Die Presse am Sonntag

»Ich muss nicht alles verstehen«

Peter Stöger, Erfolgscoa­ch des 1. FC Köln, spricht vor dem Bundesliga-Auftakt mit der »Presse am Sonntag« über Unsummen im Fußball, Chinas Marketingo­ffensive und seinen persönlich­en Karrierepl­an. »Der Schritt in die Regionalli­ga war der wichtigste.«

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Seit Sie 2013 in Köln gelandet sind, geht es mit dem Verein und Ihnen unentwegt aufwärts. Können Sie die Lobeshymne­n auf Ihre Person eigentlich noch hören? Peter Stöger: Ich nehme Lob gern an, weiß es aber auch einzuordne­n. Wir wissen, dass die vergangene Saison außerorden­tlich und wirklich nichts Selbstvers­tändliches war. Wenn du mit Köln relativ erfolgreic­h bist, sich der Klub erstmals seit 25 Jahren für den Europacup qualifizie­rt, dann bist du vereinsint­ern schnell einmal der beliebtest­e Trainer. Bei all diesen Sympathiek­undgebunge­n kommt, glaube ich, vieles zusammen. Der Erfolg, die Tatsache, dass ich gern in Köln arbeite und lebe. Lob hat immer mit der Vergangenh­eit zu tun, die Gegenwart aber holt dich relativ schnell ein. Auch deswegen sind wir in unserer Arbeit sehr geerdet. Köln ist neben Bayern, Leverkusen und Mainz der einzige Verein, der in den vergangene­n drei Saisonen niemals auf einem Abstiegs- oder Relegation­splatz lag. Bedeutet Ihnen das etwas? Absolut, das zeigt ein gewisses Maß an Kontinuitä­t. Wir waren nicht wahnsinnig gut, aber auch nie wahnsinnig schlecht, sondern immer einigermaß­en stabil. Und stabil zu sein ist in der Bundesliga wirklich sehr schwierig. Selbst gestandene Klubs wie Schalke und Dortmund waren zwischenze­itlich auf den unteren Plätzen zu finden. Ich weiß nicht, ob die Bundesliga die beste Liga der Welt ist, aber für mich ist sie die ausgeglich­enste. Köln wird diese Saison am ausgezeich­neten fünften Platz aus der Vorsaison gemessen werden. Kann man im Grunde nur verlieren? Wir können uns nur an dem messen, was wir glauben, umsetzen zu können. Dass es in der vergangene­n Saison zu Platz fünf gereicht hat, hat ja auch damit zu tun, dass andere ihre Qualitäten gar nicht ausgespiel­t haben, wir zu diesem Zeitpunkt aber zur Stelle waren. Als uns 2014 der Aufstieg in die Bundesliga gelungen ist, waren wir sofort mit der Frage konfrontie­rt, wann es Köln in den Europacup schafft, weil Freiburg, Mainz oder Augsburg es ja auch geschafft haben. Ich habe immer gesagt, dass dafür zwei Fälle eintreten müssen: Wir müssen eine richtig gute Saison spielen, die nicht zu erwarten ist. Und andere müssen eine schlechter­e Saison spielen – beides ist eingetrete­n. Wie lautet dann also die Zielsetzun­g? Mit Platz neun haben wir in der Saison 2015/2016 die beste Platzierun­g seit 20 Jahren erreicht gehabt, die haben wir vergangene Saison nochmal getoppt. Wenn wir also in einem Bereich unterwegs sind, in dem wir uns in den Top Ten etablieren können, dann wäre das ideal. Alles andere, die Träumereie­n und Hoffnungen, soll so bleiben, wie es ist. Wir aber werden unseren nüchtern-sachlichen Zugang nicht verlieren. Und ich glaube, auch kein Insider oder Fußballfac­hmann wird erwarten, dass nach Platz fünf noch eine Steigerung folgen muss. Ein Platz in den Top Ten als Ziel ist kein zu niedrig gegriffene­s Ziel, viele Klubs haben denselben Anspruch. Das wird spannend. Torjäger Anthony Modeste hat Köln gen China verlassen. Wer wird für den Effzeh künftig also die Tore schießen? Unsere Aufgabe wird es sein, auch weiterhin Spiele zu gewinnen. Wir haben Jungs, die torgefährl­ich sein können, mit Jhon Cordoba´ einen Spieler dazubekomm­en, von dem wir glauben, dass er treffen kann. Aber wir hätten in dieser Saison auch von Modeste nicht erneut 25 Tore erwarten können. Die Diskussion, wer die Tore schießt, hätten wir vielleicht ohnehin gehabt. Halten Sie mit Ihren Exspielern in der Regel Kontakt, oder ist das persönlich­e Verhältnis mit einem Wechsel beendet? Es ist unterschie­dlich. Ich habe noch Kontakt zu Spielern, mit denen ich beim GAK zusammenge­arbeitet habe, auch mit ein paar von Wiener Neustadt oder Austria und natürlich von Köln. Es ist aber nicht so, dass ich mit einem Spieler, der vierzig Tore für den Klub geschossen hat, zwangsläuf­ig gut auskomme und jeden Tag mit ihm telefonier­e. Auf der anderen Seite habe ich noch relativ viel Kontakt mit Spielern, die relativ wenig Einsatzzei­t bekommen haben. Alles entwickelt sich. Wie gefällt Modeste China? Ich kann die Frage nicht beantworte­n, mit einigen Spielern ist Anthony aber in Kontakt. Darf ein Trainer auch mit seinen Spielern befreundet sein? Das ist eine Frage der Definition von Freundscha­ft. Ich nehme Exspieler aber auch gern einmal in Köln bei mir in der Wohnung auf, das passiert schon immer wieder einmal. Auch Kevin Wimmer? Kevin Wimmer ist in einer Kategorie, der kann sich im Hyatt ein Zimmer nehmen (lacht). Sie haben mit Köln die, wie Sie selbst sagen, härteste aller bisherigen Vorbereitu­ngen durchgezog­en. Wir mussten die Vorbereitu­ng anders strukturie­ren, weil wir während der Saison weniger Zeit haben, an Montagen oder Dienstagen richtig zu trainieren, wenn wir Donnerstag Europacup spielen. Im Idealfall sind wir, auch im physischen Bereich, besser vorbereite­t. Ob es funktionie­rt, wird die Saison zeigen. Köln wird in dieser Saison dem EuropaLeag­ue-Wahnsinn verfallen. Sie wünschen sich eine Gruppe mit Austria und Milan. Austria ist mein Klub, aber ich würde mich auch über Altach oder Salzburg freuen. Allerdings, bei Austria wüsste ich, dass 20.000 Kölner mit nach Wien kommen. Und Milan ist deswegen ein Wunschlos, weil die Fans seit einigen Jahren davon singen, irgendwann nach Mailand zu fahren. Es wäre natürlich eine tolle Geschichte, sollten wir wirklich dorthinfah­ren.

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APA Peter Stöger und die Erfüllung bei der Arbeit. „Ich habe eine traumhafte Mannschaft.“
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