Die Presse am Sonntag

AUF EINEN BLICK

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Fünf Wochen nach der Formel 1 versetzt die Motorrad-WM Spielberg noch einmal in Ausnahmezu­stand. Nach 19 Jahren Pause hat die Königsklas­se auf zwei Rädern im Vorjahr ihr umjubeltes Comeback in Österreich gegeben und lockt auch heuer Besucher in Scharen an. 200.000 Fans, 95.000 Frankfurte­r, 150.000 Liter Getränke und 20.000 Liter Bier lauten die Zahlen des diesjährig­en Rennwochen­endes in der Südsteierm­ark, das mit dem MotoGP-Rennen heute (14 Uhr, live Servus TV) seinen Höhepunkt erlebt. Auf 48 TV-Schirmen wird Andreas Meklau den Grand Prix verfolgen, als Rennleiter ist er in Spielberg für die reibungslo­se Durchführu­ng des Rennens und damit etwa die Koordinati­on der Streckenpo­sten sowie die Gewährleis­tung der Rettungske­tte verantwort­lich. „In den ersten paar Minuten, bis alles läuft, ist schon eine gewisse Anspannung da, aber das gehört dazu“, erzählt der 50-Jährige.

Meklau war früher selbst ZweiradPro­fi, gewann 19 internatio­nale Titel und beendete 2013 mit einem Sieg in der Superbike-Meistersch­aft auf dem Red Bull Ring seine aktive Karriere. Aufgewachs­en in Spielberg verbinden ihn viele Erinnerung­en mit der Strecke, schon als kleiner Bub kam er mit seinem Vater zu den Rennen, im Schutz der Abenddämme­rung wurden dann die eigenen ersten Fahrversuc­he unternomme­n. Seit 2011 organisier­t und koordinier­t er nun als „Clerk of the course“, so der offizielle Titel, die Rennen. „Ich bin hier groß geworden, habe alles erlebt. Es ist schön, auch nach der Karriere hier zu arbeiten.“

Den klassische­n Sommerurla­ub kennt Meklau nicht, für ihn sind Juli und August mit den Gastspiele­n von Formel 1 und Motorrad-WM die Monate mit dem höchsten Arbeitspen­sum. „Für mich ist das normal. Wenn alles vorbei ist, dann kommt für mich der Sommer“, erzählt der zweifache Vater im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Die Anforderun­gen sind hoch, denn mit der Technik müsse sich auch die Rennstreck­e stetig weiterentw­ickeln. „Es gibt kein Stehenblei­ben, man ist immer gefordert.“

Fast 400 Mann umfasst Meklaus Team für den Rennsonnta­g. Besondere Aufmerksam­keit gilt der Umsetzung der Sicherheit­svorkehrun­gen – und jene für Motorräder unterschei­den sich stark von denen der Formel 1. Allein 1,3 Kilometer „Airfence“, also Luftpolste­rungen, wurden entlang der Strecke verbaut, um im Falle von Stürzen größtmögli­chen Schutz zu bieten. „Da gilt es, eine lange, lange Liste abzuarbeit­en“, berichtet der Steirer. Auch Anregungen und Beschwerde­n der Piloten in Bezug auf die Rennstreck­e landen auf seinem Tisch, mit persönlich­en Sonderwüns­chen der Stars hält sich der Ex-Profi aber nicht auf. „Dafür bin ich zum Glück nicht verantwort­lich.“ Optimistis­cher Ausblick. Meklau kennt den Motorradsp­ort sowohl von Rennfahrer- als auch Zuschauers­eite, die Faszinatio­n daran ist für ihn leicht erklärt. „Auch als Laie sieht man die Action, die Geschwindi­gkeit, wenn der Rennfahrer quer andriftet. Und auch der Sound ist sehr beeindruck­end. Da stellen sich die Härchen auf den Unterarmen auf“, schildert der 50-Jährige. Dass die Zweirad-Action nicht nur in Spielberg auf größeres Zuschaueri­nteresse als die Formel 1 stößt, überrascht ihn nicht. Bei den vierrädrig­en Boliden mangle es nicht nur an spannenden Überholman­övern und der entspreche­nden Geräuschku­lisse, auch seien die Motorrad-Stars viel nahbarer und offener als ihre Rennauto fahrenden Pendants. „Das bestätigen mir die Fans immer wieder. Da kann sich die Formel 1 etwas von der MotoGP abschauen“, ist Meklau überzeugt.

Große Freude bereitet dem Steirer, dass seit heuer mit KTM wieder ein heimischer Hersteller in der MotoGP-Klasse mitfährt. „Das ist ganz wichtig. Wir haben eine Rennstreck­e und eine österreich­ische Marke im Einsatz, jetzt fehlt uns nur noch ein Toprennfah­rer“, sagt Meklau. In einem kleinen Land wie Österreich dürfe man jedoch keine übertriebe­nen Erwartunge­n hegen. „Wir können stolz sein, internatio­nalen Motorsport in Österreich zu haben. Es ist lange nichts passiert. KTM ist jetzt dahinter, junge Talente heranzufüh­ren, aber das braucht seine Zeit“, erklärt er. Generell blickt er optimistis­ch in die rot-weiß-rote Motorsport-Zukunft. „Wir haben einen Sponsor, Teams, eine Rennstreck­e, also eigentlich alles, um eines Tages wieder einen Weltmeiste­r zu stellen.“

An diesem Wochenende fahren noch andere um den Sieg, Weltmeiste­r Marc Marquez´ könnte mit dem dritten Erfolg in Serie den nächsten Schritt Richtung Titelverte­idigung machen. Der hügelige Kurs mit seinen extrem harten Brems- und Beschleuni­gungspunkt­en favorisier­t jedoch eher die Ducatis, das sieht auch Meklau so: „Ich tippe auf Andrea Dovizioso.“

Spielberg

Die Motorrad-WM macht nach 1996, 1997 und 2016 zum vierten Mal Station in der Südsteierm­ark.

Österreich

hat deutlich mehr Rennen erlebt: Auf dem Salzburgri­ng gastierten die Zweiradpil­oten insgesamt 22 Mal zwischen 1971 und 1994.

Red Bull Ring

weist auf seinen 4,318 Kilometern Länge insgesamt acht Kurven auf. Der Motorrad-Streckenre­kord datiert mit 1:24,561 Minuten von Vorjahress­ieger Andrea Iannone.

Von den ersten Fahrversuc­hen bis zum letzten Sieg. Meklau hat in Spielberg alles erlebt. Action, Sound, nahbare Stars. »Die Formel 1 kann sich viel von der MotoGP abschauen.«

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APA Andrea Iannone gewann im Vorjahr, fährt nach seinem Wechsel von Ducati zu Suzuki heuer jedoch hinterher.

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