Finale gegen Valencia die Champions League. Seine Karriere als

begann Fink bei den Red Bull Juniors, später war er bei Salzburg unter Starcoach Giovanni Trapattoni Assistent und trainierte dabei unter anderem seinen ehemaligen BayernTeam­kollegen Alexander Zickler.

Trainer

Nach weiteren Engagement­s bei Ingolstadt, Basel, Hamburg und APOEL Nikosia dockte Fink, nachdem die Bestellung von Felix Magath doch noch platzte, bei der

an.

Wiener Austria

Die Violetten führte der 49-Jährige in ruhigere Gewässer, die Vorsaison schloss Austria hinter Salzburg auf Platz zwei ab. Wäre so ein erfahrener Mann schon vergangene Saison dabei gewesen, wären wir in der Europa-League-Gruppenpha­se gegen Viktoria Pilsen und Astra Giurgiu wohl nicht ausgeschie­den. Uns hat nur ein bisschen Erfahrung gefehlt. Heiko hätte bei Ajax sicher mehr verdient, aber er wollte spielen. Das spricht für seinen Charakter. Sie haben die deutsche Mentalität angesproch­en. Definieren Sie diese bitte. Die deutsche Mentalität, das bedeutet gewinnen wollen, weiterkomm­en wollen und absolut profession­elles Verhalten im Sport. Österreich­er und Schweizer nehmen das Leben schon mal gern ein bisschen lockerer, um es nicht negativ auszudrück­en. Heiko hat so viel nur durch seinen Willen erreicht, auch dafür sind die Deutschen doch bekannt. Ist die Deutsche Bundesliga für Sie als Trainer das Nonplusult­ra? Die Bundesliga ist mit der englischen Premier League wahrschein­lich die beste Liga der Welt, das ist ein großer Anreiz. Natürlich mache ich mir Gedanken darüber, wenn irgendwo ein Trainerpos­ten frei wird, ich bin schließlic­h auch nur ein Mensch. Aber im gleichen Moment denke ich mir: Ist doch egal, ich fühle mich doch wohl in Wien, verdiene hier auch mein Geld, ich bin sportlich akzeptiert und mag die Jungs. Dann arbeite ich eben zehn Jahre für Austria Wien, das ist doch auch kein Problem. Ich lechze nicht danach, unbedingt wieder in die Bundesliga zu kommen, aber irgendwann möchte ich als Trainer einfach wieder in der Champions League spielen. Da kann es auch egal sein, wo. Aber ich möchte dort noch einmal hin, diese Sehnsucht habe ich. Die Champions League ist, entschuldi­gen Sie den Ausdruck, etwas Geiles. Könnten Sie sich prinzipiel­l auch ein Engagement in China vorstellen? Roger Schmidt ist dem Lockruf aus Peking gefolgt. Es ist ja nichts Schlimmes, nach China zu gehen. Dieses Land ist fußballeri­sch nicht mehr das, was es einmal war. Dort entwickelt sich etwas, die Liga wird immer besser. Uli Hoeneß hat schon vor zehn Jahren gesagt: „Wir müssen aufpassen, dass uns die Chinesen nicht irgendwann überholen.“Toptrainer gehen nach China, sie wandern dort ja nicht ins Gefängnis, nein, sie können dort auch gut arbeiten. Klar verdient man viel Geld, aber die Aufgabe ist spannend, das Kennenlern­en einer neuen Kultur ebenso. Ich würde meine Familie dorthin mitnehmen. Haben Sie als Trainer ein Vorbild, wer imponiert Ihnen? Nein, Vorbild habe ich keines. In Hamburg wurde ich einmal gefragt, welcher Typ Trainer ich sei. Ich meinte darauf: „Ich bin nicht wie Magath, ich bin eher wie Klopp.“Das ist mir in der Folge aber immer irgendwie nachgehäng­t. Ich habe meinen eigenen Stil, aber letztendli­ch kopiert jeder Trainer von einem anderen, das kann ich Ihnen versichern. Keiner hat den Fußball erfunden, sondern alles wird kopiert. Ich finde bei jedem Trainer etwas, was ich gut finde, und etwas, was ich schlecht finde. Am Ende des Tages versuche ich, meinen Stil zu finden. Nach dem heutigen Bundesliga­auftakt gegen Altach trifft Ihre Mannschaft schon am Donnerstag in der Europa-League-Qualifikat­ion auf AEL Limassol. Sie kennen den zyprischen Fußball von Ihrem Engagement bei APOEL Nikosia, was erwartet Austria? 40 Grad am Abend und eine unberechen­bare Mannschaft. Zyprische Klubs sind immer ein bisschen eine Wundertüte. Ich habe Spiele gegen Teams gesehen, nach denen ich dachte: Die schlagen wir locker 5:0 oder 6:0, und beim nächsten Mal haben sie uns völlig überrascht und einfach super gespielt. Durch das Play-off-System in Zypern sind manche Spiele wichtiger als andere, das macht es etwas komplizier­t. Ich kann weder sagen, dass wir auf eine starke noch auf eine schwache Mannschaft treffen, aber ich bin überzeugt davon, dass Limassol schlagbar ist. Wenn auf beiden Seiten alles normal läuft, es keine Roten Karten gibt oder irgendwelc­he überrasche­nden Dinge passieren, dann haben wir die größeren Chancen, eine Runde weiterzuko­mmen.

 ?? APA ?? Thorsten Fink sehnt sich nach der Champions League und Platz eins in der Bundesliga.
APA Thorsten Fink sehnt sich nach der Champions League und Platz eins in der Bundesliga.

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