Die Presse am Sonntag

»Jeder denkt das eine, doch dafür ist’s zu heiß«

Vergessen wir Bamba und Bamboleo, hören wir lieber Songs, die von Hitze handeln.

- VON THOMAS KRAMAR

Unter den Argumenten, die gegen den Sommer vorgebrach­t werden, ist der Sommerhit vielleicht das schlagends­te: Er wurmt die Ohren mit All-inclusive-Melodien, klappernde­n und klatschend­en Geräuschen und jener schalen Bacardi-Lebensfreu­de, die bewusste Menschen in den sinnlosen Alkoholism­us treibt. Bamba, Bamboleo, Bailanda, Mambo, Macarena, Malibu, das muss und soll nicht sein. Strada del sole sowieso nicht. Höchstens Mosambik, wenn Bob Dylan darüber singt. Oder doch lieber, vom selben Album („Desire“), die Abenteurer­erzählung „Isis“, mit der Ansichtska­rtenzeile: „We came to the pyramids all embedded in ice.“

Ja, das kühlt. Man kann aber auch, und das raten wir hier, Songs suchen, die die Hitze besingen. Erst recht, sozusagen um das Feuer mit Benzin zu bekämpfen, wie es David Bowie in „Cat People“ausdrückt. Dem Österreich­er fällt da sofort Falcos „Zuviel Hitze“ein: „Zu heiß für mich in dieser Stadt. Zuviel Hitze, und dann friere ich.“Ein Jahr davor, 1981, erschien ein Lied, das auch heute noch bei Temperatur­en über 30 Grad gern zitiert wird: „Sex in der Wüste“von Ideal, mit der Zeile „Jeder denkt das eine, doch dafür ist’s zu heiß.“Weniger direkt fassten die Talking Heads 1980 in „Born under Punches (The Heat Is on)“die Ambivalenz der Hitze: „All I want is to breathe“, singt David Byrne zu einem hypernervö­sen Rhythmus, dessen kinetische Energie sich direkt in Wärme zu verwandeln scheint. „Heatwave“. Aus einer Zeit, in der die Hitze noch einen guten Namen hatte, stammt „Heatwave“von Martha & The Vandellas (1963), hitzig fast bis zur Hysterie, die The Who in ihrer kongeniale­n Coverversi­on (1966) dann tatsächlic­h erreichten. Wieder ein Jahr später sang David Bowie „In the Heat of the Morning“, mit Jazz-Arrangemen­ts, die damals schon retro waren: Wie herrlich altklug dieser Mann am Morgen seines Lebens klang! Auf seinem vorletzten Album, „The Next Day“(2013), fand sich „Heat“, ein Song, der wie vor Hitze flirrende Luft klingt. Bowie singt dazu mit kühler Verzweiflu­ng über das permanente Ende der Welt: „The night was always falling.“Auch eine Sommervisi­on.

Den Test der Zeit deutlich schlechter bestanden hat Glenn Frey mit „The Heat Is on“: der Ex-Hippie als Goldketter­l-Yuppie mit neuer Klimaanlag­e. Oder Billy Idol mit „Hot in the City“: So klang damals eine heiße Disco in der Fantasie eines Modepunks, den der Türsteher nicht hereinlass­en wollte.

Drinnen hörte man wohl das coole „Too Hot“von Kool & the Gang oder das leicht zickige „Too Hot Ta Trot“von den Commodores. Als Mick Jagger sich in den späten Siebzigerj­ahren auf die Tanzfläche traute, diagnostiz­ierte er bald: „I’m so hot for her, but she’s so cold.“Und er führte aus: „I’m the burning bush, I’m the burning fire, I’m the bleeding volcano.“Könnte es sein, dass solche erotischen Metaphern in der Ära der Klimawande­l-Angst an Attraktivi­tät verloren haben? „It’s hot, even for February“, singt Lana Del Rey in ihrem neuen Song „Heroin“: „Something ’bout this sun has made these kids get scary.“Was wird da erst im August sein? Eines sicher: heiße Lieder.

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