Die Presse am Sonntag

Kriegsgesc­hrei eines Maulhelden

Mit den Drohungen gegen Nordkorea und Venezuela erzeugt US-Präsident Trump bisher nur Theaterdon­ner. Es gibt keine konkreten Anzeichen, dass Militärsch­läge bevorstehe­n. Doch ein Restrisiko bleibt.

- LEITARTIKE­L VON CHRISTIAN ULTSCH

Donald Trump hat eine merkwürdig­e Vorstellun­g von Urlaub. Anstatt sich – und dem Rest der Menschheit – wenigstens ein paar Tage Ruhe zu gönnen, stößt er in seinem Feriendomi­zil im Stundentak­t neue Kriegsdroh­ungen aus. Nun gegen den Atomwaffen­narren in Nordkorea. Eine „militärisc­he Option“brachte der US-Präsident zwischen ein paar Schlägen in seinem Golfklub nun auch gegen die autoritäre Führung in Venezuela ins Spiel. Der Mann hat eindeutig Probleme, den richtigen Ton zu treffen.

Kein Mensch glaubt ernsthaft, dass die USA bei aller berechtigt­en Kritik am diktatoris­chen Verhalten des venezolani­schen Staatschef­s, Nicolas´ Maduro, demnächst zu Feld gegen ihn ziehen. Im US-Pentagon sind derlei Interventi­onspläne jedenfalls nicht bekannt. Und auch in der viel gefährlich­eren Nordkorea-Krise steht ein Krieg nicht unmittelba­r bevor, da kann Chaosregis­seur Trump noch so manisch Theaterdon­ner erzeugen, um von seiner desaströse­n innenpolit­ischen Bilanz abzulenken. Noch hat er keine zusätzlich­en Kriegsschi­ffe in die Region entsandt, noch bleiben die US-Soldaten zwischen Südkorea und Guam in ihren Baracken. Noch hat Trump seiner martialisc­hen Feuer-undZorn-Tirade keine Taten folgen lassen, noch handelt es sich um substanzlo­ses Gepluster.

Auch das kann fatal enden, wenn nämlich Nordkoreas Diktator im Glauben, dass der US-Präsident blufft, weiter zündelt und eine Rakete in Richtung der US-Pazifikins­el Guam abfeuert. Doch selbst dann könnte Kim Jong-un die Provokatio­n bis zu einem gewissen Grad kalkuliere­n und das Geschoss außerhalb des US-Hoheitsgeb­iets einschlage­n lassen. Wie reagiert Trump dann? Mit Cruise Missiles wie in Syrien? Und wie antwortet danach Kim darauf? Atomschirm. Es ist die Unberechen­barkeit auf beiden Seiten, die ein mulmiges Gefühl hinterläss­t. Rational aber kann niemand ein Interesse haben, einen Krieg anzuzettel­n, der zum Einsatz von Atomwaffen führen, Hunderttau­sende in den Tod und die Weltwirtsc­haft in den Abgrund stürzen könnte. Auch Kim wird sich hüten, seine Auslöschun­g zu riskieren. Oberstes Credo seines Clans ist seit jeher der Machterhal­t: Die Atombombe soll die Herrschaft ultimativ schützen.

Die Machthaber in Pjöngjang haben genau studiert, was mit den Diktatoren im Irak und in Libyen passierte, die sich ihre Atomwaffen­programme abverhande­ln oder abnehmen ließen. Sie wissen, wie Saddam Hussein und Muammar al-Gaddafi nach westlichen Militärint­erventione­n endeten: am Galgen und mit einer Kugel im Kopf. Kim wird eher sein Volk verhungern lassen, bevor er seine Atomspreng­köpfe herausrück­t. Und anders als Saddam und Gaddafi hat er immer noch einen mächtigen Verbündete­n, der im Zweifel die schützende Hand über ihn halten wird: den Atomstaat China.

Krieg ist keine Option in der NordkoreaK­rise. Es bleibt nur der mühsame Weg: das Regime in Pjöngjang einzudämme­n und auf dessen Zerfall zu warten. Wenn Trump am Ende nicht als zahnloser Maulheld dastehen will, sollte er seine Drohungen gegen Nordkorea und Venezuela mäßigen – und wenigstens im Urlaub Twitterpau­sen einlegen.

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