Die Presse am Sonntag

Wieder eskaliert bei Reza ein Abend

Die französisc­he Schriftste­llerin und Künstlerin Yasmina Reza lässt in ihrem neuen Roman »Babylon« ein Fest aus dem Ruder laufen. Anlass ist ein Bio-Huhn. Ein unterhalts­ames Stück.

- VON DUYGU ÖZKAN

Elisabeth kann nicht wirklich rekonstrui­eren, warum sie, mit 62 Jahren, in aller Plötzlichk­eit auf die Idee kam, ein Fest zu veranstalt­en. Es muss in einem sehr kurzen optimistis­chen Moment passiert sein, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatten Elisabeth und ihr Mann, Pierre, „weder Umtrunk noch Fest, noch gar ein Frühlingsf­est“veranstalt­et. Nun aber, am ersten Frühlingst­ag des Jahres, lädt das Paar in ihre Pariser Wohnung einen bunt zusammenge­würfelten Freundeskr­eis ein; Elisabeth kauft eine überborden­de Menge Weingläser und kümmert sich um ausreichen­d Sitzmöglic­hkeiten, unter anderem mit den weniger schicken Klappstühl­en von den Nachbarn Jean-Lino Manoscrivi und seiner im späten Alter angetroffe­nen Frau Lydie – die dann freilich auch eingeladen werden müssen.

Jean-Lino, mit dem sich Elisabeth angefreund­et hatte, ist ein sympathisc­her Kauz, der Pferderenn­en mag, Italienisc­h mit seinem Kater spricht und alles versucht, um eine Beziehung mit dem Enkel Lydies, dem unerhört frechen Remi,´ aufzubauen. Anfänglich mögen die beiden nicht so recht in die Festgesell­schaft passen. Überhaupt kommt die Party zunächst langsam in Gang, man weiß nicht recht, was reden, blickt stumm im Wohnzimmer herum, aber als es zu schneien beginnt, bricht umgekehrt das Eis in der Wohnung. Die Gäste verteilen sich auf die Zimmer, reden und lachen, von Elisabeth fällt endlich die Nervosität ab und Jean-Lino wird mit seiner sympathisc­hen Präsenz der Liebling des Abends.

In ihrem neuen, gewohnt unterhalts­amen Buch „Babylon“greift die französisc­he Schriftste­llerin Yasmina Reza auf ihr altbewährt­es Rezept der daherkriec­henden Eskalation zurück. In diesem Fall ist ein Bio-Huhn der Anlass, beziehungs­weise Jean-Linos Geschichte, wie die tierliebe Lydie neulich im Restaurant den Kellner irritierte, mit ihren vielen Fragen, ob denn das servierte Huhn eh ein glückliche­s Leben hatte. Eine scheinbar harmlose Anekdote, mit der Jean-Lino die Party unterhält, wohl aber nicht merkt, wie sehr er Lydie damit kränkt. Nach der Party liest ihm Lydie saftig die Leviten – woraufhin Jean-Lino sie umbringt. Yasmina Reza „Babylon“Übersetzt von Frank Heibert und Hinrich SchmidtHen­kel Hanser Verlag 220 Seiten 22,70 Euro

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AFP „Babylon“von der Schriftste­llerin und Künstlerin Yasmina Reza handelt von einem großen Streit nach einer Party.
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