Die großen Tage der Kleinparteien
Bei der Nationalratswahl könnten diesmal so viele Listen wie noch nie am Stimmzettel stehen. Dazu müssen die Kleinparteien aber zuerst noch 2600 Unterschriften sammeln. Ein (zu) schwieriges Unterfangen.
Spätestens um 17 Uhr wird für so manche Partei alles vorbei sein – und zwar nicht erst bei der Nationalratswahl-Hochrechnung am 15. Oktober, sondern bereits am kommenden Freitag. Schon da kann der Plan, mit einer (neuen) Partei ins Parlament einzuziehen, scheitern. Denn wer bis zum 18. August um 17 Uhr nicht genügend Unterstützungserklärungen gesammelt hat, wird erst gar nicht auf dem Wahlzettel stehen.
Dort würden sich von der Kommunistischen Partei (KPÖ Plus) über die Christliche Partei (CPÖ) bis hin zur EUAustrittspartei oder der Liste „Gilt“des Kabarettisten Roland Düringer viele gerne sehen. Zehn Listen sammeln derzeit Unterschriften. Sie versuchen Wähler vor den Gemeindeämtern, per Brief, Telefon und E-Mail sowie in den sozialen Medien zu überzeugen. Ein schwieriges Unterfangen, bei dem nun jeder Tag zu zählen scheint. Denn auch kurz vor Fristende hat, wie ein Rundruf der „Presse am Sonntag“zeigt, keine der Kleinparteien die notwendigen 2600 Unterschriften bundesweit beisammen.
Viele unterschriftsammelnde Fraktionen hadern mit der Frist. Rund dreieinhalb Wochen, konkret vom 25. Juli bis 18. August, ist Zeit dafür. „Das ist ein großes Fiasko. Die Frist fällt diesmal in die Haupturlaubszeit“, sagt Hannes Hausbichler von der Männerpartei. Auch die zuletzt hohen Temperaturen machten den Kleinparteien zu schaffen. Es fehlt die Laufkundschaft auf den bekannten Plätzen und vor den Gemeindeämtern. „Die Leute haben etwas Besseres zu tun, als bei fast 40 Grad aufs Amt zu gehen“, heißt es aus Düringers „Partie“mit dem Namen „Gilt“.
Einfach ist es aber auch an kühleren Tagen nicht. Eine Unterstützungserklärung ist nicht nur eine schnelle Unterschrift. Es braucht deutlich mehr dazu. Da muss das Formular besorgt und der exakte Parteiname eingetragen werden. Mit Formular und Ausweis wird der Weg zum Gemeindeamt oder Magistrat der Hauptwohnsitzgemeinde angetreten. Dort erfolgt die Unterschrift und die Überprüfung, ob der Unterstützer überhaupt in der Wählerevidenz ist. In kleinen Gemeinden ist dieser Akt ein
»Die Leute haben etwas Besseres zu tun, als bei 40 Grad aufs Amt zu gehen.«
deutliches politisches Statement. Das gibt nicht jeder gerne ab. »Schikanös und bürgerfeindlich«. Die Unterstützungserklärung muss danach noch zur Partei gebracht oder per Post geschickt werden. Denn nur die Partei kann die Einreichung bei der Landeswahlbehörde vornehmen. 2600 Unterschriften braucht es in ganz Österreich. Dabei gibt es eine Quote pro Bundesland. 100 Unterschriften sind es in den kleinsten Ländern wie Burgenland und Vorarlberg und 500 in den größten Ländern wie Niederösterreich und Wien.
Insgesamt sei das ein „schikanöses, bürgerfeindliches und nicht mehr zeitgemäßes System“, wie Rudolf Gehring von der Christlichen Partei es aus- drückt. Ähnliche klingt das bei der Düringer-Partei: „Dieser Prozess mit seinen bürokratischen Hürden ist dem 21. Jahrhundert nicht würdig.“Anstatt auf Digitalisierung würde hier per Gesetz auf den mühsamen Amtsweg und den im Sommer besonders langsamen Postweg gesetzt. Kleinparteien, so der Tenor unter diesen, würde der Weg auf den Stimmzettel und damit ins Parlament bewusst erschwert.
Selbst Sympathisanten seien unter diesen Umständen nicht leicht zu einer Unterschrift zu bewegen. Man kämpft, wie es der Männerparteichef ausdrückt, gegen den „Hängematteneffekt“. „Viele glauben, dass sie nicht extra aufs Amt rennen brauchen, weil das genügend andere tun“, sagt Hausbichler. Er hakt bei möglichen Unterstützern deshalb per Telefon nach. Das bringe mehr, als vor den Gemeindeämtern zu stehen.
Ähnlich sieht das die Christliche Partei. Auch hier wird lieber auf bereits nahestehende Wähler und weniger auf die Überzeugung Unbekannter gesetzt. „Aus einem Atheisten wird kein Unterstützer der Christlichen Partei“, sagt Gehring. Er ist zuversichtlich, es mittels Mobilisierung in den eigenen Reihen auf den Stimmzettel zu schaffen. Drei Abgeordnetenstimmen reichen. Die besten Chancen dürfte die KPÖ haben. Sie stand stets auf dem Stimmzettel und kann sich im Vergleich zu anderen Kleinparteien bundesweit auf funktionierende Strukturen verlassen. Aussichtslos scheint auch die Kandidatur von Düringers Partei nicht zu sein. Bereits zu Wochenmitte hatte man in einzelnen Ländern, etwa in Niederösterreich, die magische Marke erreicht.
Die EU-Austrittspartei Robert Marschalls sowie die Demokratische Alternative von Gerhard Kuchta scheinen hingegen etwas desillusioniert. Sie wollen aber genauso wie die Freie heimatliche Bewegung (FHB), die Obdachlosenpartei, die Weißen, die für direkte Demokratie kämpfen, und die von Migranten gegründete Neue Bewegung für die Zukunft (NBZ) bis zuletzt sammeln.
Während die einen noch 2600 Unterstützer suchen, reichen anderen drei Stimmen. Für den Ex-Grünen Peter Pilz und den aus der FPÖ ausgeschlossenen Salzburger Ex-Landesparteichef Karl Schnell werden nämlich zumindest drei Nationalratsabgeordnete unterschreiben. Damit werden auch die Liste Pilz und die Freie Liste Österreich (FLÖ) neben SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen und Neos fix auf dem Stimmzettel stehen. Schaffen es noch vier Kleinparteien bundesweit anzutreten, wird der Wahlzettel diesmal länger als je zuvor sein.
August.
Das ist der Stichtag. Bis 17 Uhr müssen am Freitag die Landeswahlvorschläge samt Unterstützungserklärungen erfolgen.
Unterschriften.
Als Unterstützung reicht die Unterschrift von mindestens drei Nationalratsabgeordneten. Wer diese nicht hat, muss Bürgerstimmen sammeln.
»Dieser Prozess mit seinen bürokratischen Hürden ist des 21. Jahrhunderts nicht würdig.«
Unterstützer.
Österreichweit müssen 2600 Unterstützungserklärungen gesammelt werden. In den kleinen Ländern Burgenland und Vorarlberg reichen 100 Unterschriften, für Kärnten, Salzburg und Tirol braucht man 200, in Oberösterreich und der Steiermark 400 und in Niederösterreich und Wien 500.
Listen.
Am bisher längsten Stimmzettel bei einer Nationalratswahl standen 14 Fraktionen (allerdings nur in einzelnen Bundesländern). Österreichweit lag der Rekord bei zehn Bewerbern.