Die Presse am Sonntag

Und ewig lockt die Jagd auf Bayern München

Der Titelverte­idiger gilt nicht zuletzt aufgrund der Verpflicht­ung des Kolumbiane­rs James Rodr´ıguez als Top-Favorit. Können Leipzig oder Dortmund überrasche­n?

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Was vermissen Sie nach Deutschlan­d an Österreich? Es geht immer um Menschen. Zum Glück kommen sehr viele Freunde gern nach Köln, nicht nur zu den Spielen, sie bleiben meist auch etwas länger. Ich bin leidenscha­ftlicher Wiener, aber es gibt in Köln nichts im täglichen Leben, was mir fehlt. Köln ist echt eine coole Stadt, die mir ans Herz gewachsen ist. Sie wohnen bewusst in der Nähe des Stadions und des Trainingsg­eländes. Möchte man denn nicht irgendwann Abstand vom Alltäglich­en gewinnen? Ich wollte von Anfang an in Gehdistanz wohnen. Ich gehe am Spieltag zu Fuß ins Stadion und danach auch wieder nach Hause, es sind nur ein paar Minuten durch den Wald. Dort ist es ruhig, entspannen­d, nach dem Spiel kann ich so meine Gedanken ordnen. Was haben Sie sich zuletzt gegönnt? Keine großen Dinge. Vielleicht ist es Luxus, zehn Brillen zu besitzen. Ein anderer würde vielleicht meinen, ich bin nicht ganz dicht. Ich habe unlängst jemandem erklärt, dass es Luxus ist, wenn du dir wie ich für ein paar Hundert Euro Terrassenm­öbel in Köln kaufst, aber hier nur ein paar Stunden im Jahr die Sonne scheint. Jetzt geht es schon wieder Richtung Herbst, und ich muss mir etwas kaufen, womit ich die Möbel abdecken kann. Das ist Luxus (lacht). Sie haben der Debatte um Millionent­ransfers und horrende Gehälter eine interessan­te Sichtweise gegeben, indem Sie gesagt haben, dass Sie sich daran nicht stören, weil Sie selbst Teil dieses Geschäfts sind. Ärgern Sie sich über diejenigen, die die aktuelle Entwicklun­g öffentlich kritisiere­n? Ich muss nicht alles verstehen. Und ich muss auch nicht alles mitmachen. Jedem steht es frei, ein tolles Angebot auszuschla­gen und zu sagen, ich mache es für viel weniger Geld. Das ist allerdings noch eher selten passiert. Wenn irgendetwa­s jemanden aufschreck­t, geht es in den seltensten Fäl- len um seine eigene Person. Dass sich jemand selbst hinterfrag­t, ob es moralisch vertretbar ist, so viel Kohle zu verdienen, davon habe ich noch nie gehört. Es geht also immer um andere, und den Schuh möchte ich mir ganz einfach nicht anziehen. Mir geht es gut, ich habe einen lässigen Job in einer super Stadt mit einer traumhafte­n Mannschaft. Und ich verdiene gute Kohle. Es gibt sehr viele Menschen, die sehr viel mehr als ich in diesem Bereich verdienen, aber es gibt auch zig Millionen Menschen, die weitaus weniger verdienen. Ich kann das also schon einordnen. Irritieren Sie die 220 Millionen Euro Ablöse für Neymar? Ich glaube, es gibt jemanden, der die 222 Millionen zahlen kann, sonst wäre dieser Transfer nicht zustande gekommen. Es gibt Menschen, für die sind 222 Millionen so viel wert wie die Monatsmiet­e für jemand anderen. Über das Ungleichge­wicht kann man immer diskutiere­n, anprangern möchte ich es aber nicht, weil es eben möglich ist, und es Leute gibt, die diese Kohle haben. Momentan habe ich aber das Gefühl, dass nur einige wenige etwa nach China gewechselt sind, wir reden hier ja nicht von 500 Spielern. Es gibt also Leute in China, die sich diese Spieler leisten möchten – und es gibt in Paris jemanden, der sich Neymar leisten möchte. Ich muss nicht alles gut finden, aber ich habe auch keine Lust, immer alles beinhart zu hinterfrag­en. Das ist nicht mein Zugang. Uli Hoeneß meinte einst, Deutschlan­d und Europa müssten aufpassen, dass man von China nicht überholt werde. Das glaube ich ganz einfach nicht. Aber ich verstehe den chinesisch­en Ansatz. Prominente Spieler und Trainer ins eigene Land zu holen, um den Sport populär zu machen, ist eben der schnellste Weg. Ob es der richtige Weg ist, ist eine andere Geschichte. So überrasche­nd ist dieser Weg des Marketings für mich nicht, dasselbe Phänomen hat es in den USA ja auch schon gegeben. Beckenbaue­r ist auch nicht wegen der Einkaufsst­raßen nach New York gegangen. Die besten Mannschaft­en waren und sind immer noch in Europa. Wie lang wollen Sie Fußballtra­iner sein? Ich habe das Gefühl, dass ich erst angefangen habe. Ich habe keinen Karrierepl­an, den hatte ich auch nie. Vor sechseinha­lb Jahren hatte ich keinen Trainerjob, dann hat der GAK angerufen. Damals hätten wahrschein­lich viele gesagt, das wird eh nie wieder etwas mit dem Stöger. Jetzt fragen Sie mich, wie lang ich vorhabe, Trainer zu sein. Manche sind 25 Jahre beim gleichen Verein, andere nur 14 Tage. In welche Richtung es geht, weiß man nie. Irgendwann hat jemand gesagt: Wir denken von Spiel zu Spiel. So deppert ist der Spruch nicht. Würde etwas in Ihrer Vita fehlen, würden Sie nie österreich­ischer Teamchef werden? Momentan habe ich nicht das Gefühl, dass ich für mein Ego irgendetwa­s anderes brauche oder irgendjema­ndem etwas beweisen muss. Ich habe auch vor sechseinha­lb Jahren nicht gesagt, dass ich den GAK für meine Vita brauche. Der GAK hat mich einfach gefragt, ob ich Trainer sein will – und das wollte ich. Wahrschein­lich war das aber, obwohl es nur Regionalli­ga war, der wichtigste Schritt in meiner Trainerkar­riere, weil ich wieder im Geschäft war. Es kann sein, dass ich noch drei, vier oder sieben Jahre in Köln bin, dann nach Hause gehe und sage: Okay, das war’s. Dann würde es aber Leute geben, die sagen, ich habe nur Köln gemacht und mich nirgendwo anders behauptet. Sollte ich Köln aber irgendwann einmal verlassen und es funktionie­rt bei der nächsten Station nicht, dann wird es heißen: „Der Trottel ist von Köln weggegange­n.“Du kannst es nicht allen recht machen. Für mich ist Köln momentan einfach stimmig. Neue Anstoßzeit­en, alte Favoriten, viel Tradition. Nach 13-wöchiger Sommerpaus­e startet die Bundesliga am Freitag mit dem Spiel zwischen Bayern München und Bayer Leverkusen (20.30 Uhr, live in ZDF, Sky) in ihre 55. Saison. Die weitere Zerstückel­ung der Spieltage und die Einführung des Videobewei­ses werten viele Beobachter als unvermeidl­ichen Aufbruch in die Moderne. Wenig Veränderun­gen werden jedoch im Titelkampf erwartet. Ein Ende der nunmehr fünfjährig­en Münchner Alleinherr­schaft scheint nicht in Sicht. In einer Umfrage der Deutschen PresseAgen­tur gaben die Trainer ein deutliches Votum ab. 15 Coaches glauben an den sechsten Titel in Serie für Rekordmeis­ter FC Bayern. Immerhin zwei trauen auch Borussia Dortmund Platz eins zu – die meisten sehen den BVB und RB Leipzig als Herausford­erer.

Die Zeiten aber, in denen sich die Bayern 25 oder 19 Punkte Vorsprung wie 2013 und 2014 erspielten, sind nach Meinung des Mönchengla­dbacher Trainers Dieter Hecking aber vorbei. „Insgesamt ist die Liga in der Lage, den Abstand zu verkürzen. Die Bayern werden mehr Stolperste­ine auf ihrem Weg haben. Das kann die spannendst­e Saison aller Zeiten werden.“Die größere Ausgeglich­enheit der Liga stützt diese These. Außenseite­r wie Greuther Fürth, Paderborn, Darmstadt und Ingolstadt, die den Marktgeset­zen in den vergangene­n Jahren zumindest für kurze Zeit in erfrischen­der Manier trotzten, sind nicht mehr dabei. Mit dem VfB Stuttgart und Hannover 96 kehrten zwei Traditions­teams zurück, die in der ewigen Bundesliga­tabelle Rang fünf und 15 belegen. Eine Prognose, welche Klubs zu den Abstiegska­ndidaten zählen, scheint nicht zuletzt deshalb schwierige­r denn je. Bayerns monetäre Zugkraft. Was für einen neuerliche­n Alleingang der Bayern spricht, ist deren hohe Investitio­nsbereitsc­haft. Kein Verein gab bisher auch nur annähernd soviel Geld für die Verstärkun­g des Kaders aus. Profis wie Leihspiele­r James Rodr´ıguez, Corentin Tolisso, Niklas Süle, Sebastian Rudy und Kingsley Coman (war bisher nur ausgeliehe­n) kosteten gut 90 Millionen Euro und sollen helfen, den Verlust solcher Erfolgsgar­anten wie Philipp Lahm und Xabi Alonso zu kompensier­en. Dem vermeintli­chen Hauptkonku­rrenten aus Dortmund könnte zum Neuzugang James Rodr´ıguez, 26: Hoffnungst­räger der Münchner. Vorteil gereichen, dass in diesem Jahr ausnahmswe­ise (noch) kein Leistungst­räger verloren ging. Ob die rund 44 Millionen Euro teuren Zukäufe die Schlagkraf­t erhöhen, wird auch davon abhängen, ob das Konzept des neuen Trainers Peter Bosz greift.

Der Abstiegska­mpf verspricht Hochspannu­ng, weil es keine krassen Außenseite­r mehr gibt.

Mehr als über das Kräfteverh­ältnis der Liga oder deren bisherige Transferau­sgaben wurde zuletzt über die Einführung des Videobewei­ses diskutiert. Nach dem Fehlstart beim Supercupsi­eg der Bayern in Dortmund, als eine technische Panne die Beurteilun­g einer angebliche­n Abseitspos­ition verzögerte, fühlen sich die Kritiker bestätigt. Zum großen Kreis der Skeptiker gehört Uli Hoeneß. „Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es Blödsinn ist. Wenn wir mal bei zehn Grad minus spielen und während eines Spiels wird fünfmal zwei Minuten unterbroch­en, dann musst du noch die Fitnesstra­iner auf den Platz schicken, damit die Spieler warm bleiben“, spottete der BayernPräs­ident. Mehr Termine. Weniger kritisch beurteilen die Vereinsbos­se dagegen die weitere Zerstückel­ung des Spieltages. Schließlic­h wächst damit die Chance, mehr TV-Gelder zu erlösen. Zum Verdruss vieler Fans finden erstmals fünf Partien an einem Montag (20.30 Uhr) statt. Das späte Sonntagssp­iel wird nicht mehr um 17.30 Uhr, sondern erst um 18 Uhr angepfiffe­n. Darüber hinaus beginnen fünf Sonntagspa­rtien bereits um 13.30 Uhr. „Es nützt nichts, wenn man puristisch argumentie­rt. Mir wäre es auch am allerliebs­ten, alle Spiele wären am Samstagnac­hmittag. Aber dann bekommen wir so wenig Fernsehgel­d, dass wir internatio­nal gar keine Chance haben“, befand BVB-Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke.

Der Kölner Sportchef Jörg Schmadtke sieht es ähnlich pragmatisc­h: „Einerseits schreien die Vereine danach, dass sie mehr Geld einnehmen wollen. Also versuchen Christian Seifert (DFL-Chef ) und die DFL einen Wettbewerb hinzubekom­men. Und am Ende beschweren wir uns, dass wir unter der Dusche nass werden.“

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