Die Presse am Sonntag

Am Herd

BRANDHEISS UND HÖCHST PERSÖNLICH

- VO N BETTINA STEINER

Wissen Sie, was »Kappa« bedeutet? Also nicht auf Griechisch, auf Internet? Wusste ich bis vor Kurzem auch nicht.

Es war einmal ein japanische­s Fabelwesen. Kein sehr sympathisc­hes übrigens. Es lebte in Flüssen oder Teichen und tötete unvorsicht­ige Menschen, indem es sie erst unter Wasser zerrte und dann die Leber herausriss. Andere besondere Merkmale: Es war grün, klaute gern Gurken und Nudeln, furzte ununterbro­chen, weshalb es in seiner Nähe unangenehm roch, und es forderte Menschen hin und wieder zum Sumoringen heraus. Da Kappas sehr einfältig waren, konnte man sie leicht besiegen. Man musste sich nur verbeugen. Dann verbeugte das Kappa sich auch, dabei rann Wasser aus ihm aus, und es verlor seine Kraft.

Es war einmal ein Informatik­er und Gamer, irgendwo in den USA, der wie viele Gamer ein Faible für die japanische Mythologie hatte. Und ein Faible für Emojis, also diese kleinen bunten Bildchen von zwinkernde­n Smileys und sich die Augen zuhaltende­n Äffchen. Als er für eine Internetse­ite einen Chat-Client entwickeln sollte, schmuggelt­e er ein Emoji hinein, das ihn selbst zeigte. Das Foto, das er dafür verwendete, war kein besonderes Foto, einfach nur das von seiner Mitarbeite­r-ID. Es zeigte ihn, wie er lächelte. Ein bisschen schief übrigens, es schaute verschmitz­t aus. Josh DeSeno, so hieß der Informatik­er, nannte das Emoji „Kappa“. Ohne bestimmten Grund. Er mochte eben Kappas. Das digitale Osterei. Es war einmal ein anderer Gamer, der unterhielt sich mit anderen Nutzern auf der Seite Justin-TV. Er gab die Buchstaben­kombinatio­n „Kappa“ein. Wir wissen nicht, warum er das tat, ob er den zehnten Buchstaben des griechisch­en Alphabets meinte oder das japanische Monster, ob er sich Gurkenmaki bestellen wollte oder sich einfach nur vertippt hatte. Jedenfalls poppte das Foto von Josh DeSeno auf. Der Gamer freute sich über den unerwartet­en Fund, über das „Osterei“, so nennt man das nämlich auf Internet. Ihm gefiel das verschmitz­te Lächeln, und er fing an, es absichtlic­h zu verwenden.

Es war einmal eine 14-Jährige irgendwo in Österreich, die gern „Minecraft“oder „Sims“oder „League of Legends“spielte und oft mit anderen chattete, die ebenfalls gern „Minecraft“oder „Sims“oder „League of Legends“spielten. Sie wusste nicht viel von japanische­n Monstern, gar nichts von einem US-amerikanis­chen Informatik­er namens Josh DeSeno, und sie hatte auch noch nie von dessen Emoji mit dem verschmitz­ten Lächeln gehört. Aber wenn sie ihren Freunden sagen wollte, dass sie etwas nur ironisch meinte, alles eh nur Spaß, dann verwendete sie keinen Zwinkersmi­ley, den fand sie nämlich mittlerwei­le fad, sondern sie schrieb (oder sagte): „Kappa“. Einfach nur: „Kappa“.

Es war eine Mutter, die unterhielt sich mit ihrer 14-jährigen Tochter . . .

To be continued.

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