»Ich muss nicht alles verstehen«
Peter Stöger, Erfolgscoach des 1. FC Köln, spricht vor dem Bundesliga-Auftakt mit der »Presse am Sonntag« über Unsummen im Fußball, Chinas Marketingoffensive und seinen persönlichen Karriereplan. »Der Schritt in die Regionalliga war der wichtigste.«
Seit Sie 2013 in Köln gelandet sind, geht es mit dem Verein und Ihnen unentwegt aufwärts. Können Sie die Lobeshymnen auf Ihre Person eigentlich noch hören? Peter Stöger: Ich nehme Lob gern an, weiß es aber auch einzuordnen. Wir wissen, dass die vergangene Saison außerordentlich und wirklich nichts Selbstverständliches war. Wenn du mit Köln relativ erfolgreich bist, sich der Klub erstmals seit 25 Jahren für den Europacup qualifiziert, dann bist du vereinsintern schnell einmal der beliebteste Trainer. Bei all diesen Sympathiekundgebungen kommt, glaube ich, vieles zusammen. Der Erfolg, die Tatsache, dass ich gern in Köln arbeite und lebe. Lob hat immer mit der Vergangenheit zu tun, die Gegenwart aber holt dich relativ schnell ein. Auch deswegen sind wir in unserer Arbeit sehr geerdet. Köln ist neben Bayern, Leverkusen und Mainz der einzige Verein, der in den vergangenen drei Saisonen niemals auf einem Abstiegs- oder Relegationsplatz lag. Bedeutet Ihnen das etwas? Absolut, das zeigt ein gewisses Maß an Kontinuität. Wir waren nicht wahnsinnig gut, aber auch nie wahnsinnig schlecht, sondern immer einigermaßen stabil. Und stabil zu sein ist in der Bundesliga wirklich sehr schwierig. Selbst gestandene Klubs wie Schalke und Dortmund waren zwischenzeitlich auf den unteren Plätzen zu finden. Ich weiß nicht, ob die Bundesliga die beste Liga der Welt ist, aber für mich ist sie die ausgeglichenste. Köln wird diese Saison am ausgezeichneten fünften Platz aus der Vorsaison gemessen werden. Kann man im Grunde nur verlieren? Wir können uns nur an dem messen, was wir glauben, umsetzen zu können. Dass es in der vergangenen Saison zu Platz fünf gereicht hat, hat ja auch damit zu tun, dass andere ihre Qualitäten gar nicht ausgespielt haben, wir zu diesem Zeitpunkt aber zur Stelle waren. Als uns 2014 der Aufstieg in die Bundesliga gelungen ist, waren wir sofort mit der Frage konfrontiert, wann es Köln in den Europacup schafft, weil Freiburg, Mainz oder Augsburg es ja auch geschafft haben. Ich habe immer gesagt, dass dafür zwei Fälle eintreten müssen: Wir müssen eine richtig gute Saison spielen, die nicht zu erwarten ist. Und andere müssen eine schlechtere Saison spielen – beides ist eingetreten. Wie lautet dann also die Zielsetzung? Mit Platz neun haben wir in der Saison 2015/2016 die beste Platzierung seit 20 Jahren erreicht gehabt, die haben wir vergangene Saison nochmal getoppt. Wenn wir also in einem Bereich unterwegs sind, in dem wir uns in den Top Ten etablieren können, dann wäre das ideal. Alles andere, die Träumereien und Hoffnungen, soll so bleiben, wie es ist. Wir aber werden unseren nüchtern-sachlichen Zugang nicht verlieren. Und ich glaube, auch kein Insider oder Fußballfachmann wird erwarten, dass nach Platz fünf noch eine Steigerung folgen muss. Ein Platz in den Top Ten als Ziel ist kein zu niedrig gegriffenes Ziel, viele Klubs haben denselben Anspruch. Das wird spannend. Torjäger Anthony Modeste hat Köln gen China verlassen. Wer wird für den Effzeh künftig also die Tore schießen? Unsere Aufgabe wird es sein, auch weiterhin Spiele zu gewinnen. Wir haben Jungs, die torgefährlich sein können, mit Jhon Cordoba´ einen Spieler dazubekommen, von dem wir glauben, dass er treffen kann. Aber wir hätten in dieser Saison auch von Modeste nicht erneut 25 Tore erwarten können. Die Diskussion, wer die Tore schießt, hätten wir vielleicht ohnehin gehabt. Halten Sie mit Ihren Exspielern in der Regel Kontakt, oder ist das persönliche Verhältnis mit einem Wechsel beendet? Es ist unterschiedlich. Ich habe noch Kontakt zu Spielern, mit denen ich beim GAK zusammengearbeitet habe, auch mit ein paar von Wiener Neustadt oder Austria und natürlich von Köln. Es ist aber nicht so, dass ich mit einem Spieler, der vierzig Tore für den Klub geschossen hat, zwangsläufig gut auskomme und jeden Tag mit ihm telefoniere. Auf der anderen Seite habe ich noch relativ viel Kontakt mit Spielern, die relativ wenig Einsatzzeit bekommen haben. Alles entwickelt sich. Wie gefällt Modeste China? Ich kann die Frage nicht beantworten, mit einigen Spielern ist Anthony aber in Kontakt. Darf ein Trainer auch mit seinen Spielern befreundet sein? Das ist eine Frage der Definition von Freundschaft. Ich nehme Exspieler aber auch gern einmal in Köln bei mir in der Wohnung auf, das passiert schon immer wieder einmal. Auch Kevin Wimmer? Kevin Wimmer ist in einer Kategorie, der kann sich im Hyatt ein Zimmer nehmen (lacht). Sie haben mit Köln die, wie Sie selbst sagen, härteste aller bisherigen Vorbereitungen durchgezogen. Wir mussten die Vorbereitung anders strukturieren, weil wir während der Saison weniger Zeit haben, an Montagen oder Dienstagen richtig zu trainieren, wenn wir Donnerstag Europacup spielen. Im Idealfall sind wir, auch im physischen Bereich, besser vorbereitet. Ob es funktioniert, wird die Saison zeigen. Köln wird in dieser Saison dem EuropaLeague-Wahnsinn verfallen. Sie wünschen sich eine Gruppe mit Austria und Milan. Austria ist mein Klub, aber ich würde mich auch über Altach oder Salzburg freuen. Allerdings, bei Austria wüsste ich, dass 20.000 Kölner mit nach Wien kommen. Und Milan ist deswegen ein Wunschlos, weil die Fans seit einigen Jahren davon singen, irgendwann nach Mailand zu fahren. Es wäre natürlich eine tolle Geschichte, sollten wir wirklich dorthinfahren.